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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 24

Forschende kommt nach Sachsen-Anhalt! Ein Sonderprogramm Wissenschaftsfreiheit auflegen 

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/5388


Einbringen wird diesen Antrag der Abg. Herr Meister. - Bitte schön, Herr Meister.


Olaf Meister (GRÜNE): 

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das sind ziemlich finstere Nachrichten, die uns aus den USA erreichen - wieder einmal, das scheint heute ein Thementag zu sein. Die aktuelle US-Regierung unter Trump bricht letztlich mit der langen Wissenschaftstradition der USA, obwohl diese eine Grundlage und Bedingung für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik des Landes war und auch noch ist.

Der jetzige Vizepräsident Vance hat in einer Rede am 2. November 2021 die Universitäten als feindliche Institutionen bezeichnet, die man verändern müsse, um Kontrolle über das Wissen zu erlangen. Man müsse sie ehrlich und aggressiv angreifen - die Professoren sind die Feinde.

Tatsächlich setzt die aktuelle US-Regierung dies praktisch um. Es wirkt bizarr, ist aber Ausdruck der dort verfolgten Ideologie. Sie tragen einen Kulturkampf gegen die Wissenschaft in die Hochschulen des Landes, in dessen Ergebnis eben nicht mehr auf der Basis von Meinungs-, Wissenschafts- und Forschungsfreiheit Ergebnisse, also Wissen generiert wird, sondern die politisch-ideologische Vorgabe die Richtung festlegt.

Der Angriff ist folgerichtig. Wissen ist Macht; es geht um das Herzstück einer freiheitlichen Gesellschaft. Wer diese zerstören will, muss die Wissenschaft angreifen. Mit Wissen wehrt man sich gegen Täuschung; wer nichts weiß, muss alles glauben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deshalb gibt es in autoritären Systemen keine Wissenschaftsfreiheit. Deshalb begreift Trump sie wohl nicht zu Unrecht als seinen Feind und geht gegen sie vor. Trump kürzt Stellen in der Forschung, streicht Jobs an Universitäten, entzieht Visa, weist Forschende aus, hält Forschungsgelder zurück, führt einen absurden Kampf gegen vermeintliche Wokeness. Es werden bspw. alle Mittel für Forschung gekürzt, in der irgendwie das Wort „Vielfalt“ vorkommt. Abgesehen davon, dass der Kampf gegen Vielfalt zeigt, wessen Geistes Kind man ist, ist man inhaltlich auch nicht besonders zimperlich. Nach Presseberichten traf der Bannstrahl auch Ornithologen, die über die Vielfalt des Genoms von Vögeln forschten: „Er hat Vielfalt gesagt!“. Deutlicher kann man die Verachtung von Wissenschaft nicht zeigen, wenn man nicht einmal bereit ist, unterschiedliche sprachliche Bedeutungen zu beachten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der Linken)

Es trifft nicht nur politisch verdächtige Forschung im Sozialbereich - ich ahne schon, welche Argumentation gleich kommt. Die Budgetkürzungen führen zum Beispiel auch zu Entlassungen in der Krebsforschung. Das wird letztlich auf mittlere Sicht Menschenleben kosten.
Ein Land, das so mit seiner Wissenschaft umgeht, das bewusst Unsicherheit schafft, wird viele seiner wissenschaftlichen Kapazitäten, seiner klügsten Köpfe verlieren. Da bahnt sich jenseits von konkreten Einzelschicksalen der Abstieg der USA als noch führende Wissenschaftsnation an.

(Alexander Räuscher, CDU, lacht)

Das erfolgt nicht mit einem großen Ruck. Wenn die USA das weiter so machen, werden sich die weltweiten Gewichte auch im Bereich von Forschung und Wissenschaft verschieben, zuungunsten der USA. Wir hatten vorhin die Debatte, dass das in der Wirtschaft ganz ähnlich passiert. Ich meine, auch in der Sicherheit erleben wir das. 

Wir in Europa, in Deutschland, in Sachsen-Anhalt müssen uns fragen, ob wir nicht in dieser Situation versuchen sollten, ja müssen, die entstehende Lücke zu füllen und mehr zu machen in Wissenschaft und Forschung,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

um selbst wieder stärker als Kontinent eine wissenschaftliche Führungsrolle anzubieten. Den Standortvorteil freier Gesellschaften, idealer Nährboden für unabhängige Wissenschaft zu sein, sollten wir nutzen. Dazu gehören Investitionen in Wissenschaft und Forschung, aber eben auch - darauf zielt der Antrag ab -, Forschenden, die sich, so traurig das ist, die Frage stellen, ob die USA in ihrem jetzigen Zustand noch berufliche oder persönliche Heimat sein können, eine Alternative in Europa zu bieten - als neue Chance für die Betroffenen, aber natürlich auch als Chance für unseren Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort.

Wir haben hier in Sachsen-Anhalt exzellente Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen. Wir haben eine gesetzlich abgesicherte Wissenschaftsfreiheit. Wir haben gute Voraussetzungen, damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA, aber auch aus dem Ausland allgemein, hier Fuß fassen und ihre Ideen und Vorhaben umsetzen können. Diese Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Sachsen-Anhalt, Deutschland, ja, Europa zu gewinnen, wäre ein großer Gewinn für den hiesigen Standort.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ähnliche Bestrebungen gibt es auch in anderen Bundesländern und in anderen Staaten. Wir brauchen in Abstimmung mit den Hochschulen und vielleicht auch in Abstimmung mit anderen Ländern ein Sonderprogramm, das die nötigen Voraussetzungen schafft.

Zur Wahrheit gehört aber leider auch, dass die Situation, die wir jetzt in den USA vorfinden, auch bei uns nicht ausgeschlossen ist. Die Begeisterung der AfD für Trump ist hier in jeder Rede zu hören und wird von ihnen auch gleich noch einmal dokumentiert werden.

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Meister, einen Augenblick bitte. - Es ist ziemlich schwierig für einen Redner, gegen eine solche Lärmwand anzureden, die im Augenblick vom Plenum erzeugt wird, und zwar von allen Seiten des Plenums. Deswegen bitte ich darum, auch wenn das heute der letzte Tagesordnungspunkt ist, noch etwas Aufmerksamkeit walten zu lassen. - Bitte schön, Herr Meister.


Olaf Meister (GRÜNE): 

Sie haben völlig recht. Das habe ich ob der späten Stunde, als es losging, befürchtet. 

Dieselben, die behaupten, sich in ihrer Freiheit angegriffen zu fühlen, wenn jemand gendert, werden auch bei uns kein Problem haben, wenn Radikale unter ihrer eigenen politischen Agenda Leute entlassen und diese ihrer beruflichen Existenz beraubt werden,

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der Linken)

wenn Forschung und auch andere Bereiche nach ihrem eigenen Gusto gleichgeschaltet werden. Es ist eben nicht sicher, dass bei uns auf Dauer Rechtsstaatlichkeit und die freiheitlich-demokratische Grundordnung fortbestehen. Aber es liegt an uns; wir haben es selber in der Hand, in Europa keine Extremisten an die Macht zu lassen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der Linken)

Schon jetzt haben - das ist die andere Seite der Medaille zu meinem Werben um die internationalen Forscher - internationale Forscherinnen und Forscher wie auch andere ausländische Fachkräfte berechtigte Sorge und Angst vor einem Klima, in dem Rechtsextreme auch bei uns nach der Macht greifen und rassistische Übergriffe und Hass gegen Ausländer zunehmen. Das alles macht Sachsen-Anhalt unattraktiver für internationale Fachkräfte; das hält Menschen davon ab, hierher zu kommen.

Wenn wir also Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA für Sachsen-Anhalt gewinnen wollen, dann gehört es auch dazu, dass wir gegen Rechtsextremismus und Rassismus vorgehen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der Linken)

Doch zurück zu unserem Antrag. Wir sollten diesbezüglich aktiv werden und ein Sonderprogramm „Wissenschaftsfreiheit“ schaffen, um den besten Köpfen die Möglichkeit zu geben, in Sachsen-Anhalt zu forschen. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der Linken)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Vielen Dank, Herr Meister.