Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Einzelfall oder Grundsatzproblem?

Rund 50 Prozent des gesamten Regionalbahnverkehrs werden in Sachsen-Anhalt vom privaten Anbieter Abellio bedient. Im Sommer dieses Jahres geriet Abellio – eine Tochtergesellschaft der niederländischen Staatseisenbahn – in wirtschaftliche und finanzielle Probleme. Zwischenzeitlich drohte sogar das vollständige Aus für den Regionalbahnbetreiber. In der letzten Woche kam dann die gute Nachricht von der Nahverkehrsgesellschaft Sachsen-Anhalt (NASA): Abellio erfüllt den Verkehrsvertrag Saale-Thüringen-Südharz bis zum regulären Vertragsende Dezember 2030. Der Verkehrsvertrag Dieselnetz Sachsen-Anhalt bleibt bis zum Dezember 2023 bestehen und wird dann einvernehmlich beendet. Um einen möglichst reibungslosen Übergang zu einem anderen Anbieter zu schaffen, kündigte die NASA an, den Vertrag möglichst zügig neu auszuschreiben. 

Eine Regionalbahn fährt an einem Feld entlang

Der private Regionalbahnanbieter Abellio ist auch weiterhin in Sachsen-Anhalt unterwegs. Foto: Abellio/Peter Gercke

Abellio pickt sich Rosinen raus

Die Fraktion DIE LINKE hatte – vor dem Hintergrund des drohenden Aus von Abellio – einen Antrag gestellt, um den Landtag mit dem Thema zu befassen. Darin heißt es, alle Regionalbahnen säßen in der Kostenfalle, da sie offenbar nicht mit Personalkostensteigerungen durch neue Tarifverträge und dem Baustellenchaos im Bahnnetz gerechnet hatten. Seit 20 Jahren würden Länder Strecken und ganze Netze immer an den billigsten Anbieter vergeben, das würde sich nun rächen, erklärte Guido Henke (DIE LINKE). Entstanden seien die grundsätzlichen Probleme durch Privatisierung und den Zwang zu sparen. Dieser Privatisierungsprozess sei eindeutig gescheitert.

Nach Ansicht von Henke, dürfte für DB Unternehmen grundsätzlich kein Wettbewerb zulässig sein. In der Notsituation hätte sich Abellio nun die Rosinen rausgepickt, indem die attraktivere Strecke in der Region Südharz–Thüringen bestehen bliebe, während die anderen Strecken in Sachsen-Anhalt Ende 2023 nicht weiter betrieben würden. Die Fraktion DIE LINKE plädierte zukünftig für die Wiedereinführung der Staatsbahn.

Wettbewerb ist grundsätzlich gut

Das bisschen Wettbewerb im Bahnverkehr habe dafür gesorgt, dass der ÖPNV deutlich komfortabler und zuverlässiger geworden sei, betonte die neue Ministerin für Infrastruktur und Digitales Dr. Lydia Hüskens (FDP). Dennoch stritt sie nicht ab, dass er noch nicht optimal sei. Sie wolle beim wettbewerblichen Verfahren bleiben, um die Bahnreisen langfristig noch attraktiver zu machen. Ministerin Hüskens verteidigte zudem das bestehende öffentliche Ausschreibungsverfahren der NASA.

Dumpingangebot nicht nachhaltig

Zwar sei es gelungen, eine Einigung mit Abellio zu erreichen, dennoch sei dies kein Grund zur Freude, weil man eigentlich über Selbstverständlichkeiten rede, sagte Dr. Falko Grube (SPD). Kern des Problems sei das Geschäftsgebaren von Abellio, das ein Dumpingangebot zulasten der Beschäftigten abgegeben habe, um auf den Markt in Sachsen-Anhalt zu kommen. Am Ende sei Abellio mit dem Modell gescheitert, das Geld habe nicht mehr ausgereicht und das Unternehmen habe das Land erpresst. Die Bahn sei jedoch ein Rückgrat des ländlichen Raums, ohne sie kämen viele Menschen nicht mehr zur Arbeit, unterstrich der SPD-Abgeordnete.

Anträge haben sich eigentlich erledigt

Matthias Büttner (Staßfurt) (AfD) zeigte sich verwundert, dass die Linken ihren Antrag nicht zurückgezogen hätten, da ein großer Teil der angesprochenen Punkte mittlerweile erledigt sei. Der Alternativantrag der Grünen bestehe im Wesentlichen aus Selbstverständlichkeiten. „Diese Anträge gehören daher nicht in den Ausschuss überwiesen, sie gehören abgelehnt.“

Die in den Medien oft geschilderte Kritik an Abellio sei in großen Teilen tatsächlich berechtigt, erklärte Detlef Gürth (CDU). Allerdings hätte auch er gedacht, dass DIE LINKE den Antrag zurückziehen würde. Denn alle Punkte, die nicht erledigt seien, wären falsch, insbesondere die grundsätzlich Kritik am Wettbewerb. „Die These dass der Staat automatisch alles besser kann, ist schlichtweg falsch“, sagte Gürth. Diese Staatsgläubigkeit könne er nicht nachvollziehen. Um möglichst viel Leistung und Qualität für den Steuerzahler zu bekommen, habe man seinerzeit den Wettbewerb eingeführt.

Zukünftige Vergabekriterien überdenken

Der Alternativantrag ihrer Fraktion sollte ein Signal an die Bevölkerung sein, dass den Grünen bewusst sei, wie wichtig der regionale Bahnverkehr sei, meinte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Bei zukünftigen Ausschreibungen müssten qualitative Aspekte höher gewichtet werden und insbesondere zukünftige Tarifentwicklungen prognostisch in die Bewertung der Angebote einfließen, „Geiz darf nicht geil sein“, betonte Lüddemann. Dennoch solle es, anders als von der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagen, weiterhin einen Wettbewerb geben.

Staatsbahn ist keine Lösung

Kathrin Tarricone (FDP) teilte die Meinung der Ministerin, dass mit dem Wettbewerb im Schienenpersonennahverkehr der Komfort deutlich zugenommen habe, dies zeigten auch die Fahrgastzahlen. Ob die Ausschreibungskriterien unbedingt zu ruinösen Unternehmen führten, sei nicht bewiesen. Tarricone zeigte sich überzeugt, dass Interessenten bei der neuen Ausschreibung anders auftreten würden als Abellio. Die alte Staatsbahn könne in jedem Fall nicht die Lösung sein, sondern echter Wettbewerb für Netz und Schiene.

Am Ende der Debatte wurden der Antrag der Fraktion DIE LINKE und der Alternativantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den noch zu gründenden neuen Ausschuss für Inftrastruktur und Digitales überwiesen.