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Plenarsitzung

Debatte: „Bildung muss sich wieder lohnen“

„Bildung im Land Sachsen-Anhalt muss sich den Herausforderungen der Zukunft stellen!“ – so lautete der Titel einer Regierungserklärung, die Bildungsministerin Eva Feußner am Mittwoch, 11. Juni 2025, im Plenum abgab. Die Ministerin nahm die nahenden Sommerferien ab dem 28. Juni zum Anlass und gab einen Vorausblick auf einige Änderungen im Schulbetrieb, die im kommenden Schuljahr greifen sollen.

Symbolbild: Lehrerin und Schüler. An der Schulsozialarbeit dürfe nicht gespart werden, meinen die Grünen und fordern ein entsprechendes Landesprogramm.

Blick ins Klassenzimmer.

Das ist geplant

Eine zusätzliche Schulstunde für die Fächer Deutsch und Mathematik soll es in der Schuleingangsphase, also den Klassen 1 und 2, geben. Der nötige Personaleinsatz komme aus dem Zusatzbedarf der präventiven Förderung. Das Volumen der Lehrerwochenstunden für diagnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarf bleibe jedoch gleich.

Kleinere Schulen sollen außerdem künftig mehr Wochenstunden zugewiesen bekommen, indem das entsprechende Verhältnis zwischen großen und kleinen Schulen angepasst wurde. Die Stundenzuweisung im neuen Schuljahr soll außerdem mehr an den tatsächlichen Schülerzahlen ausgerichtet werden. „Bisher wurden höhere prognostische Schülerzahlen als Berechnungsgrundlage herangezogen“, erklärte die Ministerin. „So kalkulierten die Schulen jedes Jahr mit cirka 2000 Schülerinnen und Schülern mehr, als tatsächlich beschult wurden.“

Aktuell, so Bildungsministerin Eva Feußner, gebe es eine Reserve mit dem Äquivalent von 200 Lehrkräften. Diese Reservezeiten entstünden etwa dann, wenn Fächerkombinationen von Lehrkräften nicht in den Bedarf passten. Wo der Grundbedarf an Lehrerwochenstunden reduziert werde, etwa an der Sekundarschule, soll es einen Ausgleich durch die neu eingeführten pädagogischen Unterrichtshilfen geben.

Die Maßnahmen sollen eine gerechtere und effizientere Verteilung des Arbeitsvermögens der Lehrkräfte erzielen und diese auch durch Unterstützungspersonal entlasten, so Feußner. Im nächsten Jahr erwarte sie eine weitere Verbesserung im Bereich der Unterrichtsversorgung. Mit Blick in die weitere Zukunft sagte die Ministerin, dass Lehrkräfte künftig noch flexibler eingesetzt werden müssten und dass die Lehrkräfteausbildung weiter zu reformieren sei. Weiterhin benötige Bildung mehr finanziellen Einsatz.

AfD: „Lehrermangel nicht mit Geld bekämpfen“

Wie üblich folgte nach der Regierungserklärung die Aussprache der Fraktionen. Den Anfang machte Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD). „Lehrermangel kann man nicht mit Geld bekämpfen“, entgegnete er dem Ansatz der Ministerin. Die Herausforderungen der Zukunft, so Tillschneider in Anlehnung an den Titel der Regierungserklärung, seien nicht unabhängig von bisheriger Politik. Der Geburtenrückgang sei etwa „vor allem das Ergebnis einer völlig verfehlten Gesellschaftskultur und Sozialpolitik“. Unter anderem kritisierte Tillschneider Inklusion an Schulen, die er als „Experiment“ bezeichnete, sowie den gemeinsamen Unterricht von einheimischen Kindern und Kindern von Geflüchteten. Für jene plane die AfD „Sonderklassen“, sollte sie künftig regieren. Dort solle den Kindern erklärt werden, „dass ihr Aufenthalt hier nur so lange dauert, wie in ihrer Heimat Krieg und Verfolgung herrschen“.

Weiterhin wolle seine Fraktion die Schulen von allen „nichtschulischen Aufgaben“ entbinden, wozu er auch Integration, Inklusion, psychologische Betreuung und Sozialarbeit zählte. Schulsozialarbeit und Inklusion sind im Schulgesetz von Sachsen-Anhalt derzeit explizit unter den Aufgaben der Schulen benannt. Die AfD-Fraktion, so Tillschneider, wolle ein „differenziertes, aber auch durchlässiges“ dreigliedriges Schulsystem aus Haupt- und Sekundarschulen sowie Gymnasien mit Ergänzung durch Förderschulen schaffen. Auf diese Weise würden leistungshomogene Klassen entstehen. Ebenso wolle die AfD dem Programm „Schule ohne Rassismus“ die Förderung entziehen.

SPD: Vertrauen schwindet

Ebenfalls kritisch, wenn auch auf andere Art, äußerte sich Dr. Katja Pähle (SPD). „Das Zutrauen in die Gestaltungs- und Lösungskraft“ schwinde, „wenn der Eindruck entsteht, dass den Schulen immer weitere Ressourcen gekürzt werden. Wenn der Eindruck entsteht, dass Schulen und Lehrkräften mehr aufgeladen“ wird, als sie selbst tragen könnten. Insbesondere die neuen Schulorganisationserlasse zum Schuljahresbeginn stützten diesen Eindruck, so Pähle. Der Stundenwegfall beim individuellen Förderunterricht zugunsten der Mehrstunden in Mathematik und Deutsch würde von den Lehrkräften als Kürzung empfunden.

Auch kritisierte Pähle, dass in den Erlassen angedeutet werde, Lehrerwochenstunden für Ganztagsangebote zu streichen und mit pädagogischen Unterrichtshilfen zu besetzen. Pähle kritisierte zudem, dass durch die Erlasse Reservestunden gekürzt würden. Es gebe Sorgen in Schulleitungen, dass „dieser Prozess zu Abordnungen führt“. Zumindest „mit halbem Auge“ sei dies in den Erlassen stellenweise auch erkennbar. Was jetzt gebraucht werde, sei die neue Personalkategorie der pädagogischen Unterrichtshilfen. Auch brauche es mehr Schulsozialarbeit.

Die Linke: Prognosen sind Wunschdenken

Thomas Lippmann (Die Linke) kritisierte, dass die aktuellen Probleme von der Landesregierung selbst zu verantworten seien. Prognosen für Schülerzahlen seien nie richtig gewesen und hätten immer wieder nach oben korrigiert werden müssen. Der Grund dafür sei „politisches Wunschdenken“ der Landesregierung vor dem Hintergrund der Kosteneinsparung bei Personal und Schulstandorten. Die Regierung sei auf sinkende Schülerzahlen fixiert, während die wahre Herausforderung darin liege, etwas gegen den demographischen Wandel zu unternehmen. „Wir brauchen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Und die findet natürlich auch in den Kitas und Schulen statt.“ Deshalb würden sich Schülerzahlen in der nächsten Zeit nicht so negativ entwickeln wie prognostiziert.

„Die schlechten Bedingungen von heute“ dürften nicht fortgeschrieben werden, selbst wenn es weniger Schüler als erwartet geben sollte. Auch Lippmann kritisierte, dass möglicherweise Lehrerwochenstunden im Ganztagsbereich wegfallen könnten. Weitere Kritik übte er unter anderem daran, dass an den Sekundarschulen das Arbeitsvolumen für den Unterricht deutlich zurückgegangen sei und weiterhin an dieser Schulform festgehalten werde.

FDP: Mehr finanzielle Eigenverantwortung für Schulen

Jörg Bernstein (FDP) schlug vor, alle Phasen des Bildungsbereiches von der Vorschule bis zur Lehramtsausbildung organisatorisch in „einem großen Haus zu vereinen.“ Er warb außerdem für das „Dessau-Roßlauer Modell“ als alternativen Weg der Lehramtsausbildung über die Fachhochschulreife. Weiterhin sprach sich Bernstein dafür aus, den Schuleingang im Hinblick auf die Sprache neu zu strukturieren, da es Defizite bei den Deutschkenntnissen gebe. Auch nahm er Eltern in die Verantwortung, Sozialkompetenz und motorische Fähigkeiten zu vermitteln. Außerdem regte Bernstein an, die Finanzierung der Schulen zu überdenken und ihnen mehr Eigenverantwortung zu geben. Hier verwies er auf Regelungen etwa aus den Niederlanden oder Schweden.

Grüne kritiseren Fokus auf Personalpolitik

Susan Sziborra-Seidlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kritisierte, dass die gesamte Rede auf die derzeitige „prekäre Unterrichtsversorgung“ gelenkt sei. Reine Personalpolitik sei das Gegenteil von „sich der Zukunft stellen“. Im Haushalt gebe es kein Geld für Schulbauförderung oder flexible Schulbudgets. Auch Sziborra-Seidlitz kritisierte den Wegfall der präventiven Förderstunden. „Hören Sie auf, immer nur den Mangel zu verwalten und engagieren Sie sich wirklich für eine moderne Bildung“, appellierte sie an die Ministerin und verwies auf das Bildungsprogramm der Grünen, das sich auch an bildungswissenschaftlichen Erkenntnissen und „führenden Bildungsnationen“ orientiere. Weiterhin sei eine verlässliche Perspektive für die Schulsozialarbeit nötig.

CDU: Impulse vom Bund sind nötig

Den Abschluss der Debatte bildete der Redebeitrag von Carsten Borchert (CDU). Der Hauptgrund für unzutreffende Schülerzahl-Prognosen seien Kriege und damit einhergehende Fluchtbewegungen, entgegnete er auf vorangegangene Kritik. Bildungsföderalismus habe seine Grenzen, so Borchert. Besonders bei bundesweiten Themen wie Digitalisierung oder Sprachförderung brauche es Impulse vom Bund, sowohl finanziell als auch konzeptionell. Das Ziel müsse ein durchgängiges Bildungssystem sein, vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung. Lehrkräftegewinnung bleibe eine zentrale Aufgabe durch Ausbildung, Rückgewinnung und qualifizierte Seiteneinsteiger. Hier habe die Ministerin gute Arbeit geleistet. Es sei auch nicht unrealistisch, dass sich das Bild in den nächsten Jahren wandele und es zu wenige Schüler für zu viele Lehrer gebe.

Ein weiterer Punkt sei, dass es rückläufige Leistungen bei den Schülern gebe. Basiskompetenzen würden sich verschlechtern, weshalb ein Fokus auf die Basisfächer Deutsch und Mathematik wichtig sei. „Alle anderen Fächer sind natürlich auch wichtig“, so Borchert. Außerdem brauche es verbindliche Sprachstandserhebungen im Kita-Alter. Beim Thema Integration müssten multifunktionelle Teams und funktionelle Strukturen geschaffen werden. Auch den Bereich der beruflichen Bildung sprach Borchert an und sagte, Schulen sollten enger mit Handwerk und Wirtschaft verzahnt werden, etwa durch verpflichtende Praxistage.

Beschlüsse wurden am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung wie gewöhnlich nicht gefasst.