Auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte die Landesregierung in Sachsen-Anhalt einen eigenen Kulturpass für 18-Jährige einführen, sofern die Bundesregierung dieses Angebot nicht fortsetzt. Jeder junge Mensch, der innerhalb eines Jahreszeitraums 18 Jahre alt wird, würde gemäß des Antrags ein Budget in Höhe von 200 Euro bekommen, das sich für verschiedene kulturelle Angebote einlösen lässt. Die Bundesregierung der Ampel-Koalition hatte einen solchen Kulturpass eingeführt und in zwei Jahrgängen ausgezahlt. Die aktuelle Bundesregierung will das Angebot aufgrund rechtlicher Bedenken nicht fortführen. Junge Menschen bekamen das Budget als Guthaben in einer App, auf welcher Anbieter ihre Kulturangebote vertreiben konnten.

Mit dem Kulturpass der Bundesregierung ließen sich unter anderem Konzerttickets und Musikinstrumente bezahlen.
Die Koalitionsfraktionen CDU, SPD und FDP legten einen Alternativantrag vor. Gemäß diesem sei eine Fortführung des Kulturpasses allein aus Landesmitteln nicht möglich. Stattdessen sollten Kulturangebote regionaler Akteure sowie die kulturelle Teilhabe von jungen Erwachsenen gefördert sowie kulturelle Bildung als ressortübergreifende Aufgabe gestärkt werden. Über beide Anträge wurde im Plenum am 11. September 2025 debattiert.
Grüne: Kultur als Fundament
„Kultur ist das Fundament unserer Gesellschaft und Demokratie“, so Wolfgang Aldag in seiner Einbringerrede. Kultur lehre uns, die Welt mit offenen Augen zu sehen. Dazu gehöre auch, andere Meinungen zu respektieren und gemeinsam Neues zu schaffen. Doch der Zugang zu Kultur werde jungen Menschen oft versperrt, sei es aufgrund zu hoher Kosten oder weil lokale Angebote fehlten. Der bisherige Kulturpass auf Bundesebene sei „ein Erfolgsprojekt“ gewesen, das Einstellen ein „alarmierendes Signal“. Aldag stimmte zu, dass Kultur Ländersache sei, und nahm damit Bezug auf die rechtlichen Bedenken zur Fortführung auf Bundesebene. Bei einer möglichen Fortführung auf Länderbene könne die bereits entwickelte App weitergenutzt werden, über die der Bundes-Kulturpass läuft. Auch könne darüber nachgedacht werden, das Angebot künftig auszubauen, was Altersspanne und die Einbeziehung digitaler Angebote betreffe.
Minister Riedel sieht Fehlende Steuerung beim Kulturpass
Bildungsminister Jan Riedel (CDU) lobte den Kulturpass als „gutes bundesweites Instrument“. Das Ergebnis für Sachsen-Anhalt sei allerdings „ernüchternd“, da weniger als zwei Prozent der Nutzenden aus dem Bundesland kämen. Es sei deshalb fraglich, ob Jugendliche im ländlichen Raum im selben Maße vom Kulturpass profitieren würden, wie diejenigen in Großstädten. Fraglich sei auch, welche Kulturzweige sich Jugendliche damit neu erschließen würden. Viel vom Kulturpass-Geld hätten Jugendliche für Schul- und Studienbücher ausgegeben. Das sei nicht falsch, zeuge aber davon, dass der Zweck – kulturelles Interesse zu wecken – durch fehlende Steuerung der Angebote vermutlich in den Hintergrund gerückt sei. Insgemsamt machten Bücher, Kino, Konzert und Bühne 97 Prozent Umsatzes aus, so Riedel. Das Anlegen von Angeboten in der App sei vielen Kulturanbietern zu aufwändig. „Statt der Übernahme eines unfertigen Modellprojektes sollte vielmehr die kulturelle Kinder- und Jugendbildung durch regionale Akteure gestärkt werden“, resümierte der Minister.
SPD: „Das kann man besser machen“
Holger Hövelmann (SPD) kritisierte, dass der Verifikationsprozess in der Kulturpass-App mittels elektronischem Personalausweis zu aufwändig gewesen sei. Auch hätten vor allem die Anbieter profitiert, die bereits auf dem Markt präsent sind. Sei der Kulturpass ein Erfolg gewesen? „Ja und nein.“ Einen Erfolg sieht Hövelmann für diejenigen, die ihn genutzt haben. Das „Nein“ sehe er darin, dass nur etwa ein Drittel der berechtigten den Kulturpass in Anspruch genommen habe. „Warum verschleudern wir so viel Geld für das Programm, was nicht bei den Zielgruppen ankommt? Warum profitieren die davon, die ohnehin am Markt mächtig sind?“ „Ich glaube das kann man besser machen“
Die jungen Menschen in Sachsen-Anhalt hätten nicht die selben Möglichkeiten wie die in Großstädten wie Berlin.
Man sei zudem der „festen Überzeugung“, dass man in Sachsen-Anhalt für jungen Menschen bereits einiges an Kulturangeboten habe, auf diese solle man sich konzentrieren.
AfD zeigt sich offen, aber übt Kritik
Christian Mertens (AfD) erklärte, seine Fraktion habe „durchaus Sympathie für derlei Ideen“. Er kritisierte jedoch die eingegrenzte Altersgruppe. Ebenso stellte er die Frage danach, wie die Verteilung der Gelder ablaufen solle. Diese Fragen seien noch nicht klar beantwortet. Angesichts des Schuldenstandes im Landeshaushalt sehe die Fraktion „hier nicht wirklich Spielraum“ – zumindest, solange man nicht auf Ausgabenseite in anderen Bereichen „massive Einsparungen“ vornehme. Auch stelle sich die Frage, welche Kulturstätten genau abgedeckt seien. Besuche im Club verstehe man etwa nicht als besonders förderwürdig in diesem Zusammenhang.
FDP setzt auf vorhandene Strukturen
Kein anderes Land stecke so viel Geld in Kultur wie Deutschland, erklärte Andreas Silbersack (FDP). Der Kulturpass damals sei richtig gewesen „weil wir aus Corona kamen“– die Maßnahme habe auch Unternehmern geholfen. Seine Fraktion sehe aber keine Notwendigkeit für eine Verlängerung des Kulturpass auf Landesebene. Die Ergebnisse des bundesweiten Kulturpasses forderten dazu auf, „nicht mit der Schrotflinte auf etwas zu schießen, wo der Ertrag relativ gering ist“. Sachsen-Anhalt sei das Bundesland, in dem der Kulturpass mit 30 Prozent am wenigsten genutzt wurde. Was stattdesse gebraucht werde, seien insbesondere die vorhandenen Strukturen. Silbersack brachte eine hier die Idee einer „strukturellen Verlagsförderung“ als Maßnahmenvorschlag an. Auch gebe es bereits andere Fördermaßnahmen und Rabattangebote für junge Menschen.
Linksfraktion: Finanzierung unklar
„Mit dem Kulturpass hatte die Ampelregierung tatsächlich mal eine gute Idee“, befand Stefan Gebhardt von der Fraktion Die Linke. „Kulturelle Teilhabe von jungen Menschen sollte uns doch weiterhin sehr wichtig sein.“ Kritik daran, dass Bücher und Kinotickets gekauft wurden, verstehe er nicht. Zur Kritik, der Pass sei zu wenig genutzt worden oder zu kompliziert, entgegnete er, dass das Angebot doch nicht besser werde, würde man den Kulturpass abschaffen. „Wir alle hätten uns auch bemühen können, ein solches Angebot für junge Leute attraktiver zu gestalten.“ Der Pass sei auch eine Art Wirtschaftsförderung gewesen und werde ensprechend in der Kulturlandschaft fehlen. Kritik übte Gebhardt daran, dass der Antrag der Grünen „finanziell überhaupt nicht untersetzt“ sei. Im Land gebe es zum Stichtag 31. Dezember 2024 über 21.000 Menschen im Alter von 18 Jahren. Die nötigen 4,2 Millionen Euro seien nicht im Kulturhaushalt zu finden. Abgeordnete Cornelia Lüddemann (Grüne) hielt dem entgegen, dass diese Frage durchaus im Vorfeld berücksichtigt worden sei, etwa durch die Nutzung von Haushaltsresten. Zum Alternativantrag der Koalition sagte Gebhardt, dass nicht ersichtlich sei, was durch ihn künftig anders laufen solle als bisher.
CDU: Kulturelle Prägung muss anders erfolgen
„Ohne Kultur kann der Mensch nicht sein“, so Andreas Schumann (CDU). Die Förderung derselben und auch die Förderung der Beteiligung junger Menschen am kulturellen Leben sei deshalb ein grundlegendes Anliegen der Koalition. In den Elternhäusern und Kitas müsse mehr gelesen und gesungen werden. „Das sind die ersten Begegnungen mit Kultur. Nur so begegnen wir dem akulturellen Klima das in der Gesellschaft herrscht“. Bibliotheken als Begegnungsorte müssten geschützt werden. Alarmierend sei, das vor allem Mädchen vom Kulturpass-Geld Bücher gekauft hätten. Doch: Wer vorher nicht gelesen habe, würde auch durch eine Einmalzahlung nicht dazu kommen. Die Zahlen würden außerdem belegen, dass der Kulturpass zu teuer sei und zu hohe Verwaltungsausgaben hätte. Kinder müssten anders geprägt werden, das sei eine gesellschaftliche Aufgabe, für welche die Politik Grundlagen zu schaffen habe.
Ergebnisse der Abstimmungen
Nach den Diskussionsbeiträgen stimmte das Plenum darüber ab, den Antrag der Grünen in den zuständigen Ausschuss zu überweisen. Für eine Überweisung stimmten die drei Oppositionsfraktionen, die Fraktionen der Koalition stimmten dagegen. Dem Antrag selbst stimmten die Fraktion der Grünen sowie die fraktionslose Abgeordnete Henriette Quade zu. AfD- und Linksfraktion enthielten sich, die Koalitionsfraktionen stimmten dagegen.
Die Koalitionsfraktionen stimmten für ihren Alternativantrag, der damit angenommen wurde. Die Grünenfraktion stimmte dagegen, AfD- und Linksfraktion sowie die fraktionslose Abgeordnete enthielten sich.