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Plenarsitzung

Kurzfristig Hilfen, langfristig Sicherung

Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine hatte die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Aktuelle Debatte mit dem Titel „Ernährung für alle sichern“ beantragt. Diese wurde am Freitag, 25. März 2022, im Landtag von Sachsen-Anhalt geführt. Der Großteil der weltweiten Getreideproduktion stammt aus der Ukraine und aus Russland, nun machen sich die Einstellung bzw. Engpässe des Exports bemerkbar – unter anderem mit kaum absehbaren Preissteigerungen.

Weizenfeld in Sachsen-Anhalt.

Weizenfeld in Sachsen-Anhalt: Wie kann die Ernährung für alle Menschen auf der Welt trotz Kriegs in der Ukraine sichergestellt werden?

Grundlagen für krisenfeste Landwirtschaft

Durch den Krieg in der Ukraine seien die landwirtschaftliche Produktion und die Exporte gestört; zwei Kornkammern der Welt fielen nun für die globale Versorgung aus, resümierte Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Betroffen seien vor allem arme Länder, Somalia beispielsweise importiere 90 Prozent seines Getreides. Die Versorgung mit Lebensmitteln habe für alle Menschen oberste Priorität. Es sei wichtig, dass kurzfristig Hilfen da ankämen, wo die Not am größten sei.

Langfristig müssten die die Grundlagen für eine krisenfeste Landwirtschaft und für eine faire Ressourcenverteilung gelegt werden. Spätestens seit 2018 gehöre Sachsen-Anhalt zu den trockensten Gebieten in Europa, „vier Dürrejahre liegen hinter uns“, 63 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen hätten erhebliche Ernteeinbußen (30 Prozent) vorzuweisen, so Frederking.

Die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft dürfe trotz des Kriegs nicht über Bord geworfen werden. Denn weder die Klimakatastrophe noch das Artensterben seien aufgrund des Kriegs verschwunden. Die Agrarwende sei dringlich zum Selbstschutz der Landwirtschaft. Die Nährstoffkreisläufe seien ins Gleichgewicht zu bringen.

Drohender Hungersnot vorbeugen

Der Krieg in der Ukraine sei für die Menschen vor Ort und in Europa eine Riesenkatastrophe, sagte Sven Schulze (CDU), Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten. Auch in Sachsen-Anhalt gebe es Unternehmen in der Landwirtschaft, die jetzt ihre Geschäftsgrundlage mit der Ukraine und Russland verlören. Die Höchstpreise von heute könnten die Niedrigpreise von morgen sein.

Viel Getreide aus der Ukraine und Russland gehe nach Afrika, hier sei eine Getreideknappheit vorprogrammiert, folglich Hunger von Millionen Menschen. „Können wir es uns in diesem Zusammenhang leisten, vier Prozent der besten Böden nicht zu bewirtschaften?“, fragte Schulze. Die EU habe eine vorübergehende Zulassung von geschützten Flächen für die Futtermittelproduktion und die Landwirtschaft in Gänze freigeben, in Deutschland soll dies nur für Futtermittel zulässig sein. In Sachsen-Anhalt betreffe dies immerhin 39 000 Hektar Ackerfläche, kritisierte Schulze.

Weniger Flächen mit Futtermittel besetzen

Die Lieferausfälle von Getreiden, Sonnenblumenkernen und Düngemitteln aus der Ukraine und aus Russland stellten eine der vielen Herausforderungen und Probleme im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine dar, sagte Elrid Pasbrig (SPD). Der Selbstversorgungsgrad in Europa sei sehr hoch, zum Teil sogar weit über 100 Prozent. Betroffen seien vor allem die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern, die die enorm gestiegenen Preise für Lebensmittel nicht bezahlen könnten. Kurzfristig müsse geklärt werden, wie den Menschen in der Ukraine zu helfen sei, die keinen Zugang zu Lebensmitteln hätten. Die ausbleibenden Getreidelieferungen müssten so kompensiert werden, dass Getreide weltweit auch künftig zu erschwinglichen Preisen erhältlich bleibe, so Pasbrig. In Deutschland müsse der Selbstversorgungsgrad bei Eiweißpflanzen steigen. Steigende Kosten für Landwirte müssten ebenso abgefedert werden.

Man dürfe allerdings nicht den Klima- und Umweltschutz gegen die Lebensmittelsicherheit ausspielen, es müsse nach dem richtigen Weg gesucht werden. Die Anbau- und Exportausfälle aus der Ukraine und Russland müssten weltweit kompensiert werden, auch in Deutschland. Weltweit seien zum Beispiel fast drei Viertel der landwirtschaftlichen Anbauflächen für Futtermittel belegt – „wir essen einfach zu viel Fleisch“, so Pasbrig.

Regional ernähren, Importe einschränken

Die grüne Umweltministerin habe in der zurückliegenden Legislaturperiode lediglich ihren „Ökowahn“ ausgelebt, aber nichts für die Verbraucher im Land getan, kritisierte Hannes Loth (AfD). Das 2019 beratene Ernährungssicherstellungsgesetz über Stärken, Schwächen und Reserven in der Ernährungssituation des Landes Sachsen-Anhalt sei bis heute nicht verabschiedet. Der Ausbau von Windenergie und Photovoltaik gehe zu Lasten der Landwirtschaft.

Internationale Lieferketten hätten sich etabliert, sich dabei aber zu einer Last entwickelt. Loth forderte, dass sich die Menschen in Sachsen-Anhalt wieder verstärkt regional ernährten, Produkte aus aller Welt (Zitrusfrüchte, Soja etc.) sollten nicht mehr selbstverständlich importiert werden. „Hoffen wir auf Frieden in Europa und der Welt und auf gute Erträge in diesem Jahr, sodass die Diskussionen über die Ernährungssicherheit nicht mehr notwendig sind.“

Kein weiter Ökolandausbau

„Gut und billig geht nicht“, gleiche Verkaufspreise zu immer höheren Erzeugerpreisen ließen sich nicht realisieren, betonte Johannes Hauser (FDP). Man wolle umweltbewusst und technisch hochwertig produzieren, das sei das Ziel der Landwirte, aber Tierwohl, Pflanzenschutz und Insektenschutz gingen zu oft gegen den Ertrag. Hauser stellte sich gegen einen weiteren Ausbau von Photovoltaikausbau auf Ackerflächen. 120 Hektar Ackerland würden allein im Salzlandkreis neuerlich für Photovoltaik ausgelegt, weil die Erträge höher als die von Weizen und Zuckerrüben seien. Hauser sprach sich zudem gegen den weiteren Ausbau von Ökolandbau mit Steuermitteln aus. „Der Markt ist nicht da, den wollen sie künstlich erzeugen“, sagte er Richtung Grüne.

Importabhängigkeit weltweit reduzieren

Das Thema der Aktuellen Debatte sei nicht neu, die Ernährungssicherheit hätte in krisenarmen Zeiten längst weiter vorangetrieben werden sollen, meinte Kerstin Eisenreich (DIE LINKE). Schon vor dem Krieg in der Ukraine hätten 800 Millionen Menschen an Hunger gelitten, weitere 100 Millionen Menschen könnten nun noch dazukommen. Viele Menschen in den armen Ländern gäben bis zu 90 Prozent ihres Geldes für die Ernährung aus. Die kriegsbedingten Ausfälle würden nun zu einer Verknappung führen – zum Beispiel bei Soja, Getreide, Sonnenblumenöl und Düngemitteln. Europa habe eine ausreichende Quote an Kartoffeln, Fleisch, Zucker und Getreide. Etwa 70 Prozent der Ackerflächen würden allein für Tierfutter verwendet. Zudem gebe es eine riesige Reserve bei Obst und Gemüse.

Eisenreich kritisierte die große Lebensmittelverschwendung, außerdem werde Gemüse einfach untergegraben, weil es sich nicht verkaufen ließe, Obst vergammle an den Bäumen, weil es günstiger sei, es aus dem Ausland zu importieren, statt es zu ernten. „Wir brauchen eine Agrarwende zum Schutz von Mensch und Natur!“, forderte die Linken-Abgeordnete. Um gegen Hunger und Wasserverknappung vorzugehen, müsse der Agrarsektor umgebaut werden. Dazu gehörten eine deutliche Senkung der Schadstoffemission und die Abschaffung von für die Industriestaaten angelegten Monokulturen in den armen Ländern. Mittel- und langfristig müsse weltweit die Importabhängigkeit reduziert werden.

Preise für Erzeugung enorm gestiegen

„Die Uhren drehen sich im Moment ein bisschen anders“, keiner könne sagen, wann der Krieg in der Ukraine zu Ende sein werde, sagte Olaf Feuerborn (CDU). Wer erntet die Wintersaaten? Die Saaten für Sommerweizen, Hartweizen, Raps und Sonnenblumen müssten in Kürze in die Erde gebracht werden. Aber diese Arbeiten könnten in der jetzigen Situation nicht ausgeführt werden. Den Menschen in der Ukraine müsse in dieser Notsituation geholfen werden.

Landwirtschaft sei seit jeher nachhaltig gedacht worden, meinte Feuerborn. „Die Nahrungsmittelsicherheit ist uns wichtig.“ Die Preise für die Erzeugung seien aber enorm angestiegen. Die Ausgleichszahlungen seien nicht an die Inflationsrate angepasst worden. Deswegen sei die Produktion bestimmter Produkte auch ausgelagert worden. Nicht alle stillgelegten Flächen, die wieder in die landwirtschaftliche Produktion aufgenommen werden könnten, seien geeignet, um darauf Nahrungsmittel zu produzieren, sagte Feuerborn. Trotz erweiterten Anbaus wolle man selbstverständlich auch am Artenschutz festhalten.

Am Ende der Aktuellen Debatte wurden keine Beschlüsse zur Sache gefasst.