Sachsen-Anhalts Schulgesetz wird novelliert. Den entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedeten die Koalitionsfraktionen am Mittwoch, 11. Juni 2025. „Nach langen und intensiven Diskussionen, die einem solch umfassenden Gesetzentwurf auch angemessen sind“, wolle man „ein starkes Signal für die Zukunft unseres Bildungssystems“ setzen, so Bildungsministerin Eva Feußner (CDU).

Die Novelle des Bildungsgesetzes soll für Entlastung in den Schulen und Klassenräumen sorgen.
Darum geht es in der Novelle
Das neue Schulgesetz, so die Ministerin, sei an aktuelle Entwicklungen und schulpolitische Zielsetzungen angepasst. Gleichzeitig berücksichtige es die Anforderungen des Koalitionsvertrags, des bildungspolitischen Dialogs mit dem Ministerpräsidenten sowie die Vorgaben der Kultusministerkonferenz. „Diese Reform ist nicht nur ein Schritt nach vorn, sondern auch das Ergebnis eines breiten Dialogs mit den Akteuren des Bildungswesens“, sagte Bildungsministerin Eva Feußner. Eckpfeiler der Änderungen sei das Vorhaben, bestandsgefährdeten Schulen mehr Spielraum in der Planung zu geben, insbesondere im ländlichen Raum – etwa durch Fusionen und Kooperationen. Ergebnis soll eine möglichst wohnortnahe Beschulung sein. Für die Einrichtung von ersten Klassen habe man sich auf Mindestjahrgangsstärken geeinigt.
Um den Übergang ins Arbeitsleben zu erleichtern, sei es nun erlaubt, dass Schulen die Daten von Schülern ohne berufliche Anschlussperspektive an die Agenturen für Arbeit weitergeben dürfen. „Damit sorgen wir dafür, dass niemand durchs Raster fällt.“ Ebenfalls im Gesetz verankert sei die neue Personalkategorie der pädagogischen Unterrichtshilfen. Feußner nannte außerdem explizit die Schulsozialarbeiter als Teil der multiprofessionellen Teams an den Schulen, die jedoch derzeit nicht im Bildungsministerium verortet seien. Hierfür sei Feußner offen, allerdings bedürfe es dafür entsprechender Parlamentsbeschlüsse. Seiteneinsteiger, so Feußner, seien im Lehrbetrieb unverzichtbar. Das neue Gesetz schaffe entsprechend die Grundlage für ein Verfahren, um Quereinsteiger als Lehrer anzuerkennen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Dies sei „Eine wichtige Maßnahme, um auch dien Schulen zukünftig handlungsfähig zu halten.“
Digitale Lern- und Lehrformen seien nun explizit im Gesetz erwähnt. Damit könnten diese, nach Entscheidung der Schule, an die Stelle des Präsenzunterrichts treten oder ihn ergänzen. Die Sicherheit in den Schulen werde ebenfalls gestärkt, indem Schüler bis zu drei Monate vom Schulbesuch ausgeschlossen werden könnten. Für Schüler, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in Vollzeit die Schule besuchen könnten, gebe es künftig die Möglichkeit eines verkürzten Unterrichtsangebotes. Um die Qualitätssicherung zu stärken, sei es mit dem neuen Gesetz möglich, zentrale Klassenarbeiten in zusätzlichen Fächern und Jahrgängen zu schreiben.
„Die Schulgesetzreform, die wir heute beschließen, ist weit mehr als die bloße Anpassung an aktuelle Entwicklungen“, so die Ministerin. „Wir gestalten Schule von Morgen aktiv. Für eine starke Bildung und faire Startbedingungen für unsere Schülerinnen und Schüler.“
AfD sieht Einfluss eigener Umfragewerte
Nach der Ansprache der Ministerin folgten die Redebeiträge der Fraktionen. Christian Mertens (AfD) sprach an dieser Stelle von einem Umschwenken beim Thema Mindestschülerzahlen. Die anfänglich geplanten Regelungen, so Mertens, hätten Schulschließungen bedeutet. Den Grund dafür, dass dies im finalen Gesetz anders geregelt wurde, sieht Mertens in den Umfragewerten seiner Partei.
SPD: Berufsbildung an Gymnasien stärken
Dr. Katja Pähle (SPD) blickte auf einige Änderungen zurück, die der Gesetzentwurf im Laufe des Prozesses erfuhr. Die bedeutendste sei wahrscheinlich die Regelung zu Schulfusionen und -Kooperationen in Verbindung mit den Mindestschülerzahlen. Hier habe es innerhalb der Koalition eine große Einigkeit darüber gegeben, Schulstandorte erhalten zu wollen. Pähle sprach auch die digitalen Lernformen an und betonte, dass diese an das Vorhandensein der Endgeräte gebunden sei. Dies sei voraussichtlich eine Aufgabe für die kommende Legislaturperiode. Nachholbedarf sieht Pähle im Bereich der Berufsorientierung an Gymnasien. Positiv sieht sie die Einführung der pädagogischen Unterrichtshilfen, die höher qualifiziert seien als pädagogische Mitarbeiter. „Ich glaube, dass unsere Schulen das brauchen.“
Linke: Novelle ist nichts, was Schulen voran bringt
Thomas Lippmann (Die Linke) erklärte, dass das Gesetz viele Änderungen enthalte, welche seine Fraktion entschieden ablehne. Hier nennt Lippmann die „rigide“ Erweiterung der Möglichkeiten, Schüler vom Unterricht auszuschließen sowie die Möglichkeit, Präsenzunterricht durch digitalen zu ersetzen. Weiterhin kritisert Lippmann, dass das Ministerium, künftig „nach Gutdünken“ landesweit zentrale Klassenarbeiten anordnen könne. Seine Fraktion lehne es außerdem entschieden ab, dass künftig Erzieherinnen und Menschen mit vergleichbaren Ausbildungen ohne fachliche Unterrichtskompetenz als pädagogische Unterrichtshilfen eingesetzt werden sollten. Weiterhin sprach Lippmann von einem „Kreuzzug“ gegen die Gesamtschulen, durchgeführt mittels Fusionen. Abschließend kritisierte er, dass eine ursprünglich vorgesehene Bewährungsfeststellung von Lehrkräften im Quereinstieg nicht mehr in der finalen Beschlussempfehlung zu finden sei. Grund dafür seien Einwände des Finanzausschusses, der diese Regelung „überfallartig wiedereinkassiert“ habe. Am Ende bleibe in der Novelle des Schulgesetzes nichts, was die Schulen voranbringe.
FDP lobt Gesetz und betont Eigenverantwortung
„Mit dem heute vorliegenden Gesetz werden sinnvolle Anpassungen vorgenommen, denen wir als FDP-Fraktion vollinhaltlich folgen werden“, so Jörg Bernstein in seinem Redebeitrag. „Für uns Freie Demokraten ist Bildung das zentrale Fundament für Teilhabe und Eigenverantwortung.“ Er bezeichnete die vorangegangenen Beratungen als konstruktiv. Man habe ein gemeinsames Ziel gefunden. Dieses bestehe darin, das Bildungssystem im Land zukunftsfester zu machen. Besonders stellte er heraus, dass es im neuen Gesetz keine Erhöhung der Mindestschülerzahlen geben werde. Schulträger seien jedoch in der Verantwortung, „tragfähige Zukunftskonzepte“ zu entwickeln, damit vorhandene Schulstrukturen gehalten werden könnten.
Als wichtigen Schritt lobte Bernstein „die Stärkung der Berufsorientierung an den Gymnasien“. „Wenn wir dem Fachkräftemangel wirksam begegnen wollen, müssen wir jungen Menschen frühzeitig zeigen, welche Chancen auch außerhalb eines klassischen Studiums bestehen.“ Auch die erstmalige Regelung der digitalen Lernformen im Schulgesetz erwähnte Lippmann positiv. Als Berufsschullehrer freue ihn besonders „die Stärkung der Berufsschulen hin zu Kompetenzzentren als Partner für unsere regionale Wirtschaft.“ Nun sei es an den Berufsschulen, tätig zu werden und entsprechende Konzepte zu entwickeln. Abschließend betonte Bernstein die Verantwortung, die auch jeder eigene Schüler trage. „Es gilt der Grundsatz: Fördern und auch fordern.“
Grüne: Notrettung ist keine moderne Bildungspolitik
Susan Sziborra-Seidlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) verglich das Schulgesetz in ihrer Rede mit einem alten Schulgebäude. Es gebe klemmende Fenster, Löcher im Putz und einen Mangel an Barrierefreiheit. „Und trotzdem ist dieser Ort wichtig.“ Auch nach der Novelle des Schulgesetzes brösele es noch. „Dem Anspruch an ein modernes Bildungssystem wird dieser Vorschlag nicht gerecht.“ Es brauche dafür mehr als Tablets und Digitalisierung. Ein modernes Bildungssystem sei außerdem „das komplette Gegenteil von verlängerten Sanktionsmöglichkeiten“ für Schüler.
Sziborra-Seidlitz sprach im Folgenden die „Pisa-Gewinnerländer“ an, von deren Bildungssystemen man lernen könne. Erfolgreiche Bildungssysteme seien von langem, gemeinsamem und inklusivem Lernen geprägt. In diesem Zuge krtitisierte Sziborra-Seidlitz „die Kürzung der präventiven Förderstunden an Grundschulen“. Sie warf der Bildungsministerin einen Kurs vor, der Kinder mit Einschränkungen und sonderpädagogischem Förderbedarf aus Regelschulen fernhalten solle. Auch habe sich das Bildungsministerium durch eine Verordnungsermächtigung im neuen Gesetz eine Möglichkeit offen gelassen, mit der es Mindestschülerzahlen „am Landtag vorbei“ verändern könne. „Übergroße Klassen und Schulschließungen mögen als Notrettung verheißungsvoll erscheinen – das kann ich auch nachvollziehen. Aber sie sind eben das Gegenteil von guter und moderner Bildungspolitik.“ Entsprechend reichte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Änderungsantrag ein.
CDU: Novelle ist fundamentales Zeichen
Carsten Borchert (CDU) lobte im abschließenden Redebeitrag die Novelle als „fundamentales Zeichen dafür, dass wir weiterhin ein zukunftsfestes, verlässliches und differenzierendes Bildungssystem haben werden.“ Das neue Gesetz überführe „bewährte Regelungen in dauerhafte Gesetzlichkeit“, was dringend nötig sei, etwa die Verankerung der Mindestjahrgangsstärken für Anfangsklassen aus der Schulentwicklungsplanung. Dies gebe den Trägern Planungssicherheit. Borchert erwähnte auch die neue „fokussierte Schullaufbahnempfehlung samt der landeszetralen Leistungserhebung“ und lobte sie als Verfahren, das Eltern bei der Entscheidungsfindung für den Bildungsweg ihrer Kinder helfe. Eine weitere wichtige Neuerung sei die Regelung zu Kooperationen und Fusionen von Schulen,„wo es pädagogisch und strukturell sinnvoll ist.“ Auf diese Weise bliebe eine wohnortnahe Beschulung erhalten. „Diese Novelle ist keine Revolution, sie ist ein weiterer Entwicklungsschritt“, so Borchert am Ende seiner Rede. Sie schaffe Klarheit für alle Beteiligten im Bildungssystem.
So wurde abgestimmt
Im Folgenden wurde über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und über die Beschlussvorlage des Gesetzentwurfs abgestimmt. Der Änderungsantrag wurde abgelehnt. Dagegen stimmten die Koalitionsfraktionen sowie die AfD. Die Linke enthielt sich, die einbringende Fraktion stimmte dafür.
Anschließend wurde der Gesetzentwurf beraten und angenommen. Dafür stimmten die Koalitionsfraktionen, dagegen die Fraktion Die Linke sowie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die AfD-Fraktion enthielt sich.