Friedrich Merz' Stadtbild-Aussage sorgte bundesweit für geteilte Meinungen. Anträge von CDU und Linksfraktion machten die Diskussion am 14. November 2025 zum Thema einer Plenardebatte im Landtag. Die CDU beantragte eine aktuelle Debatte mit dem Titel „Probleme benennen und lösen - für ein freundliches und sicheres Stadtbild in Sachsen-Anhalt“.
In einem zuvor eingebrachten Antrag befand die Linksfraktion, Merz' Äußerungen bedienten rassistische Ressentiments, stigmatisierten Millionen Menschen und normalisierten eine Sprache der Ausgrenzung. Laut Antrag der Linken sollte sich der Landtag klar „von der rassistischen ‚Stadtbild‘‐Rhetorik des Bundeskanzlers“ distanzieren und öffentlich betonen, dass Sachsen‐Anhalt ein weltoffenes Land sei. Die Willkommens‐ und Bleibekultur solle weiter gestärkt werden.
Zu beiden Anträgen wurde eine gemeinsame Debatte mit jeweils zehn Minuten Redezeit geführt.

Auch der Landtag von Sachsen-Anhalt debattierte am 14. November 2025 über Friedrich Merz' Stadtbild-Äußerung.
CDU: Land hat Aufgaben zu erledigen
„Das Vertrauen ist angekratzt“, befand Chris Schulenburg (CDU) in der Einbringerrede für seine Fraktion. Damit bezog er sich auf die Aufgabe des Staates, „auf den öffentlichen Straßen auch für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.“ Deshalb sei es umso wichtiger, Probleme offen anzusprechen und zu versuchen, politische Lösungen zu finden. Auf den Straßen erlebe man „einen erstarkten Antisemitismus. Die politisch motivierte Gewalt von rechts, von links oder religiös motiviert ist auf einem Höchststand.“ Mit Blick auf Geflüchtete sagte Schulenburg: „Die Gastfreundschaft endet dort, wo Recht und Gesetz gebrochen werden.“ Es sei folgerichtig, dass Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien umgesetzt und forciert würden.
Um das Sicherheitsgefühl der Bürger zu verbessern, habe das Land Aufgaben zu erledigen. „Die Polizei und die Ordnungsbehörden haben Präsenz zu zeigen, damit sich das subjektive Sicherheitsgefühl verbessert.“ Dafür wolle man die Polizei entsprechend personell und technisch ausstatten. Als weitere Maßnahme sprach Schulenburg an, dass man eine landeseigenen Abschiebesicherungseinrichtung schaffe.
Linke: Unzufriedenheit entsteht durch andere Faktoren
„Bundeskanzler Friedrich Merz spricht vom Problem im Stadtbild und meint damit ganz konkret Menschen mit Migrationsgeschichte“, so Eva von Angern (Die Linke) in ihrer Einbringerrede. „Diese Aussage ist rassistisch. Sie ist spaltend und sie ist einem Kanzler unwürdig.“ Im Land gebe es „mehr als genug“ integrierte Migranten, Geflüchtete und Asylsuchende. Die CDU scheine nicht zu wissen, dass Asyl, Flucht und Migration „vollkommen unterschiedliche Dinge“ seien.
„Immer wenn die CDU nicht weiterweiß, kommt sie mit dem Thema Migration“, monierte von Angern. Unzufriedenheit im Land komme allerdings durch marode Infrastruktur, hohe Pflegekosten oder durch Lehrermangel zustande. „Und daran müssen wir arbeiten.“ Der Alternativantrag der Linken würde solche Probleme zwar nicht ändern – „Dafür hätten sie andere Anträge von uns annehmen müssen. Aber er macht unser Land ein bisschen freundlicher, ein bisschen offener, ein bisschen zukunftsfest.“
Innenministerin: Ziel ist die Steuerung von Migration
Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) betonte, wie wichtig ausländische Fachkräfte für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes seien. Im Hinblick auf Schutzsuchende müsse man alles daran setzen, dass diese „zügig auch wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen können.“ Weltoffenheit gehöre zu Sachsen-Anhalt, so Zieschang. Es ginge in der Debatte allein um Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltsstatus, ohne Erwerbstätigkeit. „Es geht um Zugewanderte, die unsere Regeln nicht einhalten und dadurch Verunsicherung auslösen.“
Deshalb sei es das Ziel, Migration „zu steuern, zu ordnen und zu begrenzen.“ Zieschang erklärte, dass Nichtdeutsche und Zuwanderer als Tatverdächtige in der Kriminalstatistik überproportional oft in Erscheinung treten würden. Dem Phänomen müsse auch durch Abschiebungen der Straffälligen begegnet werden. Die Innenministerin betonte aber auch: „Bei der Bekämpfung und Verfolgung von Straftaten wird nicht nach Herkunft, Religion, Weltanschauung oder Hautfarbe unterschieden.“
SPD: Ordnungsdienste wichtig für Prävention
Beim Lesen der Antragsbegründung, so Rüdiger Erben (SPD), habe er sich „schon gefragt, warum das Stadtbild am Aussehen von Menschen festgemacht wird – und nicht an dem, was eine Stadt zusammenhält.“
Ordnung im öffentlichen Raum spiele eine wichtige Rolle bei der Kriminalprävention. Kommunen könnten Fehlentwicklungen erkennen, bevor Brennpunkte entstünden.
„Wir müssen schon den Anfängen von Zerstörung und Unordnung begegnen, denn Schmutz, Schmierereien und Vandalismus sind herausragende Indikatoren beginnender Verwahrlosung. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bringt Sicherheit.“ Kommunale Ordnungsdienste seien entsprechend wichtig und müssten ausreichend personell ausgestattet werden. „Indem sich die Städte für die Gestaltung eines sauberen und freundlichen Lebensumfeldes einsetzen, wirken sie zugleich der Entstehung krimineller Faktoren entgegen“, führte Erben im Weiteren aus. Außerdem müssten Wertvorstellungen als Spielregeln für das gemeinsame Zusammenleben gestärkt und vorgelebt werden.
AfD kritisiert Anträge scharf
Oliver Kirchner (AfD) nannte die Debatte zum CDU-Antrag „Realsatire“. Kanzler Merz habe die von ihm kritisierten Stadtbilder mit seiner Partei selbst geschaffen. „Wir wollen kein Deutschland, das zum großen Teil aus Wettläden, Barbershops, Shishabars, Dönerläden, Spätshops, Willkommenszentren, Moscheen oder Integrationslotsen und Migrationsbeauftragten besteht.“ Man wolle „ein Deutschland, in dem sich jeder Mensch unabhängig seiner Hautfarbe, Religion und seinem Lebensmodell frei und sicher bewegen kann
Auch den Antrag der Linksfraktion kritisierte Kirchner scharf und polemisch. „Solche Stadtbilder sind weder lebenswert, sicher noch freundlich“, griff er die Formulierung des Antragstitels auf („Unsere Stadtbilder sind vielfältig! ‐ Für ein weltoffenes und lebenswertes Sachsen‐Anhalt“). „Sie sind leider weltoffen für jedermann und vielfältig zum Nachteil unserer Bevölkerung“, so Kirchner.
FDP: Innenstädte attraktiver machen
Wenn es um das Stadtbild gehe, so Guido Kosmehl (FDP), „dann müssen wir über mehr reden.“ Es gehe um die Verhinderung von Leerstand in Innenstädten und wie sie attraktiver gestaltet werden könnten. Jugendlichen müsse man Angebote machen. Kosmehl kritisierte mit Blick auf die Linksfraktion jedoch auch, dass Kanzler Merz aufgrund seiner Aussage Rassismus unterstellt worden sei.
„Wir wollen eine Ordnung in den Bereich der Migration bringen.“ Dazu gehörten „vier Türen“: Asyl, subsidiärer Schutz, Erwerbszuwanderung, aber auch die Abschiebung derjenigen ohne Aufenthaltstitel und Duldung. Letzterer Punkt gelte besonders für diejenigen, die straffällig werden. Darüber zu sprechen habe nichts mit Rassismus zu tun. Abschiebungen von Ausreisepflichtigen würden etwas an der Wahrnehmung in Bevölkerung ändern. Die FDP werde jedoch niemals die Verpflichtung Deutschlands in Abrede stellen, Schutz und Asyl zu gewähren. „Wir brauchen diese Menschen – immer unter der Voraussetzung, dass sie sich hier auch entsprechend integrieren und sich an Regeln halten.“
Quade: Nicht die Herkunft ist entscheidend
„Es ist nicht die Herkunft, die darüber entscheidet, ob jemand kriminell wird, so Henriette Quade (fraktionslos). „Es sind Faktoren wie Gewalterfahrung, Teilhabe an Bildung, soziale und wirtschaftliche Situation, psychische Verfassung und die Möglichkeit, psychische Hilfe zu bekommen. Wirtschaftliche Umstände, gesellschaftliche und nachbarschaftliche Integration oder Desintegration.“ Quade kritisierte, dass aus dem CDU-Antrag nicht hervorgehe, welche Probleme konkret zu benennen seien.
Menschen mit nichtweißer Hautfarbe seien in der Stadtbilddebatte „alle mal wieder zum Problem erklärt“ worden, dieses Mal von Kanzler Merz. „Die, um die es in dieser Debatte geht“, so Quade, „die wissen genau, dass sie unter Generalverdacht gestellt werden, ganz unabhängig von ihrem rechtlichen Status. Und sie wissen auch, dass die Staatsgewalt zuallererst diejenigen treffen wird, die sich besonders gut an Regeln halten, weil sie dadurch aufgefunden werden können.“
Grüne: Gefährlicher Subtext schwingt mit
„Wenn Friedrich Merz öffentlich darüber spricht, dass sich das Stadtbild verändere und daraus ableitet, dies sei ein Problem“, so Susan Sziborra-Seidlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), „dann schwingt dieser Bemerkung ein gefährlicher Subtext mit.“ Merz lege mit dieser Bemerkung nahe, „dass Zugehörigkeit sichtbar, äußerlich, vielleicht sogar erblich sei.“ Doch „Zugehörigkeit bemisst sich nicht an Herkunft, sondern an Haltung, an der Entscheidung, Verantwortung zu übernehmen“, so Sziborra-Seidlitz. Grundrechte schlössen „Abschiebungen von Straftätern nicht aus. Aber wenn jetzt Menschen aus Syrien, die nach Jahren hier angekommen sind, hier arbeiten, ihre Kinder in die Schule schicken, Freundschaften schließen und hier bleiben wollen, dann sollen sie das tun. Dann gehören sie dazu.“
Um Städte sicherer und schöner zu machen, seien andere Maßnahmen sinnvoll – etwa bessere finanzielle Ausstattung für Kommunen, soziale Infrastruktur, Präventionsarbeit, Bekämpfung organisierter Kriminalität, mehr Polizeipräsenz sowie Schutz von Frauen und die Bekämpfung von Mietwucher.
So wurde abgestimmt
Für den Antrag der Fraktion Die Linke stimmten die Linksfraktion selbst sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dagegen stimmten die Koalitionsfraktionen sowie die Fraktion AfD.

