Unter dem Titel „Sachsen-Anhalt in Europa: Unsere Zukunft gemeinsam gestalten“ hielt Rainer Robra, Staatsminister und Minister für Kultur, eine Regierungserklärung. Im Anschluss kam es zur Aussprache, in der die Fraktionen die Möglichkeit hatten, zum Gesagten Stellung zu beziehen und eigene Aspekte in die Debatte einzubringen.

Flaggen der Mitgliedsländer vor dem europäischen Parlament in Brüssel.
„Unsere Chance auf eine gute und stabile Zukunft“
„Wir brauchen einen breiten proeuropäischen Konsens, um Wohlstand für uns und künftige Generationen zu wahren und Sicherheit zu garantieren“, betonte Rainer Robra (CDU), Staatsminister und Minister für Kultur. Einseitige Zölle gefährdeten die internationalen Handelsbeziehungen; Sicherheit und Verteidigung seien ein wichtiger Inhalt der Arbeit der Europäischen Kommission geworden. Dies sei „europäische Realpolitik“, so Robra. Sie führe zwar oft nicht zu schnellen, sofort sichtbaren Erfolgen, aber die EU habe ihre Lektion gelernt, man arbeite intensiver an gemeinsamen Entscheidungen. „Die Europapolitik in Sachsen-Anhalt ist auf Wirksamkeit für unser Land angelegt“, man ziele auf eine wettbewerbsfähige Wirtschaftspolitik. „Wir können uns ein Aussetzen der europäischen Zusammenarbeit nicht vorstellen, eine Rückkehr zum einzelnen Nationalstaat wäre für Sachsen-Anhalt verhängnisvoll“, erklärte Robra. Europa sei „unsere Chance auf eine gute und stabile Zukunft“.
Euro-Einführung war „völlig weltfremd“
„Wir möchten eine bessere Zukunft für uns alle“, meinte Ulrich Siegmund (AfD). Deutschland sei allerdings ohne die EU nicht verloren. EU und Europa seien zwei unterschiedliche Dinge. Die AfD wolle ein Europa starker souveräner und selbstbewusster Nationalstaaten, so Siegmund. Die Einführung des Euros nannte Siegmund „völlig weltfremd“. Die EU sei gescheitert, weil man mit dem Glauben an etwas an der Realität gescheitert sei. Die Menschen hätten genug von offenen Grenzen, genug von Bevormundung und dass Deutschland die „Melkkuh dieses Kontinents“ sei. Der Abfluss der Steuermittel Richtung Brüssel müsse enden, auch die Unterstützung der Ukraine, so Siegmund. Man müsse ohne moralischen Hochmut mit Russland, China und den USA übereinkommen, weil man aus diesen Ländern günstige Energie und günstige Rohstoffe brauche.
Vieles gelingt nur durch EU-Unterstützung
Mehr als die Hälfte der Befragten meinte in einer MDR-Umfrage, die EU sei ihnen egal, monierte Holger Hövelmann (SPD). Dabei gelinge im Land nur vieles durch EU-Unterstützung – nicht nur durch finanzielle Mittel, sondern auch durch die EU-Arbeiternehmerfreizügigkeit. Die britische Wirtschaft habe sich bisher nicht vom Brexit erholt, in Deutschland wären die Folgen noch katastrophaler. Die EU sei seit Jahren in Bedrängnis, die Bedrohung von außen sehr viel stärker geworden – nicht nur durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, sondern auch durch die neue Sicherheitsstrategie der USA. Die EU gebe Sachsen-Anhalt auch als kleinem Land die Chance, in der Welt nicht unterzugehen und sich einzubringen. „Es braucht mehr Wissen über die Europäische Union“, betonte Hövelmann, „über ihre Geschichte und ihre wirtschaftliche Funktion.“ Das friedliche Miteinander in der EU zu wahren, müsse unser aller Aufgabe sein.
„Globales Versagen des Bundeskanzlers“
„Dieser Euro war das Erfolgsrezept für die deutsche Exportwirtschaft“, konterte Wulf Gallert (Die Linke) den Redebeitrag von Ulrich Siegmund von der AfD. Wer das bis heute nicht begriffen habe, habe von Wirtschaftspolitik wenig Ahnung. Die EU sei in Gefahr von außen und von innen – insbesondere durch erstarkenden Nationalismus und mehr soziale Kälte. Der Brexit sei dort am meisten unterstützt worden, wo die soziale Polarisierung besonders groß gewesen sei, erinnerte Gallert. Natürlich funktioniere nicht alles gut auf EU-Ebene, aber Europa drohe, seinen Sinn zu verlieren. Die EU müsse eine Vermittlerin bei den globalen Problemen sein und nicht selber einen Pol bilden. Russland, die USA und auch China bedrohten die EU von außen, sie zielten auf die Spaltung der Europäischen Union ab. Diese Strategien hätten zum Teil schon Erfolg, so Gallert. Es sei ein „globales Versagen des Bundeskanzlers“, dass Friedrich Merz Deutschland den USA als Partner anbiete, wenn Trump schon nichts mit der EU anfangen könne. Das sei die „Unterwerfung unter die Interessen eines Trump – und das ist eine Katastrophe“, betonte der Abgeordnete der Linken.
„Seit 30 Jahren Nutznießer der EU“
Die Liberalen seien Befürworter eines starken Europas und eines starken Euros, betonte Andreas Silbersack (FDP). Es gebe keine Alternative. Er könne nicht verstehen, wie man ‒ wie die AfD ‒ aus der EU und dem Euro aussteigen wolle, denn „seit 30 Jahren sind wir die Nutznießer der Europäischen Union, das begründet unseren Wohlstand“. Man müsse sich bei der Erstellung des mehrjährigen Finanzrahmens in der EU einbringen und über die Mittelverteilung mitbestimmen. „Wir brauchen eine europäische Agrarpolitik, die unsere Unternehmen in Sachsen-Anhalt fördert und unterstützt.“ Gleiches gelte auch für die Chemieindustrie in Sachsen-Anhalt als einem der Wirtschaftsmotoren der vergangenen Jahrzehnte. Silbersack kritisierte die überbordende EU-Bürokratie und sprach sich dafür aus, die EU-Lieferkettenrichtlinie zu streichen. „Wir brauchen ein kraftvolles Europa mit freiem Welthandel und offenen Märkten“, sagte Silbersack. „Wir können uns eine Spaltung nicht leisten.“
Wertegemeinschaft ist unter Druck geraten
„Die Europäische Union sei eine der fundamentalen Lehren des Holocausts, Demokratie und europäische Einigkeit sind die Grundpfeiler des wirtschaftlichen Erfolgs“, erklärte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Es brauche Ehrlichkeit darüber, wie Europa derzeit von innen und außen angegriffen werde. Geopolitische Verschiebungen und eine wirtschaftliche Transformation hießen die Herausforderungen für die EU. Wenn EU-Mittel gekürzt würden, treffe das in Sachsen-Anhalt insbesondere den ländlichen, den landwirtschaftlichen Raum. Die EU-Wertegemeinschaft sei unter Druck geraten – zunehmend auch durch Kräfte innerhalb Europas, die den Klimaschutz schleiften, Arbeitnehmerrechte zurückdrehten und rechtsstaatliche Prinzipien relativierten. Diesem Weg dürfe nicht gefolgt werden, betonte Lüddemann. Sie forderte die Europäische Volkspartei auf, nicht erneut mit rechten Parteien zu paktieren. Europa werde nur stark sein, wenn es seine gemeinsame Wertebasis behalte, weiter ökologische Standards halte und für ein soziales Miteinander eintrete.
Keine zentrale EU-Fördermittelvergabe
„Europa ist für uns alle wichtig, ein geeintes Europa ist die einzig richtige Lehre aus zwei Weltkriegen und dem Kalten Krieg“, betonte Markus Kurze (CDU). 27 Staaten seien durch die gleichen Grundwerte und Ideale miteinander verbunden. Die Menschen in Europa könnten sich in die Entscheidungen einbringen. Die EU-Bürgerinnen und -Bürger wünschten sich eine stärkere Wirtschaft und Beschäftigung, die festere Einbindung junger Menschen in die EU, die Begleitung des digitalen Wandels, die Bekämpfung von Desinformation, ein starkes Gesundheitssystem, von dem alle profitierten, und vorrübergehenden Schutz für Menschen, die Opfer von Kriegen seien. Deutschland müsse auf die Impulse der europäischen Nachbarn schauen und entsprechend reagieren, so Kurze. Ließen die politischen Lösungen zu lange auf sich warten, schwinde das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Ein starkes Europa aber gelinge nur mit den Menschen. Nach Plänen der EU soll es künftig nur noch jeweils einen nationalen Plan bei der EU-Förderpolitik geben, diese Zentralisierung sei mit der CDU aber nicht zu machen. „Gemeinsam mit Unternehmen, Vereinen und Verbänden wissen wir vor Ort sehr gut, welche Bereiche Unterstützung brauchen“, betonte Kurze.
Beschlüsse zur Sache wurden am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung nicht gefasst.

