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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 15

Beratung

Landesweite Funktionskontrolle der Fischauf- und Fischabstiegsanlagen

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/729


Einbringen wird diesen Antrag die Abg. Frau Koppehel. - Frau Koppehel, bitte.


Nadine Koppehel (AfD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Der Living Planet Index für Wanderfische stellte bereits im Jahr 2020 für die letzten 50 Jahre einen Rückgang der europäischen Wanderfischpopulation um 93 % fest. Eine aktuelle Studie des Leibnitz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin zur globalen Sterblichkeit von Fischen bei der Passage von Wasserkraftwerken erbrachte weitere erschreckende Ergebnisse. Die Daten von mehr als 275 000 Fischen von 75 Arten zeigten: Jeder fünfte Fisch, der die Turbine einer Wasserkraftanlage flussabwärts durchquert, wird tödlich verletzt. Das bedeutet eine Mortalität von 22,3 %, fast ein Viertel der Fische. Wasserkraft ist somit die maßgebliche Ursache für den Rückgang bzw. das Verschwinden der Wanderfischarten.

Vor allem kleinere Wasserkraftanlagen mit weniger als 1 MW Leistung erzeugen sehr wenig Strom, verursachen aber einen sehr hohen ökologischen Schaden. Neben der Notwendigkeit funktionierender Fischabstiegsanlagen weist eine Studie auch auf die ökologischen Folgen des Aufstauens für die Flussmorphologie hin. Es emittieren Treibhausgase, der Sedimenttransport wird unterbunden und das Wasser erwärmt sich.

Nach 20 Jahren der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie liegt das Erreichen eines guten ökologischen Zustands der Fließgewässer in weiter, weiter Ferne. Hinzu kommen die Zielsetzungen der FFH-Richtlinie, die auch ein Verschlechterungsverbot für aquatische Lebensräume beinhaltet, sowie die Umsetzung der europäischen Aalschutzverordnung. Hierbei stellt sich allen von uns die Frage: Wie wollen wir das jemals schaffen?

Stellt man dazu der Landesregierung die einfache Frage, wie viel Prozent der Fließgewässer Sachsen-Anhalts für Wanderfische ohne Hindernis vollständig nutzbar sind, lautet die Antwort: Schau ins Portal des LHW, dort sind 24 000 km Lauflänge der Gewässer abgebildet. Außerdem gibt es schwimmstarke und  schwache Arten und das Klima kann die Passierbarkeit an Hindernissen einschränken. - Damit blieb die Frage unbeantwortet.

Für Fischaufstiegsanlagen gilt zunächst grundsätzlich: Die eine funktionierende Patentlösung für alle Gewässerstandorte gibt es nicht. Es ist aber auch nicht so, dass keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gestaltung von Fischauf- und  abstiegen vorliegen.

So konnte bei Versuchen, die im Labor im verkleinerten Maßstab stattfanden, nachgewiesen werden, dass die lichte Weite der Einstiegsöffnung einer Fischaufstiegsanlage eine selektive Wirkung für kapitale Fische entfaltet. Das heißt, je schmaler die Öffnung in Relation zum Fisch ist, desto geringer ist seine Motivation, diesen Engpass zu durchschwimmen. Die Dimension des Einstieges der Anlage müsste also an die Größe der für den jeweiligen Standort relevanten Fischarten angepasst werden.

In diesem Zusammenhang nenne ich ein Beispiel für das Muldewehr in Dessau. Stellen Sie sich einen Lachs vor, 1,50 m bis 1,80 m Länge, 30 kg bis 35 kg schwer. Er kommt im Muldewehr Dessau an. Er findet den Einstieg nicht. Er sucht und sucht. Nach langer Suche findet er endlich den Einstieg und stellt fest: zu klein.

(Zustimmung - Lachen - Zuruf: Uijuijui!)

Da er motiviert ist, versucht er es trotzdem. Seine Motivation kostet ihn das Leben.

(Zuruf)

Genau diese Szenerie bemängeln zwei Gutachten in Dessau. Das Fazit: Die Anlage funktioniert nur mäßig. Die Aussage des zuständigen Bauherrn, des Direktors des Landesamtes für Hochwasserschutz Burkhard Henning, „Mäßig ist besser als gar nicht“, ist bei Baukosten in Höhe von fast 8 Millionen € aus Steuergeldern erstens das Eingeständnis des Scheiterns und zweitens eine Frechheit gegenüber der Umwelt, den Tieren und dem deutschen Steuerzahler.

(Beifall)

Das Muldewehr in Dessau hat einen Eintrag ins Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler geschafft. Herzlichen Glückwunsch! Die Begründung des LHW dafür, dass bei der ersten Funktionskontrolle der Anlage ein einziger Lachs nachgewiesen wurde, lautete: Ursächlich verantwortlich dafür ist, dass am Elbewehr in Geesthacht die Lachswanderung unterbrochen ist. - Das erscheint ziemlich konstruiert.

Tatsächlich übernahm im Dezember der Bund die Fischtreppe Geesthacht Nord, die als ökologische Ausgleichsmaßnahme für das Kohlekraftwerk Moorburg von Vattenfall betrieben wurde und als größte Fischaufstiegsanlage Europas gilt. Aufgrund des Kohleausstiegs unterließ Vattenfall notwendige Sanierungen, die jetzt durchgeführt werden. Das Land Niedersachsen hat im Oktober zudem die Fischtreppe Geesthacht Süd wieder durchlässig gemacht. Diese wird zudem ausgebaut werden. Hinzu kommt, dass am Muldewehr laut Gutachten springende Fische gefilmt wurden, die offenbar den Einstieg des Fischaufstieges nicht fanden oder ihn einfach ignorierten.

Auch ein zweites Beispiel zeigt, dass enormer Forschungsbedarf an den Fischaufstiegen des Landes besteht. Eine Evaluierung der Fischauf- und  abstiege an Holtemme und Zillierbach im Bereich Wernigerode zeigten im Jahr 2017 auf, dass es 15 Jahre brauchte, um alle Querbauwerke ökologisch durchlässig zu gestalten.

Tatsächlich ließ sich die nun angenommene erhöhte Biodiversität nicht nachweisen, obwohl durch den Wildfischverein anhand von Markierungen die grundsätzliche Durchlässigkeit der Fischauf- und  abstiege bestätigt wurde.

Trotz methodischer Mängel bei diesen Befischungen wäre ein deutlicher Anstieg bei den Arten sowie bei der Menge und der Größe der abgefischten Tiere zu erwarten gewesen. Offenbar sind also weitere flankierende ökologische Maßnahmen notwendig, die für eine vielfältige Fischfauna entsprechend der Standortmöglichkeiten der Fließgewässer erforderlich sind. So fehlen vielerorts Kolke als Stand-, Ruhe- und Überwinterungsplätze für größere Laichfischarten, wie z. B. die Bachforelle. Das Fehlen von Uferbewuchs, der die Wassertemperatur im Sommer niedrig hält, kann die Sauerstoffstabilität gefährden. Bewachsene Ufer an Fließgewässern erschweren zudem den An- und Abflug für Kormorane.

Aus den von mir eben genannten Gründen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. - Danke schön.

(Beifall)