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Plenarsitzung

Tötungsdelikte haben meist dasselbe Muster

Auf Beantragung durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte der Landtag von Sachsen-Anhalt im November 2024 eine Aktuelle zum Thema „Gewalt ist keine Privatsache. Femizide sind Mord. Frauen schützen!“ abgehalten. Hintergrund war, dass in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau durch einen Mann ermordet werde. Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt steige von Jahr zu Jahr weiter an. Jeden Tag würden in Deutschland im Durchschnitt über 700 Menschen Opfer von häuslicher Gewalt. Die Dunkelziffer sei hoch.

Vor dem Hintergrund der Debatte im Plenum hatte die CDU-Fraktion im November 2024 im Ausschuss für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz beantragt, sich des Themas anzunehmen und eine Überprüfung der statistischen Datenlage zu Tätern und Opfern mit Migrationshintergrund und Frauen als Tätern zu erbringen. Fraglich sei, ob Täter ohne Migrationshintergrund tatsächlich eine geringere Strafe zu befürchten hätten als Täter mit einem solchen oder Frauen als Täterinnen, so im Wortlaut des CDU-Antrags auf Selbstbefassung. Hierzu wurde ein Fachgespräch anberaumt, das am Mittwoch, 28. Mai 2025, stattfand.

Symbolbild Gewalt gegen Frau

„Femizide sind Mord“, konstatiert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und hatte dieses Thema im November 2024 zum Inhalt einer Aktuellen Debatte gemacht.

Steigende Fallzahlen in den Statistiken

Statistiken lieferten nur einen Indikator – hier für Delikte, sie enthielten auch immer Verzerrungsfaktoren (wie die Dunkelziffer), sagte Prof. Dr. Alexander Bauer, Direktor der Abteilung für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Georg-August-Universität Göttingen. Ein statistischer Anstieg von Straftaten müsse nicht zwangsläufig bedeuten, dass es mehr Straftaten gebe, sondern auch, dass es zu einer höheren Aufklärungsrate gekommen sein könnte, so Bauer.

Für Femizide gälten allgemein als Tötungsdelikte an Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts verübt würden. Dabei liege der Tat eine Motivation zugrunde, die von der Vorstellung einer geschlechtsbedingten Ungleichwertigkeit ausgehe und sich vor allem in einer ablehnenden Haltung der Täterperson gegenüber der Gleichstellung und Gleichwertigkeit der Geschlechter äußere, so Bauer.

Bei „geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ würden fünf Fallgruppen berücksichtigt: Sexualdelikte, häusliche Gewalt, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, digitale Gewalt sowie Femizide, erklärte Elena Schaffeld, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie der Universität Göttingen. Insgesamt seien im Jahr 2023 938 Tötungsdelikte an weiblichen Personen durch die Polizei registriert worden, bei 360 Frauen und Mädchen ein vollendetes Tötungsdelikt. 247 von diesen, also 68,6 %, entstammten dem Bereich „Häusliche Gewalt“ (partnerschaftliche und innerfamiliäre Gewalt). Erfasst wurden zudem 853 Tatverdächtige von Tötungsdelikten bei Fällen mit mindestens einem weiblichen Opfer im Jahr 2023.

Der Anteil der Opfer mit deutscher Staatsangehörigkeit habe bei der genannten Fallgruppe der Femizide bei 73,8 % im Vergleich zu 26,2 % weiblicher Opfer mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit gelegen. Von den registrierten 853 Tatverdächtigen habe es sich bei einem überwiegenden Anteil von 84,6 % um Männer gehandelt, 68,2 % dieser Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Die Frage, ob geschlechtsbezogen anders (milder oder härter) bestraft werde, lasse sich weder anhand der Strafverfolgungsstatistik noch anhand von Bundeszentralregisterdaten abschließend beantworten, so Bauer. Dasselbe gelte für den Vergleich der Verurteilung von Deutschen und Nicht-Deutschen. Einfache Vergleiche bei der Sanktionierung über verschiedene Deliktsgruppen mögen zwar darauf hinweisen, dass gegen Nicht-Deutsche in vielen Deliktsbereichen höhere Strafen verhängt werden. Ob diese Unterschiede ein unmittelbarer Effekt der Nationalität oder des „Migrationshintergrunds“ seien oder sie sich aus einer anderen Verteilung sanktionsrelevanter Gesichtspunkte ergäben, lasse sich aus den Statistiken nicht ableiten.

Immer dasselbe Muster

Am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen werde derzeit eine großangelegte Studie zu Femiziden durchgeführt, sagte dessen stellvertretender Direktor Prof. Dr. Tillmann Bartsch. Hierbei würden Strafverfahrensakten aus fünf Bundesländern ausgewertet (Sachsen-Anhalt ist nicht dabei). Im Ursprung sei der Femizid ein politischer Begriff, kein juristischer. Inzwischen sei es anders, der Femizid habe Eingang in gerichtliche Entscheidungen gefunden, so Bartsch. 280 Akten seien bisher gelesen worden. „Und Sie ertragen es irgendwann nicht mehr, weil die Fälle alle gleich sind“, konstatierte Bartsch. Das Muster laute „Frau trennt sich von Mann, Mann kommt mit Trennung nicht klar, setzt Frist, die verstreicht, Frau wird getötet oder versucht zu töten“. „Wir haben hier ein Problem und das gilt es ernsthaft anzugehen“, so Bartsch.

Signalwirkung auf Rechtsprechung

Femizide könnten nach geltendem Recht als Morde eingeordnet werden, Frauenhass werde als niedriger Beweggrund für die Tat herangezogen, sagte Dr. Lucas Montenegro vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht. Bei den sogenannten Trennungstötungen sei dies nicht zwangsläufig gegeben. Wut, Verzweiflung und Ausweglosigkeit des Täters führten dazu, dass die Beweggründe der Tat oft nicht als „niedrig“ eingestuft würden, umso öfter, wenn die Trennung vom späteren Opfer ausgegangen sei. Der 5. Senat des BGH habe sich unlängst gegen diese These gewendet, so Montenegro. Bei der Zumessung der Strafe (StGB § 46) wäge das Gericht die Umstände ab, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei würden zwischenzeitlich auch geschlechtsspezifische Gründe berücksichtigt. Montenegro sieht darin eine mögliche Signalwirkung auf die Rechtsprechung bei Trennungsdelikten.

Im Anschluss an die Anhörung wurde der Antrag auf Selbstbefassung für erledigt erklärt.