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Plenarsitzung

Geld für Führerschein, mehr Glanz für den Job

Die AfD-Fraktion möchte die Attraktivität der Ausbildungsberufe steigern und schlägt einen Führerschein-Zuschuss für alle Auszubildenden in Sachsen-Anhalt vor. Eine solche Förderung sei auch deshalb geboten, „weil die Strecke zwischen Wohnort und berufsbildender Schule bzw. Ausbildungsstätte oftmals nicht ausreichend durch den ÖPNV bedient wird“, so die AfD-Fraktion. Der Zuschuss solle vorab gewährt werden, aber nur unter der Bedingung erhalten bleiben, dass die Ausbildung nicht vorzeitig abgebrochen wird. Die Landesregierung soll aufgefordert werden, eine entsprechende Förderrichtlinie auszuarbeiten. Beschlossen wurde dieses Vorhaben nicht, der Antrag wurde allerdings am Donnerstag, 29. Juni 2023, in die Ausschüsse überwiesen.

Eine junge Frau hat gerade ihren Führerschein erhalten.

Eine junge Frau hat gerade ihren Führerschein erhalten.

Mobilität und Flexibilität

Nach Auskunft der IHKen hätten zuletzt 40 Prozent der Ausbildungsplätze in Sachsen-Anhalt nicht besetzt werden können, sagte Matthias Lieschke (AfD), 80 Prozent der Betriebe hätten zudem über schlechte Bewerbungen geklagt. Die Attraktivität der Ausbildungsberufe müsse erhöht werden. Die Wege zu den Berufsschulen sei oft sehr weit, der ÖPNV dagegen oft nicht ausreichend. Der Führerschein bedeute für junge Menschen ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit, und bedeute vor allem im ländlichen Raum mehr Mobilität und Flexibilität. Laut AfD-Antrag soll das Land den Führerschein von Azubis mit 50 Prozent bis maximal 1 500 Euro fördern, deren Ausbildungsplatz bzw. Berufsschule müsse in Sachsen-Anhalt sein.

Entlastungen werden geboten

Von 2007 bis 2021 habe sich die Zahl der erfolgreichen Schulabgänger halbiert, konstatierte Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD) in Vertretung der Sozialministerin. Sachsen-Anhalt sei dennoch weiterhin ein Land der Berufsausbildung. Mit dem Projekt „BRAFO“ werde für die Vielfalt der Berufsausbildung geworben und Karrieremöglichkeiten in der beruflichen Ausbildung aufgezeigt. Durch zunehmendes digitales Lernen würden die Fahrwege der Schülerinnen und Schüler reduziert. Er erinnerte an die Einführung des Azubi-Tickets im Jahr 2021, inzwischen gebe es das Deutschlandticket zur Entlastung und eine Mindestvergütung für Azubis.

Viel Aufwand, wenig Nutzen

Die Ausbildungsverträge seien nicht nur in Sachsen-Anhalt rückläufig, sagte Matthias Redlich (CDU). Dies liege allem voran allerdings nicht an einer fehlenden Attraktivität der Ausbildungsberufe, sondern hauptsächlich an einem Geburtendefizit. Arbeitsmarktperspektiven und Verdienstmöglichkeiten seien die wesentlichen Faktoren, die die Attraktivität von Berufsfeldern bestimmten. Ausgegangen würde von 15 Millionen Euro Förderung plus Verwaltungskosten – „woher nehmen, wenn die AfD nicht mal dem Haushalt zustimmt?“, fragte Redlich. Den Zuschuss an den Abschluss in der regulären Ausbildungszeit zu knüpfen, sei mindestens fragwürdig. Der Antrag der AfD bedeute sehr viel Aufwand mit vergleichsweise wenig Nutzen, zielgenaue und wirksame Maßnahmen seien bereits von der Koalition ausgelöst worden, so Redlich.

Lieber in Infrastruktur investieren

Ähnliche Anträge habe die AfD bereits in Hamburg und Sachsen eingebracht und sei damit gescheitert, wusste Monika Hohmann (DIE LINKE). „Junge Menschen, vornehmlich im ländlichen Raum, haben ein Mobilitätsproblem im beruflichen wie privaten Leben“, stellte sie fest. Aber man dürfe nach dem Führerscheinerwerb die Unterhaltungskosten für Auto oder Moped nicht unterschätzen. Laut AfD-Antrag sollen alle Azubis die Förderung erhalten, auch jene, die über ein gutes ÖPNV-Angebot verfügten. Sinnvoller wäre es, nur jene zu unterstützen, wo es ein Mobilitätsproblem gibt bzw. wo weder der Betrieb noch die Eltern aushelfen könnten. Hohmann warb dafür, die veranschlagten 15 Millionen Euro lieber in eine Infrastruktur zu investieren, die allen mehr Mobilität gewährleiste.

Fördermöglichkeiten gibt es bereits

Viele Menschen auf dem Land seien auf ein eigenes Fahrzeug angewiesen, für junge Menschen gehöre dies ebenfalls zur Lebensrealität, sagte Kathrin Tarricone (FDP). Je spezieller die Ausbildung sei, desto weiter seien oft die Wege zu den Berufsschulen. Die Digitalisierung möge hier einige Erleichterung verschaffen. Der Erwerb des Führerscheins gehöre für sie allerdings eher zum privaten statt zum beruflichen Bereich. In Einzelfällen würden schon jetzt durch die Jobcenter Fördermöglichkeiten gewährt.

Soziales Deutschlandticket

Die AfD skandalisiere hier ein Thema, das kein Skandal sei, erklärte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die meisten Azubis würden schon jetzt die Fahrerlaubnis erlangen. Viele Azubis seien dagegen schlichtweg zu jung, um den Führerschein zu machen. Lüddemann sprach sich für die Unterstützung beim Kauf eines E-Bikes und für Investitionen in den ÖPNV-Umweltverbund aus: sichere Radwege, modernere Züge, regelmäßig fahrende Busse. Es gelte, die Mobilität der jungen Generation in Gänze zu fördern, beispielsweise durch ein „soziales Deutschlandticket“ für 29 Euro.

Rechtsanspruch auf außerbetriebliche Ausbildung

7,7 Millionen Arbeitskräfte würden bis 2035 in Deutschland fehlen, erinnerte Dr. Falko Grube (SPD). „Wir brauchen Handwerkerinnen und Handwerker“, allein schon für Umsetzung des Energiewandels. Viele Arbeitslose/Arbeitsuchende hätten keine abgeschlossene Berufsausbildung, monierte Grube, die Steigerung der Attraktivität der Ausbildungsberufe sei also nötig, auch durch mehr Wertschätzung und eine angemessene (Ausbildungs-)Vergütung. Der Bundestag habe im Juni 2023 ein Gesetz beschlossen, durch das für junge Menschen ein Rechtsanspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung bestehe, wenn sie keinen Ausbildungsplatz in einem Betrieb haben finden können, sagte Grube.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der AfD-Fraktion in die Ausschüsse für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sowie für Wirtschaft und Tourismus überwiesen.