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Plenarsitzung

Zwischen Protesten und Dialogwunsch

Der Landtag solle anerkennen, „dass die Demokratie- und Freiheitsbewegung der sogenannten Corona-Proteste von einem Querschnitt der Gesamtbevölkerung getragen wird und damit ein Anliegen der Gesellschaft ist“, beantragt die AfD-Fraktion. Ihrer Ansicht nach zeige die rege Beteiligung der Bevölkerung an den Corona-Protesten, dass die Menschen das Vertrauen in das Handeln der Politik und insbesondere der Regierung verloren hätten. Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN brachte einen Alternativantrag ein: „Versammlungsrecht konsequent durchsetzen, Verfassungsfeinde isolieren, Solidarität mit demokratischer Zivilgesellschaft“.

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Versammlungen und Zusammenkünfte (auch unter freiem Himmel) werden durch das Versammlungsgesetz geregelt.

Menschen wollen wieder Urlaub machen

Die AfD wolle mit dem Antrag das Protestgeschehen im Land abseits von Hass und Hetze im Landtag thematisieren, erklärte Matthias Büttner (AfD, Staßfurt). Er kritisierte, dass insbesondere von den Grünen ganze Demonstrationszüge diskreditiert würden, weil sich einzelne Störer darunter befänden. Warum ließen sich die Menschen impfen, fragte Büttner – weil sie Freiheit haben und Urlaub machen wollten, weil sie die Ausgrenzung nicht mehr ertrügen oder das stundenlange Anstehen am Testzentrum. Die CDU habe die Ungeimpften zum Sündenbock gemacht, um deren politische Geisterfahrt unter den Teppich zu kehren. Büttner nannte das „Impfapartheid“. Die Landesregierung sei „Erfüllungsgehilfe der Pharmalobby“. Die getroffenen Maßnahmen schützten nicht die Gesundheit, sondern zerstörten sie.

„Leben nicht in einer Corona-Diktatur“

Die AfD habe nicht zu ihrem eigenen Antrag gesprochen und nehme ihn anscheinend verständlicherweise auch selbst nicht ernst, resümierte Innenministerin Dr. Tamara Zieschang (CDU). Er suggeriere nämlich, dass Demokratie und Versammlungsfreiheit in Gefahr seien oder das Grundgesetz gestärkt werden müsse – aber genau das Gegenteil sei der Fall. Die Versammlungsfreiheit sei durch die Landesverfassung garantiert, „das galt und gilt, und das gilt auch in Zeiten der Pandemie“, so Zieschang, niemand müsse sich darum sorgen.

Versammlungen unter freiem Himmel müssten schon immer angekündigt werden, das gelte nicht erst seit der Pandemie. Eine Demokratie- und Freiheitsbewegung, als die die AfD die Corona-Proteste stilisiere, könne sie nicht erkennen. „Wir leben nicht in einer Corona-Diktatur!“, so die Ministerin. Die Polizei in Sachsen-Anhalt habe sich noch nie einer friedlichen Meinungskundgabe in den Weg gestellt, es bedürfe da keiner Belehrung vonseiten der AfD.

Geltendes Recht wird umgesetzt

Die AfD zeige sich als parlamentarischer Arm der Querdenker und Corona-Leugner, „die sich selbst als ‚das Volk‘ bezeichnen und in einer Diktatur zu leben“ meinen, so Rüdiger Erben (SPD). Die Proteste würden ganz gewiss nicht von einem „Querschnitt der Gesamtbevölkerung“ getragen, wie von der AfD suggeriert werde. Das Versammlungsrecht werde missachtet, auch im Umkreis des Landtags könne Woche für Woche die Brutalität der Teilnehmer gegen Polizistinnen und Polizisten beobachtet werden. Die AfD scheine davon zu träumen, dass sich „Washington 2021“ in Sachsen-Anhalt wiederholen werde, „aber das wird nicht passieren“, denn die Ordnungsbehörden würden geltendes Recht umsetzen.

Hohle und wirkungslose Programmsätze

Die Verwaltungs- und Sicherheitsbehörden seien an Recht und Gesetz gebunden, betonte Henriette Quade (DIE LINKE). Nummer vier und fünf des Antrags der AfD würde die Landesregierung nur dazu aufrufen, das zu tun, was sie sowieso tut, mit Nummer sechs würde der Landtag die Polizei zum Rechtsbruch aufrufen. „Die AfD versucht, sich als Hüterin der Demokratie zu stilisieren“, sagte Quade, dabei transportiere ihr Antrag nur hohle und wirkungslose Programmsätze, die keinerlei Bedeutung hätten. Die AfD versuche lediglich, mit ihrem Antrag die rechte Mobilisierung gegen die Corona-Maßnahmen voranzubringen und vollziehe über den irreführenden Begriff „Demokratiebewegung“ eine unfassbare Relativierung des Nationalsozialismus. Der Antrag müsse abgelehnt werden, so Quade.

Versammlungsgesetz ist in Ordnung

Mit dem Versammlungsgesetz sei in Sachsen-Anhalt alles in Ordnung, konstatierte Guido Kosmehl (FDP). Man müsse keinen Mob in den Landtag führen, um Neuwahlen zu erreichen, wie es die AfD offenbar anstrebe, dafür gebe es Artikel 60 der Landesverfassung, hier seien die Quoren für die gesetzlich geregelte Auflösung des Landtags verzeichnet. „Ohne die polizeiliche Hilfe aus anderen Bundesländern könnten wir die Versammlungsfreiheit in Sachsen-Anhalt gar nicht gewährleisten“, resümierte Kosmehl.

Dialog auf Basis von Fakten

Die Maßnahmen durch Eindämmung der Corona-Pandemie stellten für alle eine schmerzliche Beeinträchtigung des Lebens dar, räumte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ein. „Das Problem ist nicht, dass demonstriert wird, sondern wie!“ Denn die Demonstrationen, die „Spaziergänge“, zeigten eben kein „Spiegelbild der Gesellschaft“, sondern eine sehr heterogene Gruppe. Sie seien teils von gewaltbereiten Rechtsextremen geführt und würden zur Eskalation getrieben. „Ja, wir brauchen Austausch, aber auf Basis von Fakten“, so Striegel.

Staat übt eine Schutzpflicht aus

„Gott sei Dank leben wir in Deutschland in einer Demokratie und nicht in einer Diktatur“, betonte Chris Schulenburg (CDU), denn sonst wäre man beim Verkünden seiner Meinung schon längst von der Straße geknüppelt worden. Es gebe das Versammlungsgesetz, aber es sei nicht schrankenlos, es gebe Regeln: Friedlichkeit, Waffenlosigkeit, derzeit auch Masken. Der Staat habe eine Schutzpflicht gegenüber dem Einzelnen und der Gesellschaft, die Verhältnismäßigkeit werde bei der Ausübung des Dienstes gewahrt. Jeder müsse sich fragen, ob er mit Rechtsradikalen im Einklang marschieren wolle. Die Sorgen und Nöte würden ernst genommen, und es sei auch in Ordnung, diese auf der Straße kundzutun. Aber man müsse sich an die bestehenden Regeln halten.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der AfD-Fraktion abgelehnt. Auch der Alternativantrag der GRÜNEN konnte keine Mehrheit finden.