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Plenarsitzung

Verkehrsblockaden – „ein letzter Hilferuf“?

Die Radikalisierung der Klimaproteste schreite voran, kritisiert die AfD-Fraktion. Die Szene schrecke nicht vor Gewalt und Eskalation zurück und bemäntele dies als Einsatz für eine vermeintlich gute Sache. Die „Verkehrsblockaden durch radikale Öko-Gruppen“ macht die AfD-Fraktion zum Thema einer von ihr beantragten Aktuellen Debatte. Sie befindet, „Klimakleber sind keine Aktivisten, sondern Extremisten!“ und wollte diese These im Parlament ausdiskutieren.

Blick von oben auf Demonstration von Schülern

Schülerinnen und Schüler bei einer Demonstration für mehr Klimaschutz.

Klimaaktivisten „am Rande des Terrorismus“

Kein Auto, kein Fleisch, kein Urlaub und den Kapitalismus überwinden – das seien keine Forderungen aus Nordkorea, sondern von „selbsternannten Klimaschützern“ aus Deutschland, sagte Matthias Büttner (AfD, Staßfurt).  Er zeigte sich überzeugt, dass es sich bei solchen Forderungen um eine „menschenfeindliche Ideologie“ handle. Ausgangspunkt sei die schwedische Klimaschützerin Greta Thunberg gewesen. Nun müssten alle Menschen in Deutschland mit diesen „wohlstandsverwöhnten Rotzgören“ klarkommen. Er selbst und auch seine Wähler wollten sich jedoch nicht vorschreiben lassen, wie sie zu leben hätten. Deshalb müsse man jetzt „klare Kante“ zeigen. Diese Klimaaktivisten befänden sich laut Büttner „am Rande des Terrorismus“.

„Kein politisches Ziel rechtfertigt Straftaten

Die Landesregierung verurteile das Begehen von Straftaten zur Durchsetzung politischer Ziele, konstatierte Innenministerin Dr. Tamara Zieschang (CDU). Es sei nicht hinnehmbar, wenn Rettungskräfte behindert und das Leben von Menschen gefährdet würden. Derartige Protestformen seien nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt, stimmten alle Innenminister Deutschlands überein, so Zieschang. „Kein politisches Ziel rechtfertigt es, Straftaten zu begehen.“ In Sachsen-Anhalt hätten bislang zehn Aktionen der Klimaprotestbewegung „Letzte Generation“ stattgefunden, insbesondere die Straßenblockade am 21. November 2022 in Magdeburg hätte ein größeres Medienecho hervorgerufen.

„Klimaprotestler sind keine Extremisten"

„Die wahren Extremisten in unserem Land kleben sich nicht auf der Straße fest, sondern sitzen in Büros, sind teilweise an Waffen ausgebildet worden und saßen teilweise in den Reihen der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag.“ Dies hätte er eingangs der Debatte loswerden müssen, so Holger Hövelmann (SPD). Allerdings: Es gebe viele Wege, sich in der Demokratie an der öffentlichen Meinungsbildung zu beteiligen. Auch ein Ziel wie der Klimaschutz würde konkrete Straftaten (z.B. gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr) nicht rechtfertigen. Das Begehen von Straftaten mache die Klimaprotestler jedoch nicht zu Extremisten, unterstrich der SPD-Politiker. Hier schließe er sich der Meinung des obersten Verfassungsschützers an. Das bereits vorhandene Strafmaß sei ausreichend und bedürfe, seiner Ansicht nach, keiner Verschärfung.

Aufmerksamkeit auf Klimaschutz gelenkt

Abgeordnete führen mit dem 0-Euro-Ticket erster Klasse, warum dauere es so lange, bis ein Nachfolger für das 9-Euro-Ticket für alle komme, fragte Eva von Angern (DIE LINKE). Es sei schon sehr verwunderlich, dass beispielsweise CDU und AfD aus Pappschilder hochhaltenden Jugendlichen eine innenpolitische Bedrohungslage machten oder sich gegen ein Tempolimit auf den deutschen Autobahnen aussprächen, so von Angern. „Erst die Schulstreiks haben doch unsere Aufmerksamkeit auf den Klimaschutz gelenkt“, aber das neue Umweltbewusstsein sei längst Teil des kapitalistischen Markts geworden. Klebeaktionen auf der Straße mögen lästig sein, aber jede politische Demonstration sei unerlässlich für unseren Rechtsstaat, habe ein Richter in Berlin geurteilt, so von Angern. Der Klimawandel verschärfe die Probleme der Ärmeren. Autokraten leugneten den Klimawandel, weil sie ganz genau wüssten, dass dessen Auswirkungen zuerst jene Länder treffe, deren Einwohner während der Flucht im Mittelmeer ertränken.

Aktionen strafrechtlich verfolgen

In den letzten Wochen habe es mehrfach Aktionen von selbsternannten Klimaaktivisten gegeben, erinnerte Guido Kosmehl (FDP). Mit Aktionen wie dem Festkleben auf Straßen oder dem Betreten von Landebahnen auf Flughäfen würden auf unterschiedlichste Weise das Leben von Menschen gefährdet, „und das nehmen die Teilnehmenden auch bewusst in Kauf“, kritisierte Kosmehl. „Wer bewusst Menschenleben oder deren Rettung gefährdet, wer Landfriedensbruch begeht, der ist strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen“, legte sich der FDP-Abgeordnete fest. Durch konsequentes Einschreiten müssten all diese Fälle zur Anklage gebracht werden. Die Radikalisierung in den Aktionen sei in seinen Augen eher ein Bärendienst für den Klimaschutz, sagte Kosmehl.

„Aktivismus ist kein Terrorismus“

Die Klimakrise und die Industrialisierung seien miteinander verbunden, kein vernünftiger Mensch könne behaupten, dass die massive Nutzung fossiler Brennstoffe keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt habe, betonte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Bei der weiteren Erhitzung der Erde könnten heute schon heiße Weltteile in wenigen Jahrzehnten nicht mehr bewohnbar sein. Menschen, die der Gesellschaft den Spiegel vorhielten, würden auch im hiesigen Landtag als Terroristen verunglimpft, kritisierte Striegel. Das Versammlungsrecht gelte eben auch für Menschen, deren Meinung man nicht unterstütze. Ob diese Aktionen strafrechtlich relevant seien, müssten die zuständigen Gerichte klären und nicht etwa ein „Volkstribunal aus Bild-TV, rabiaten Autofahrern und einzelnen Landtagsfraktionen“, so der Grünen-Abgeordnete. „Die Form des Aktivismus der ‚letzten Generation‘ überzeugt mich nicht“, räumte Striegel ein, sie führe kommunikativ am Ziel vorbei. Dennoch sei (wie bei einer der letzten Aktionen) die Forderung eines Tempolimits und eines 9-Euro-Tickets Aktivismus, aber beileibe kein Terrorismus.

„Klimaschutz lieber mal Peking erklären“

Wer sich auf Straßen festklebe oder Kunstwerke bewerfe, sei asozial, meinte Markus Kurze (CDU). Die übertriebenen Aktionen seien schwer hinzunehmen, wenn man bedenke, dass Deutschland nur für zwei Prozent des Weltklimas verantwortlich zeichne. 78 Prozent der Deutschen seien für härtere Strafen für die Aktivisten, führte der CDU-Abgeordnete an. „Echter Klimaschutz wäre wohl effektiver, wenn man das Peking mal erklären würde“, so Kurze. Die CDU spreche sich für einen Klimaschutz aus, der mit Augenmaß umgesetzt werde und bezahlbar bleibe. Ziviler Ungehorsam dürfe nicht zu strafrechtlich verfolgbaren Aktionen führen, so Kurze.

Beschlüsse zur Sache der Aktuellen Debatte wurden nicht gefasst.