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Plenarsitzung

Landtagssitzung Nr. 1

In der Johann-Philipp-Becker-Kaserne zu Dessau trat am 28. Oktober 1990 der Landtag von Sachsen-Anhalt zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Zwei Wochen zuvor waren die 106 Abgeordneten erstmals seit 1946 in freier, gleicher, direkter und geheimer Wahl gewählt worden. Bei einer Wahlbeteiligung von 65,1 Prozent entfielen 39 Prozent der Zweitstimmen auf die CDU, 26 Prozent auf die SPD, 13,5 Prozent auf die FDP, 12 Prozent auf die PDS und 5,3 Prozent auf Bündnis 90/Grüne. 

Die konstituierende Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt fand in einer ehemaligen NVA-Kaserne in Dessau statt. Foto: Landtagsarchiv

Die anhaltische Metropole Dessau wurde zum Ort der konstituierenden Sitzung des Landtags, weil sich die damals verantwortlichen Politiker nicht auf eine Hauptstadt für das neue Land Sachsen-Anhalt einigen konnten. Halle oder Magdeburg? Das war die Frage, die im Sommer 1990 die Gemüter bewegte, und auf die es (noch) keine Antwort gab.

Um keinem der beiden streitenden Lager durch die Wahl des Tagungsortes an der Saale oder an der Elbe eventuell einen Vorteil zu verschaffen, wurde die Stadt an der Mulde für den bedeutsamen 28. Oktober ausgewählt. „Ein guter Ort für unser Parlament“, wie der erste Präsident des Landtags, Dr. Klaus Keitel, später feststellte. Insgesamt sechsmal tagte der Landtag in der Dessauer Bundeswehrkaserne, bis er sein heutiges Domizil am Domplatz in der Landeshauptstadt Magdeburg beziehen konnte. 

26 Jahre Landtagsabgeordneter

„Die Atmosphäre an diesem Tag in Dessau werde ich mein Leben lang nicht vergessen“, erinnert sich Thomas Felke an den 28. Oktober 1990. Der gebürtige Bernburger war mit 27 Jahren der jüngste männliche Abgeordnete und fungierte bei den ersten Tagesordnungspunkten traditionell zusammen mit dem jüngsten weiblichen Mitglied des Landtags, der 25-jährigen Katrin Budde (beide SPD), an der Seite von Alterspräsident Heinz Hildebrandt (FDP) als Schriftführer. „Die Stimmung war sehr feierlich, aber nicht steif“, so Felke. „Ich war ganz schön aufgeregt und musste die Namen der Abgeordneten aufrufen.“ Es sei aber alles sehr gut vorbereitet gewesen, sodass es keine organisatorischen Pannen gegeben habe. 

Thomas Felke (SPD) war mit 27 Jahren der jüngste männliche Abgeordnete bei der konstituierenden Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt. Foto (2015): Wolfgang Schulz

Mit dem 28. Oktober 1990 begann für Felke ein grundlegend anderer Lebensabschnitt. Die Parlamentsarbeit bestimmte fortan sein Leben. Bis zum Ende der 6. Legislaturperiode (2016) war er Mitglied des Landtags. „Obwohl für mich alles neu war, wusste ich doch, dass an diesem Tag Geschichte geschrieben wird“, sagt er. Mit dem Ausscheiden von Thomas Felke und seinen langjährigen Parlamentskollegen Hans-Jörg Krause (DIE LINKE; 2016) sowie Katrin Budde (SPD, 2017) ist heute (im Mai 2020) nur noch ein Parlamentarier seit 1990 ohne Unterbrechung Mitglied im Landtag: Detlef Gürth von der CDU.

Thomas Felke absolvierte nach Abitur und anderthalbjähriger Armeezeit ein Bauingenieurstudium in Dresden und war danach als Technologe in einem Ingenieurbüro der damaligen Reichsbahndirektion Halle tätig. Anfang Oktober 1989 besuchte er mit Freunden eine Montagsdemonstration in Leipzig und beteiligte sich von da an regelmäßig an den Demos in Halle. Im November trat er der SDP (Sozialdemokratische Partei der DDR) bei.

Westverwandtschaft sozialdemokratisch orientiert

„Ich habe eine große Westverwandtschaft, die eher sozialdemokratisch orientiert ist“, und im Fernsehen habe er sich bei der Übertragung von Bundestagsdebatten besonders für die SPD-Beiträge interessiert. „Ich wollte dabei sein und das Neue mitgestalten“, begründet er seinen Parteieintritt. Als Vorsitzender der AG Jusos beteiligte er sich an den Wahlkämpfen im Jahr 1990. „Das war eine ganz schöne Kärrnerarbeit“, sagt er rückblickend, habe aber Spaß gemacht und Erfüllung gebracht. 

Nach der Verabschiedung des Ländereinführungsgesetzes im Juli in der Volkskammer wurde es ernst für Felke. Die SPD nominierte ihn als Kandidaten für den Landtag. „Ich hatte Listenplatz 20 und eigentlich wenig Hoffnung, dass ich es schaffen würde.“ Vor ihm rangierten andere, die Auswahl ging nach Beruf, Alter, Geschlecht, Region und anderen Kriterien. Dann das überraschende Wahlergebnis am 14. Oktober 1990: Die CDU gewann bis auf den Magdeburger Wahlkreis von Dr. Reinhard Höppner (SPD) alle Direktmandate. Für die SPD rückten so 25 Abgeordnete über die Landesliste ins Parlament, darunter Thomas Felke vom Platz 20.

Neben der Wahl des Landtagspräsidenten und des Ministerpräsidenten war auf der konstituierenden Sitzung am 28. Oktober auch für den jüngsten Abgeordneten die Entscheidung über die künftige Landeshauptstadt das herausragende Ereignis. Die Entscheidung für Magdeburg habe ihn nicht sehr überrascht. Die Lage und Infrastruktur, die bereits bestehende enge Kooperation mit Niedersachsen, die Autobahn 2 und anderes sprachen dafür. Schließlich, so vermutet Felke, hätten bei der Abstimmung auch Auswirkungen aus der DDR-Zeit nachgewirkt. So zum Beispiel bei Abgeordneten aus dem Raum Dessau, der früher zum Bezirk Halle gehörte und unter der zentralistischen Leitung gelitten habe. 

Politischer Alltag kam schneller als gedacht

Nach der ersten feierlichen Tagung habe sofort der Alltag begonnen. Gerlinde Kuppe, Rüdiger Fikentscher und Fraktionschef Reinhard Höppner seien aber von Anfang an bemüht gewesen, die jungen Fraktionsmitglieder einzubeziehen. „Vieles war mir noch unbekannt, und es hieß: Lernen durch Handeln.“ Es sei beeindruckend gewesen, wie schnell die parlamentarischen Spielregeln Einzug gehalten hätten. Standen am Runden Tisch, den er von Halle her kannte, noch Themen im Vordergrund, die alle gemeinsam bewältigen wollten, spielte im Landtag mehr und mehr die Parteipolitik eine Rolle. 

Ende 1990 dann wieder eine wichtige Entscheidung für Thomas Felke. „Wie mache ich es mit dem Beruf?“ Beides zusammen ging schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr. „Ich habe mich für das Parlament entschieden und das nie bereut.“ Er sei sehr gern Abgeordneter, allerdings, so Felke, sei es nach sechs Legislaturperioden genug. Für den nächsten Landtag, der im März 2016 gewählt wurde war er nicht mehr angetreten. „Ich will mich“, sagt er, „noch einmal neuen Herausforderungen stellen.“

Der Text (mit wenigen Aktualisierungen im Mai 2020) stammt aus unserem Archiv vom Oktober 2015.