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Plenarsitzung

Transkript

Rüdiger Erben (SPD): 

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor fast einem Jahr haben wir hier im Hohen Hause eine Aktuelle Debatte zum Thema - ich zitiere - Angriffe auf Politiker und Mandatsträger - geführt. Wenn Sie sich erinnern, ich habe bei dieser Debatte unter anderem aus einer Denkschrift des früheren Reichsaußenministers Severing von 1929 zur damaligen Verrohung der politischen Kultur in Deutschland insbesondere durch Rechtsextremisten zitiert. Meine Worte waren damals - ich zitiere wiederum -: „Unser Land ist nicht in der gleichen Krisenlage    “ 

(Zuruf)

Ist nicht in der gleichen Krisenlage     Entschuldigung, jetzt bin ich     Machen wir es ganz anders. Unser Land ist nicht in der gleichen Krisenlage wie im Jahr 1929. Aber an manchen Tagen möchte man schon sagen, wir sind ziemlich nahe an einer solchen dran. An dieser Einschätzung, die ich schon damals hatte, hat sich nichts geändert. 

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlichte vergangene Woche eine Zusammenstellung, in der Politiker aller Parteien und Ebenen von ihren Erfahrungen mit einer enthemmten politischen Debattenkultur berichteten. Das Bild, das gezeichnet wurde, ist verheerend. Die Beleidigung, Bedrohung und Einschüchterung von Politikerinnen und Politikern ist zu einem Dauerzustand in Deutschland geworden, im Netz und auf der Straße.

Der die sogenannte Politikerbeleidigung betreffende § 188 StGB soll nicht nur Weimarer Verhältnisse verhindern, er geht tatsächlich auf die Weimarer Republik zurück. Seine Urform findet sich nämlich in der vierten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen zum Schutz des inneren Friedens vom Dezember 1931. Er sollte - ich zitiere aus der Verordnung - der zunehmenden Vergiftung des öffentlichen Lebens durch Verunglimpfung anderer und der wachsenden Verhetzung im politischen Kampf entgegenwirken. Diese Regelung ging aus gutem Grund auch in unser heutiges Strafgesetzbuch über. Frau Ministerin hat eben darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht das schon in den 1950er-Jahren auch so bestätigt hat. 

Es kann nur gelingen, wenn die Bürger bei ihrem Engagement nicht bin in das Persönlichste hineingehende Beleidigungen und Einschüchterungen ertragen müssen, gerade - das hat das Bundesverfassungsgericht damals auch festgestellt - wenn der Vergiftung des politischen Lebens durch Ehrabschneidung und Verunglimpfung und der Verhetzung im politischen Kampf entgegengewirkt werden soll. 

Ein erhöhter strafrechtlicher Schutz vor Beleidigung ist durchaus richtig. Ich bin froh, dass der Bundesgesetzgeber vor Jahren diesen Schutz auch auf Kommunalpolitiker ausgedehnt hat. 

(Beifall)

Dass § 188 StGB heute konsequent angewandt wird, das mag den Antragstellenden von der AfD sicherlich nicht gefallen. Natürlich geht es im politischen Meinungskampf durchaus rau zu. Man muss als öffentliche Persönlichkeit manches ertragen. Das gilt auch im privaten Rahmen. Das heißt allerdings nicht, dass politisch engagierte Menschen verbal zum Freiwild deklariert werden können. 

Wohin das führt - hier schießt sich der Kreis -, hat sich nicht nur in der Weimarer Republik gezeigt. Auch dem Mord an Walter Lübcke ging eine mehrjährige Hetzkampagne in der virtuellen Welt und in der analogen Welt voraus. Wir lehnen deshalb Ihr Ansinnen ab. - Vielen Dank.