Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Ein königlicher Trick wird zum Grundstein

Im Schlossgartensalon von Merseburg tagte am 2. Oktober 1825 erstmals die Ständevertretung (Landtag) der preußischen Provinz Sachsen (bis 27. November 1825). Vorausgegangen war dieser Neuerung das „Allgemeine Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände” vom 5. Juni 1823, durch das in allen preußischen Provinzen „Ständevertretungen“ eingeführt worden waren. Diese sollten zumindest den Eindruck einer verfassungsmäßigen Entwicklung Preußens erwecken, gleichzeitig aber eine Verfassung für den Gesamtstaat verhindern.

Das Foto zeigt den Schlossgartensalon in Merseburg. Er war der Tagungsort der Ständeversammlung der Provinz Sachsen.

Das Foto zeigt den Schlossgartensalon in Merseburg. Er war der Tagungsort der ersten Ständeversammlung der Provinz Sachsen.

Die Einrichtung der Ständevertretungen in den preußischen Provinzen ‒ die Provinziallandtage ‒ war im Grunde also nur ein Trick der preußischen Krone: Im Zuge der Befreiungskriege gegen Napoleon hatten die Herrschenden mehrfach ein Verfassungsversprechen für den preußischen Staat abgegeben, aber das wollt man nun lieber doch nicht erfüllen.

Gesetz für die Provinz Sachsen

Jeder Provinz ihr eigenes Gesetz: Für die Provinz Sachsen erging ein „Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände in der Provinz Sachsen” (24. März 1824). Hierin waren die Besonderheiten für die Vertretung der Provinz festgelegt. Solche Besonderheiten waren für jede Provinz vorgesehen, die damit auch ein Zusammenwirken der Ständever­tretungen erschweren sollten. Die wesentliche Besonderheit für die Provinz Sachsen bestand darin, dass die Altmark nicht in den Provinzialständen der Provinz, sondern in denen der Provinz Brandenburg vertreten war. Außerdem wurde noch ein gesonderter Kommunallandtag für die Altmark eingerichtet.

Die vier Stände im Provinziallandtag der Provinz Sachsen

  • Der Erste Stand der Grafen, Prälaten und Herren, stellte 6 Abgeordnete, diese waren der Herzog von Anhalt-Dessau (Amtsinhaber Walternienburg), der Graf zu Stolberg-Wernigerode, der Graf zu Stolberg-Stolberg, der Graf zu Stolberg-Roßla, der Prälat des Domstifts Merseburg und der Prälat des Domstifts Naumburg.
  • Der Zweite Stand der Ritterschaft (Rittergutsbesitzer) stellte 29 Abgeordnete. Die Vertreter dieses Standes mussten im Besitz eines Ritterguts sein. Die adlige Herkunft war dagegen nicht Bedingung.
  • Der Dritte Stand der Städte (kreisfreie Städte) stellte 24 Abgeordnete. Auch für die städtischen Abgeordneten war Grundbesitz Bedingung für die Wählbarkeit. Sie mussten darüber hinaus Magistratsmitglieder sein oder ein bürgerliches Gewerbe betreiben.
  • Der Vierte Stand der Landgemeinden (einschließlich Guts- und Erbpächter) stellte 13 Abgeordnete.

Wollte man in eine der drei letzten Standschaf­ten gewählt werden, galt generell folgende Voraussetzungen: ein seit mindestens zehn Jahren ununterbrochener Grundbesitz, die Zugehörigkeit zu einer der christlichen Kirchen, die Vollendung des 30. Lebensjahrs und ein unbescholtener Ruf.

Aufgaben und Struktur der Ständeversammlung

Die Rechte der Ständeversammlung beschränkten sich auf beratende Funk­tionen gegenüber Vorlagen der Krone bzw. der Regierung. Der Landtag hatte ein Petitionsrecht. Wilhelm Anton von Klewiz war ab 1825 Oberpräsident der preußischen Provinz Sachsen und zugleich Landtagskommissar, also der Beamte, der den Provinziallandtag im Auftrag des Königs eröffnete und den Landesherrn vertrat. Graf Henrich zu Stolberg-Wernigerode war von 1825 bis 1854 Mitglied des sächsischen Provinziallandtags. Von 1825 bis 1845 war er Landtagsmarschall, also Landtagspräsident.

Die Abgeordneten des zweiten, dritten und vierten Standes wurden nach einem komplizierten System indirekt (über Wahlmänner) für sechs Jahre gewählt. Alle drei Jahre sollte die Hälfte der gewählten Abgeordneten ausscheiden und neu zu wählenden Platz machen.

Die Provinzialständevertretung (Provinziallandtag) war kein demokrati­sches Parlament, stellte jedoch in der Praxis trotz ihrer geringen Kompe­tenz einen Keim für einen sich später entfaltenden Parlamentarismus dar. Vor allem aber bestand mit der Provinzialständevertretung erstmals ein Repräsentationsgremium, das zunächst bis auf die Altmark alle verschie­denen Teile und später die ganze Provinz Sachsen vertrat und erheblich zu deren Integration beitrug.

Pro und Kontra Merseburg

Der Merseburger Schlossgartensalon war für die Aufnahme einer Stände­vertretung allerdings wenig geeignet. Die Abgeordneten, die sich hier zu ihren Sitzungen trafen, saßen um einen großen Tisch herum. Bereits seit dem zweiten Landtag im Jahre 1827 erhoben sich zunehmend Klagen sei­tens der Abgeordneten über die unzureichenden Bedingungen ihrer Arbeit. Obwohl die Befugnisse der Vertretung sehr beschränkt waren, dauerten die Sitzungen wegen der komplizierten Vorschriften oft wochen- manchmal auch monatelang.

Die Stadt Merseburg war von den preußischen Behörden als Tagungsort der Ständeversammlung bestimmt worden, um eine wichtige Einrichtung der Provinz in einer früher sächsischen Stadt anzusiedeln und so die Integration der neuen Landesteile in den preußischen Staat zu fördern. Allerdings wurde damit langfristig ein Hindernis für das Zusammenwachsen der Provinz aufgerichtet, da neben der eigentlichen Provinzialhauptstadt Magdeburg ein weiterer Ort mit zentraler Bedeutung für die Provinz hinzukam. Die ganze Provinz hatte darüber hinaus aus solchen Gründen den Namen „Sachsen“ erhalten, was von Anfang an zu Irritationen und Verwechslungen mit dem Königreich Sachsen führte.

Umzug erst im Jahr 1837

Wegen der Unzulänglichkeit des Schlossgartensalons als Tagungsstätte für die Provinzialständevertretung der Provinz Sachsen kaufte die preußische Krone im Jahre 1837 das in der Nähe gelegene Gräflich Zechsche Palais, das einen geeigneten Saal für Plenarsitzungen aufwies. Gleichzeitig waren hier auch Räumlichkeiten für die Ausschüsse und die Verwaltung vorhanden. Allerdings stand das Gebäude der Ständeversammlung zunächst nur für die Zeit ihrer Tagungen zur Verfügung. In der Zwischenzeit wurde das Gebäude für andere Zwecke benutzt bzw. vermietet.