Hochschul- und Hochschulmedizingesetz sollen geändert werden – hierfür wird derzeit ein Gesetzentwurf der Landesregierung diskutiert. In einer umfangreichen Anhörung kamen dazu am Mittwoch, 25. Juni 2025, verschiedene Interessenvertreter zu Wort. Diese stammten aus den Bereichen Hochschulwesen, Studierendenschaft, Universitätsmedizin, Gewerkschaften und Klinikpersonal.

An den Hochschulen könnte sich durch einen Gesetzentwurf manches ändern.
Die Eingangsrede hielt Prof. Dr. Armin Willingmann, Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt. Seit 2021 gebe es ein „sehr modernes“ Hochschulgesetz, „bei dem wir einigen Nachsteuerungsbedarf gesehen haben“, oft durch geänderte Rechtsprechung oder höherreangiges Recht. Das Hochschulmedizingesetz auf der anderen Seite sei „ziemlich in die Jahre gekommen“. Eine Überarbeitung sei in der vergangenen Legislaturperiode nicht gelungen. Nun gehe es darum, die Universitätsmedizin „wettbewerbsfähig, leistungsfähig und ein bisschen demokratischer“ zu machen.
Dekanin kritisiert Stimmrechtsverteilung
Im Folgenden sprach die Gruppe der Universitätsvertreter. „Die Unimedizin steht heute vor beispiellosen Herausforderungen“, erklärte Prof. Daniela Dieterich, Dekanin der medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität . „Schöne, zukunftsträchtige Herausforderungen“ wie künstliche Intelligenz und Digitalisierung. „Personalisierte Therapien verändern die Behandlungsstandards. Der demografische Wandel – vor allem auch in diesem Land – erfordert neue Versorgungskonzepte.“ Deshalb sei die Ausbildung von Medizinern ebenso wie „exzellente Forschung“ in den fraglichen Gebieten Prädikat für die Hochschulen. Das Umfeld sei dynamisch, besonders zwei Faktoren seien wichtig: Lebendige Partizipation aller Angehörigen sowie agile Entscheidungsstrukturen. Auch eine Entbürokratisierung statt neuer Verfahren sei sinnvoll.
Im Gesetzentwurf seien bereits viele wertvolle Punkte zu finden. Die Stimmrechtsverteilung im Fakultätsrat sei allerdings unausgewogen mit zu wenigen Vertretern von wissenschaftlichen Mitarbeitern, Studierenden und wissenschaftsunterstützenden Mitarbeitern gegenüber einem großen Anteil Professoren. Ähnlich sei es bei der Prodekanen-Struktur. Hier sieht Dieterich kritisch, dass vorab Zahlen für Prodekanate festgelegt würden. Dies erschwere es einer neuen Fakultätsleitung, agil zu arbeiten. Eine Entbürokratisierung brauche es auch bei der Findungskommission für die Besetzung des Dekanats. Hier sprach sich Dieterich dafür aus, auf die Kommission zu verzichten und die Entscheidung in die Hände des neuen Fakultätsrats zu legen.
Was ihr ebenfalls fehle, seien flexible Chefarztverträge, die es in anderen Bundesländern gebe. Im momentanen Gesetzentwurf bleibe man bei eher starren Regelungen. Spitzenkräfte würden in der Konsequenz nicht nach Sachsen-Anhalt wechseln. Ihr Fazit: Es brauche die angesprochenen „dynamischen und flexibleren Agitationsmöglichkeiten für eine gesellschaftliche Mission, ausgewogene Partizipation, strategische Flexibilität, schlanke Verfahren und damit auch attraktive Standortbedingungen.“
Rektoren freuen sich über Tandem-Professuren
Prof. Dr. Jörg Bagdahn, Präsident der Hochschule Anhalt, sprach für die Landesrektorenkonferenz (LRK). Er sprach drei konkrete Punkte an. Unter anderem befürworte die LRK die vorgesehene Einführung sogenannter Tandem-Professuren, bei denen die Nachwuchs-Professoren zu Hälfte bei externen Partnern beschäftigt seien und nach einer gewissen Zeit eine Vollzeitprofessur im Beamtenverhältnis erreichen könnten. Mit diesem Weg erhoffe man sich neue Wege, junges Personal zu gewinnen.
Medizinstudierende üben Kritik aber begrüßen Novelle
Für die medizinischen Fachschaftsräte der OVGU in Magdeburg und der Martin-Luther-Universität in Halle sprachen Melis Tas und Paul Poethke. Wie auch Dekanin Dieterich kritisierten die studentischen Vertreter das unausgewogene Stimmenverhältnis in den medizinischen Fakultätsräten, bei dem Professoren in einer deutlichen Überzahl seien. Daher baten sie darum, die gesetzlich vorgeschriebenen Verhältnisse an diejenigen anzugleichen, die für die anderen Fakultäts- und Fachbereichsräte im Land gelten.
Die Studierenden kritisierten ebenfalls, wie auch Dieterich, dass das neue Hochschulmedizingesetz eine Findungskommission für die Wahl von Dekanen vorsehe. „Ein Vorschlagsrecht der stimmberechtigten Fakultätsratsmitglieder recht unserer Sicht nach vollkommen aus“, so Tas. Zufrieden zeigten sich die Studierenden mit der geplanten Gesetzesänderung im Paragraph 20, welcher das Personal an den Unikliniken zum Inhalt hat. Die angedachten Änderungen „zielen plausibel auf eine sachgerechte arbeitsrechtliche Personalzuordnung zwischen Fakultäten und Klinika ab“, erklärt Tas. Die Novellierung des Hochschulgesetzes im Allgemeinen halte man „für notwendig und ausdrücklich unterstützenswert“.
Studierendenräte lobt Änderungsantrag
Anschließend sprach Tim Harzer für die Studierendenrätekonferenz. Der Gesetzentwurf gehe in Teilen nicht weit genug, weshalb man den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke befürworte. Dieser würde mehr Mitbestimmung für die Studierenden bedeuten, etwa durch die Einführung eines studentischen Prorektorats. Harzer lobte außerdem die Regelung zur Prüfungsunfähigkeit, welche der Änderungsantrag vorsieht. Darin heißt es, dass eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit durch eine reguläre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen werden könne. Dies sei bereits in vielen Bundesländern üblich. Auch den Wegfall von Studiengebühren für ein Zweitstudium sah Harzer positiv. Laut aktuellem Gesetz dürfen Hochschulen diese Gebühren erheben, der Änderungsantrag der Fraktion Die Linke sieht eine Streichung des Passus vor. „In einer Zeit ständiger Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt darf ein neuer Bildungsweg keine Frage des Geldbeutels sein.“
Gewerkschaft: Erarbeitete Stufen müssen berücksichtigt werden
Im Anschluss folgte eine Fragrerunde, bevor eine weitere Gruppe angehört wurde. Dort sprachen Vertreter der Verbände und Gewerkschaften. Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) äußerte sich Frau Dr. Kaltenborn. Für sie lese sich der Gesetzentwurf so, als würden Tarifbeschäftigte an medizinischen Fakultäten und Kliniken ihre erarbeitete Stufe verlieren, sollten sie zwischen beiden wechseln. Eine Novellierung des Gesetzes sollte dies berücksichtigen, so die Gewerkschaftsvertreterin. „Ich denke, in der Praxis wird das wahrscheinlich schon so gehandhabt, sonst hätten wir das schon öfter auf dem Tisch gehabt im Personalrat [der OVGU].“ Sie kritisierte im Folgenden, dass der Gesetzentwurf vorsehe, dass Schwerbehindertenvertretungen für Beschäftigte sowie für Studierende künftig vereint von einer Person an der jeweiligen Einrichtung verantwortet werden sollen.
Klinikpersonal: Novelle schweißt zusammen
Markus Schulze sprach im Namen des Personalrats des Magedburger Uniklinikums. Die Novelle schweiße Fakultätsvorstand und Klinikumsvorstand eng zusammen, lobte er. Die Rechte des Fakultätsrates würden ausgeweitet, klare Aufgabenbeschreibungen für beide Bereiche festgeschrieben und Augenhöhe geschaffen. Schulze freute sich auch darüber, dass durch die Novelle auch ein externes Mitglied eines Uniklinik-Aufsichtsrats dessen zu dessen Vorsitz ernannt werden kann. Laut aktuellem Gesetz ist dies der für Hochschulen zuständige Minister, also Wissenschaftsminister Willingmann. In Summe, so Schulzes Resümee, sei die Novelle positiv zu bewerten. Das Grundproblem – dass sich medizinische Fakultät und Uniklinikum „immer wieder aufeinander zubewegen“ müssten – bleibe bestehen. Fabian Stumm, Personalratsvorsitzender des Uniklinikums Halle, verzichtete anschließend auf seinen Redebeitrag, aber stand für Fragen zur Verfügung.
Kritik an Abwahlregelung für Gleichstellungsbeauftragte
Änderungen im Bereich der Gleichstellungsbeauftragten sorgten für Diskussionsstoff. Dr. Ulrike von Arnim, Gleichstellungsbeauftragte der medizinischen Fakultät der OVGU, kritisierte die in der Novelle vorgesehene Möglichkeit, Gleichstellungsbeauftragte abzuwählen. „Gleichstellungsbeauftragte sollten unabhängig und nicht unter politischem oder institutionellen Einfluss agieren können.“ Laut Gesetzenwurf wird die Möglichkeit der Abwahl „durch die Hochschule in ihrer Grundordnung oder Wahlordnung geregelt.“ Von Arnim äußerte die Sorge, dass unbequeme Themen aus Sorge vor einer Abwahl künftig nicht konsequent angesprochen würden. Gleichstellung sei ein strukturpolitisches Ziel und kein Mehrheitswunsch. Diskriminierende Mehrheiten könnten durch die Abwahlmöglichkeit gestärkt werden. Den enstsprechenden Paragraph empfinde sie als „fragliches Alleinstellungsmerkmal“ des Landesgesetzes im Vergleich mit den Regelungen anderer Bundesländer.
Prof. Dr. Schwartz, Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal, äußerte eine Anmerkung dazu. Die kritisierte Regelung sehe sie auch als Möglichkeit für Hochschulen, die Stelle neu zu besetzen, falls der oder die Gleichstellungsbeauftragte dem Engagement nicht ausreichend nachkomme. Eine strikte Position, ob der Paragraph erhalten bleiben sollte, äußerte sie nicht. Prof. Dieterich, Dekanin der medizinischen Fakultät der OVGU, stellte sich auf die Seite von von Arnim. Sollte der Paragraph mit der Abwahlmöglichkeit enthalten bleiben, werde ihre Universität wahrscheinlich Maßnahmen in die Grundordnung aufnehmen, um den geäußerten Befürchtungen entgegenzutreten. Die Abwahlmöglichkeit wurde auch von Frau Dr. Kaltenborn kritisiert, Vertreterin der Gewerkschaft GEW.
Vertreterin der Gleichstellungsbeauftragten der Kliniken zeigt sich zufrieden
Die Vertreterin der Gleichstellungsbeauftragten der Unikliniken Magdeburg und Halle, Varina Grondkowski, äußerte keine Kritik. Sie begrüßte es, dass mit dem neuen Paragraph 20a die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten speziell geregelt werde. „Wir haben auch keine großen Änderungswünsche“.
Rektorenkonferenz kritisiert weitere Änderungen bei Gleichstellung
Auch Prof. Dr. Bagdahn von der Landesrektorenkonferenz äußerte sich zum Thema. Laut Gesetzentwurf würden die Stellen der Gleichstellungsbeauftragten nur noch mit Frauen besetzt werden dürfen. Dies würde der aktuellen Situation in den Hochschulen wiedersprechen, wo diese Posten teilweise mit Männern besetzt seien. Die Hochschulen im Land hätten bereits eine Selbstverpflichtung, die unter anderem die Förderung von Frauen im wissenschaftlichen Bereich betreffe. Auch Frau Dr. Kaltenborn, GEW, kritisierte die Regelung.
Unterschiedliche Meinungen zur Freistellung bei ehrenamtlichen Aufgaben
Bagdahn sprach sich außerdem dagegen aus, Studierendenzahl abzusenken, ab welcher eine Hochschule eine volle Stelle für den Posten der Gleichstellungsbeauftragten freistellen müsse. Hier sieht der Entwurf eine Absenkung auf 6.000 vor. Bei Hochschulen unter 6.000 Studierenden sei es eine halbe Stelle, die freizustellen sei. Dies würde besonders kleinere Hochschulen vor Herausforderungen stellen, so Bagdahn. Gewerkschaftsvertreterin Kaltenborn sprach sich für Freistellung in möglichst hohem Maße aus, da Arbeitszeiten im wissenschaftlichen Bereich oft nicht erfasst würden. Ehrenamtliche Zusatzaufgaben wie die der Gleichstellungsbeauftragten oder der Behindertenvertretung würden oft „nebenbei“ mit zusätzlichen Stunden erledigt. „Das kann ich natürlich als Gewerkschafterin nicht gutheißen.“