Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus sei nicht nur ein historischer Rückblick, sondern eine politische und gesellschaftliche Verpflichtung, konstatierte die Fraktion Die Linke am Freitag, 13. Juni 2025, im Plenum. Durch ihren Antrag soll die Landesregierung unter anderem sicherstellen, dass jede Schülerin und jeder Schüler an allgemeinbildenden Schulen bis zum Ende der Sekundarstufe I an einer Gedenkstättenfahrt teilnimmt und die pädagogische Qualität und die strukturelle Umsetzung der Gedenkstättenfahrten weiterentwickelt und gesichert werden.

Linke: Begegnung mit Geschichte ermöglichen
In Sachsen-Anhalt würde das Erinnern herausgefordert werden, monierte die Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Eva von Angern. Alle Schülerinnen und Schüler sollten die Chance bekommen, in ihrer Schullaufbahn, eine Gedenkstätte zu besuchen. Diese seien ein Ort, an dem Geschichte gespürt und verstanden werde. Die Begegnung solle nicht im luftleeren Raum geschehen, sondern durch pädagogische Arbeit begleitet werden. Demokratiebildung höre nicht mit dem erklären des Wahlsystems auf, sondern müsse Räume schaffen, so von Angern. Schule muss ein Ort bleiben, wo Gesellschaft erlebbar gestaltet wird und an dem manGeschichte leben kann.
Ministerin: Gedenkstättenfahrten immer häufiger
Man dürfe bei den Gedenkstättenbesuchen nicht die Zeit der SED-Diktatur vergessen, unterstrich Bildungsministerin Eva Feußner. Eine beständige Demokratie habe die Aufgabe, schulisch die historische Bildung zu verfolgen. Derzeit gebe es schon weitreichende Förderstrukturen, um Gedenkstättenfahrten umzusetzen. Die Ministerin hob die besondere Stellung Sachsen-Anhalts hervor, hier würden Fahrten komplett finanziert. Sie begrüßte den Ansatz, historische Bildung verbindlich zu gestalten, gab aber auch zu bedenken, dass die derzeitigen Personalkapazitäten nicht allen Schülerinnen und Schülern einen Besuch in einer Gedenkstätte ermöglichen würden.
SPD: Vom Unort zum Lernort
Nach dem zweiten Weltkrieg sei die Aufrechterhaltung von Gedenkstätten keine Selbstverständlichkeit gewesen, betonte Dr. Katja Pähle (SPD). Gedenkorte seien authentische Orte, an denen das Leid der Opfer spürbar werde. Es brauche eine lebendige Auseinandersetzung, vor allem da die Zeitzeugen bald nicht mehr am Leben seien. Aber ebenso dürfe die SED-Diktatur nicht vergessen werden. Auch hier finde eine Geschichtsverklärung statt, so Dr. Pähle. Die Bildung und Weiterbildung von Lehrkräften für die Nach- und Vorbereitung der Besuche dürften nicht vergessen werden.
AfD zieht Vergleich mit Staatsbürgerkundeunterricht
„Ein Antrag, als käme er direkt aus dem Ministerium für Volksbildung der DDR“, so Oliver Kirchner, AfD. Man solle sich nicht nur mit den Opfern des NS-Staates befassen, sondern auch die Opfer des Stalinismus betrachten. Die Kinder hätten eine bessere Bildung verdient, so solle sich auch „mit dem Faschismus unter Mussolini, mit den Säuberungen unter Mao Zedong oder Pol Pot, mit der Diktatur in der DDR und mit der Verfolgung Andersdenkender durch den Staatssicherheitsdienst“ beschäftigt.
FDP: Freiheit und Unfreiheit begreifen
Am 80. Jahrestag des Kriegsendes und der vielen KZ-Befreiungen sei es wichtig, sich der Erinnerungskultur zuzuwenden, betonte FDP-Politiker Andreas Silbersack. Nur wenn die nachfolgenden Generationen verstünden, was Unfreiheit bedeutet, könnten sie die Freiheit voll begreifen. Die Erinnerungskultur dürfe nicht nur auf die Zeit von 1933 bis 1945 beschränkt werden. Silbersack führte die Gedenkstätte Roter Ochse in Halle an. Hier hätten nicht nur Nationalsozialisten und die Rote Armee Menschen ihrer Freiheit beraubt, sondern auch die Staatssicherheit während der DDR. Es brauche eine ganzheitliche Erinnerungskultur, resümiert Andreas Silbersack.
Grüne: Lehrer in der Pflicht, Demokratie zu verteidigen
Ein Gedenkstättenbesuch lebe lange in der Erinnerung der Besuchenden weiter, so Susan Sziborra-Seidlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Sie zeichnete das Bild des KZ Auschwitz, welches sie als Schülerin besucht habe. Ein solcher Besuch illustriere das im Unterricht Gelernte. Allerdings biete er „keine Immunität gegen Menschenfeindlichkeit und Autoritarismus, gegen Antisemitismus, Queerfeindlichkeit oder gegen Rassismus“, so Sziborra-Seidlitz. Es brauche eine pädagogische Einbindung. Man solle auch die Gedenkstätten, Mahnmäler und Stolpersteine vor Ort betrachten. Diese zeigten, wie sehr die Verfolgung durch die Nationalsozialisten in ganz Deutschland verbreitet war. Sziborra-Seidlitz betonte, Rechtsextremismus müsse bekämpft werden und forderte weitere Demokratiebildung.
CDU: Erinnerung hört nicht bei dem NS-Regime auf
Erinnerung sei wichtig, damit diese Verbrechen nie wieder geschehen, meinte Matthias Redlich (CDU). Es brauche ein Bewusstsein dafür, wie es zu den Verbrechen der Nationalsozialisten gekommen sei. Allerdings dürfe es keine isolierte Betrachtung geben, auch „die zweite Diktatur“, die der SED, gehöre zur Deutschen Geschichte dazu. Redlich sieht neben den Schulen auch die parteinahen Stiftungen dazu in der Pflicht, zur Erinnerungskultur beizutragen. Das Thema sei auch im Koalitionsvertrag verankert worden. Man habe erkannt, wie wichtig es sei, sich mit der Erinnerung auseinanderzusetzen.
Antrag in Bildungsausschuss überwiesen
Der Antrag der Fraktion Die Linke wurde in den Ausschuss für Bildung überwiesen. In der Debatte wurde ein Expertengespräch angeregt, um über die Umsetzung der verbindlichen Gedenkstättenfahrten zu entscheiden.