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Plenarsitzung

Jahrestag als Chance für die Region

05. Okt. 2020

Die Fraktion DIE LINKE hatte im Januar einen Antrag für eine mit dem Freistaat Thüringen organisierte gemeinsame Landesausstellung zum 500. Jahrestag des Deutschen Bauernkriegs im Jahr 2024/2025 eingebracht. Dabei soll der Fokus insbesondere auf das Wirken Thomas Müntzers im Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts und die im Land liegenden authentischen Müntzer-Orte, vor allem Allstedt und Stolberg, gelegt werden. Die intensiven Bemühungen der im Landkreis Mansfeld-Südharz ansässigen Vor-Ort-Initiative „AK Reformationsjubiläum“ sollen bei der Gestaltung berücksichtigt werden. Nach Beratung im Plenum wurde der Antrag in den Ausschuss für Bildung und Kultur überwiesen. Dort fand am Freitag, 2. Oktober 2020, eine Anhörung zu dem Thema statt.

Am 13. Juli 1524 hielt der Reformator Thomas Müntzer auf Burg & Schloss Allstedt vor Herzog Johann dem Beständigen und dessen Sohn Johann Friedrich seine berühmte Fürstenpredigt. Foto: Burg & Schloss Allstedt.

Gemeinsame Landesausstellung gute Idee

Thüringen habe ein großes Interesse an einem abgestimmten Vorgehen zum Jubiläumsjahr, wie die konkrete Zusammenarbeit aussehen könne, müsse das Land Sachsen-Anhalt natürlich selbst entscheiden, erklärte Dr. Thomas T. Müller, Direktor der Mühlhäuser Museen. Der Freistaat Thüringen habe bereits eine große Landesausstellung für Mühlhausen beschlossen. Sie solle den Deutschen Bauernkrieg auch im internationalen Kontext darstellen. Zudem seien verschiedene wissenschaftliche Tagungen geplant oder hätten bereits stattgefunden. Ziel aller Aktivitäten sei es, einen dauerhaften Wert für die Region über das Jubiläum hinaus zu schaffen.

Dr. Angelika Klein, Landrätin des Landkreises Mansfeld Südharz, betonte, die historische Landschaft in ihrem heutigen Landkreis gehörte zu den Brennpunkten des Bauernkrieges. Daher sei für die Akteure der „AK Reformationsjubiläum“ bei ihren bisherigen Beratungen wichtig gewesen, das  Ereignis zukünftig stärker in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. Eine Landesausstellung allein auszurichten, sei für ihren Landkreis nicht zu leisten, räumte Klein ein. Für die bessere Kooperation der einzelnen Projektakteure untereinander warb die Landrätin für die Einrichtung eines Projektbüros. Der Bürgermeister der Lutherstadt Eisleben, Carsten Staub, unterstützte diesen Vorschlag.

Allstedt setzt auf Burg als historischen Ort 

Allstedt sei ein sehr geschichtsträchtiger Ort mit enger Verbindung zu Thomas Müntzer, erläuterte Jürgen Richter, Bürgermeister der Stadt Allstedt. Man habe sich daher immer bemüht, die Burg und Stadtanlage instand zu halten. Adrian Hartke, Museumsdirektor Burg & Schloss Allstedt, ergänzte, Müntzer habe in nur 1,5 Jahren Allstedt zu einem „Hotspot der Reformation“ gemacht. Als erster hielt er einen Gottesdienst in deutscher Sprache. Burg und Schloss Allstedt seien daher ein historischer Ort ersten Ranges. Am 13. Juli 1524 habe der Reformator Thomas Müntzer auf Burg & Schloss Allstedt seine berühmte Fürstenpredigt gehalten. Der authentische Ort, die spätmittelalterliche Hofstube, sei bis heute erhalten geblieben und finde sich auch im Jubiläumskonzept wieder.

Die Predigt Müntzers in Allstedt sei ein Markstein für die Einführung demokratischer Grundrechte gewesen, zeigte sich Hartke überzeugt. Es sei geplant, dass Jubiläum bereits 2023 in Allstedt einzuläuten, da Thomas Müntzer 1523 bereits 1,5 Jahre vor Ort gelebt und gewirkt hatte. Insgesamt seien verschiedenste Projekte geplant (z.B. Ausstellungen bis hin zu Kunst- und Musikprojekten). Ziel sollte es sein, den Bauernkrieg als Freiheitsbewegung  zu vermarkten, in dem der Weg hin zu den heutigen demokratischen Menschenrechten begonnen wurde, in dessen Rahmen der Wandel vom Untertan zum mündigen Bürger vollzogen worden sei.  Es gebe bereits erste Initiativen zur  Zusammenarbeit mit den Mühlhäuser Museen, welche Ideen konkret umgesetzt werden könnten, hinge letztlich auch von der finanziellen Ausstattung ab.

Ulrich Franke, Oberbürgermeister Gemeinderat der Einheitsgemeinde Südharz, Ortsteil Stadt Stolberg (Harz), sagte, er sei stolz darauf, dass das Bauernkriegsjubiläum gemeinsam mit Thüringen begangen werden solle. Mit einer Landesausstellung bestehe zudem die Hoffnung, auch international für Aufmerksamkeit zu sorgen und bereits vorhandene Kontakte vertiefen zu können.

Jubiläum ist einmalige Chance für Region

Dr. Clemens Ritter von Kempski, Mitglied des Gemeinderats der Einheitsgemeinde Südharz, sieht ebenfalls eine enorme Chance für die Region. Das Jubiläum solle genutzt werden, um die bisher unterschätzen kulturellen Schätze der Region bekannter zu machen, natürlich in Kooperation mit Thüringen. Die Fürstenpredigt von 1524 sei ein europäisches Ereignis gewesen – ein „Umbruch in der Geistesgeschichte“. Es sei der entscheidende Moment gewesen, an dem sich Europa vom Mittelalter in die Neuzeit bewegt hätte. Ein Vorteil bei der Vermarktung des Jubiläums sei, dass jeder Ostdeutsche Thomas Müntzer kenne, gleichzeitig sei es ein gutes Familienthema und könnte auch international vermarktet werden.

Daher plädiert Kempinski für eine „etwas andere Landesausstellung“, die dezentral stattfinden könnte und nicht wie bisher nur an einen Ort gebunden sei. Er appellierte an die Ausschussmitglieder: „Lassen Sie uns eine Landesausstellung neu erleben und neu denken, indem wir sie in die Fläche bringen.“ Denn alle wichtigen historischen Orte rund um den Bauernkrieg könnten an einem Tag abgefahren werden. Als zentraler Ort könnte Schloss Stollberg (Harz) mit seiner Reithalle dienen. Auf diese Weise könnte der Landkreis Mansfeld Südharz national und international positioniert werden.

Wissenschafter und Familien ansprechen

Dr. Stefan Rhein, Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, erklärte, es hätte für die Zeitgenossen eine enge Verquickung von Reformation und Bauernkrieg gegeben, denn die Forderungen der Bauern griffen reformatorische Forderungen auf. Die Luthergedenkstätten planen zum Jubiläum eine „Mitmachausstellung“ in Lutherstadt Eisleben, die sich insbesondere an Kinder, Jugendliche und Schulklassen richten wird.

Komplexe Sachverhalte sollen so aufbereitet werden, dass sie spielerisch erlebt und begriffen werden können. Auf diese Weise könnten historische Fragestellungen in die heutige demokratische Bildungsarbeit eingebettet werden, so Rhein. Für 2025 biete sich zudem eine Sonderausstellung zur historischen Persönlichkeit Kurfürst Friedrich der Weisen an. Dieser hätte von Lutherstadt Wittenberg aus, während des Bauernkriegss eine Art Verständigungspolitik betrieben und sei 1525 gestorben.

Man könne so eine Ausstellung machen, allerdings müsse man die Person Thomas Müntzer dabei auch in die geistesgeschichtliche Tradition seiner Zeit einordnen. Wenn er allein von der Formulierung in der Antragstellung ausgeht, dann impliziere diese jedoch  „ein verzerrtes Bild der geistgeschichtlichen Zusammenhänge“, kritisierte Sachverständiger Franz Kronbeck. Seiner Meinung nach dürfe nicht zu einer eindimensionalen Idealisierung der Bauerkriege als Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit kommen. Dies entspreche nämlich nicht der Realität.  Kronbeck verwies insbesondere auf die seiner Ansicht nach apokalyptische Weltsicht Müntzers.

„Macher statt Verwalter versammeln“

Das Schloss sei ein Rohdiamant für die ganze Region, konstatierte Christian Kopocz, Vorsitzender des Schlossbeleuchtungs- und Fördervereins Alltstedt. Er zeigte sich überzeugt, dass die Region viel mehr könne als bisher gedacht. Mit dem anstehenden Jubiläum hätte man eine einmalige Chance, die Vorzüge der Region in die Welt zu tragen. Dazu müsste man modern handeln und denken und bei den Gästen Begeisterung für die Region entfachen. „Die begeisterten Macher sollten versammelt werden und nicht die Verwalter“, dann könne ein nachhaltiges Jubiläum gelingen, betonte Kopocz.

Bauernkrieg und Reformation gehörten eng zusammen, erklärte auch Andreas Berger Superintendant des Kirchenkreises Eisleben-Sömmerda. Der Fokus sollte jedoch nicht nur auf Müntzer liegen, sondern auch Luther hätte seinen Einfluss gehabt. Eine Landesausstellung sei aufgrund der Bedeutung des Ereignisses gerechtfertigt. Dabei sollte man sich auch mit der Wirkungs- und Deutungsgeschichte auseinandersetzen, dies sei nur in einer Landesausstellung mit wissenschaftlicher Expertise möglich. Als Landeskirche habe man festgestellt, dass das Reformationsjubiläum seinerzeit nicht nur internationale Gäste angesprochen hatte, sondern auch der heimischen Bevölkerung neue Impulse zur Auseinandersetzung mit dem Thema gegeben habe. Dies könnte auch beim Jubiläum 500 Jahre Bauernkrieg der Fall sein.

Der Ausschuss für Bildung und Kultur wird sich im Januar erneut mit dem Thema beschäftigen und dann eine Beschlussempfehlung für das Plenum erarbeiten.