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Plenarsitzung

Transkript

Matthias Redlich (CDU):

Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schulsozialarbeit ist und bleibt in Sachsen-Anhalt ein festes Unterstützungsangebot an Schulen. Die Regierungskoalition übernimmt Verantwortung. Wir stehen für Schulsozialarbeit und werden diese weiter fördern. Wir erkennen auch die Leistungen der Schulsozialarbeiterinnen und der Schulsozialarbeiter an. Wir wissen, dass es um Menschen geht. Das ist aber nicht der Punkt dieser Debatte. Vielmehr geht es darum: Die Schulsozialarbeit ist ein Teil der Kinder- und Jugendhilfe und damit originäre Aufgabe der Kommunen.

Die von der EU und dem Land geförderte Schulsozialarbeit wurde in der vergangenen Legislaturperiode dessen ungeachtet von 200 auf 380 Stellen angehoben. Dadurch sichert das Land derzeit den größten Teil der vorhandenen Stellen in der Schulsozialarbeit.

(Zustimmung)

Wir als Koalition setzen uns auch weiter dafür ein, dass die bereits geförderten Schulsozialarbeiterstellen verstetigt werden. Genau das setzt auch das Bildungsministerium derzeit um, weder mehr noch weniger. Auf Landesebene waren es 380 Stellen und auf Landesebene sind es auch jetzt wieder 380 Stellen. Das Land hat sich in der letzten Legislaturperiode mit 20 % an den Kosten beteiligt und das Land beteiligt sich derzeit weiterhin mit 20 % an den Kosten. Das sind die nüchternen Fakten, die wir hier auf dem Tisch haben.

In dieser Aktuellen Debatte verfälscht deshalb schon der Titel „Erst tendenziell mehr und nun doch ganz sicher weniger Schulsozialarbeit - das Land zieht sich aus der Verantwortung“ aus meiner Sicht in unangemessener Weise die bestehende Sachlage. Das Land zieht sich eben nicht aus der Verantwortung.

(Zustimmung)

Das Land verstetigt das, was wir auch vorher schon geleistet haben. Wir müssen auch sehen, dass dies eigentlich ein Hauptteil einer kommunalen Aufgabe ist.

(Zuruf: Oh!)

Die anvisierte Förderpraxis der Schulsozialarbeit stellt auch nicht die Umsetzung des Landeskonzepts zur Multiprofessionalität an den Schulen in Sachsen-Anhalt infrage, wie Sie in der Begründung zu dem Antrag ausführen; denn das Leistungsangebot der über den ESF geförderten Schulsozialarbeit entspricht weiterhin genau den Fachempfehlungen des Konzepts. In dem Konzept wird auch eine Stellenanzahl genannt. Es sind 380 Stellen.

Schulsozialarbeit ist eine Unterstützungsleistung für Kinder und Jugendliche an den Schulen. Schulsozialarbeit ist aber auch ein Baustein, um unsere Lehrkräfte von unterrichtsfremden Tätigkeiten zu entlasten. Insofern - Herr Tillschneider, darin haben Sie nicht ganz recht - drückt der Begriff „Schulsozialarbeit“ genau das aus, was sie ist: soziale Arbeit an der Schule.

Schulsozialarbeit erfüllt damit aber auch wichtige Aufgaben, die sich nicht ausschließlich dem Landes- oder dem kommunalen Handlungsbereich zuordnen lassen. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir Schulsozialarbeit auch über das Land weiter fordern und fördern.

Wir müssen aber vielleicht auch noch einmal darüber nachdenken - das zeigt zumindest mir die Debatte -, welche Aufgaben und Ziele die Schulsozialarbeit hat und wie wir sie in Zukunft organisieren wollen.

Um die Rahmenbedingungen an unseren Schulen zu verbessern, setzen wir als Koalition auch auf pädagogische Mitarbeiter und auf den Ausbau des Modellprojekts der Schulverwaltungsassistenz. Diese sind im Übrigen auch ein wesentlicher Bestandteil der Studie der Otto-von-Guericke-Universität zur Vermeidung der hohen Quote von Schulabbrechern in Sachsen-Anhalt, wie Sie in der Begründung zu Ihrem Antrag ausführen. Entscheidend ist also nicht allein Schulsozialarbeit. Es gibt mehrere Faktoren. Auch das alles finanzieren wir als Land.

Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe existieren vor Ort sehr unterschiedliche Bedarfe. Auch in meinem Heimatwahlkreis haben bspw. Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung, häuslicher Gewalt und Inobhutnahmen extrem zugenommen. Ungeachtet der in meinem Wahlkreis und auch in meinem Landkreis sinkenden Schülerzahlen nehmen dadurch die Unterstützungsbedarfe an den Schulen zu. Zusätzlich zu den bereits geförderten Schulsozialarbeitern stemmt mein finanziell klammer Landkreis deshalb noch weitere 14,5 eigenfinanzierte Stellen der Schulsozialarbeit. Meine Kollegen wissen es - wir sind immer im Gespräch -: In einigen Landkreisen sieht es ähnlich aus. Sie haben ähnliche Probleme.

Auf der kommunalen Ebene existieren eigenfinanzierte Stellen, die rund 73 Vollbeschäftigungsäquivalenten entsprechen. Insbesondere deren Fortbestand - darin haben Sie recht - ist im Augenblick gefährdet. Das hat aber nichts damit zu tun, dass der Bedarf besteht. Das hat auch nichts damit zu tun, dass wir 80 % über die EU und das Land fördern. In meinem Heimatwahlkreis sind das vier bis acht der 14,5 möglichen Stellen. Das liegt auch nicht am fehlenden Engagement des Landes, sondern das liegt an dem Fakt - das wurde von Ihnen auch dargestellt -, dass in der aktuellen Förderperiode der Fördermittelzuschuss der EU um 20 % gesunken ist und damit nur noch 60 % zur Verfügung stehen. Die kommunale Ebene muss sich dadurch bei der gleichbleibenden Unterstützung des Landes - das muss man betonen - genau mit diesen 20 % beteiligen.

Herr Lippmann, Sie haben es gesagt: Diese Erkenntnis ist nicht neu und auch nicht überraschend. Die Träger brauchen Klarheit - natürlich. Wie unsere Ministerin Frau Feußner auch erklärte, wurde das schon seit dem Jahr 2018 kommuniziert, übrigens auch im Landeskonzept zur Multiprofessionalität an Schulen. Sie können das auf Seite 28 nachlesen.

Hinzu kommt, dass auch Eigenleistungen der Kommunen auf die verbleibenden 20 % angerechnet werden können. Unsere Ministerin hat dazu schon einiges erläutert. Wie die Kommunen die Eigenleistungen anrechnen lassen können, ist aus meiner Sicht   auch das muss man deutlich sagen   in den letzten Wochen zu wenig und missverständlich kommuniziert worden. Ein Eigenanteil hat immer auch einen disziplinierenden Effekt

(Zustimmung)

und lässt Zuwendungsempfänger stärker abwägen, ob und in welchem Umfang sie Leistungen brauchen. Herr Dr. Tillschneider, damit haben Sie recht. Der Bedarf für Schulsozialarbeit ist aber vorhanden. Das unterstreicht allein der Fakt, dass wir trotz der notwendigen Eigenleistungen im Augenblick weit mehr als 400 Anträge für die Mittel für die 380 zur Verfügung stehenden Stellen haben.

Frau Lüddemann, Sie haben das Problem genau beschrieben und auf den Punkt gebracht. Das Problem, das sich uns stellt, ist, dass viele Kommunen diesen Eigenanteil nicht im Haushalt eingeplant haben. Das ist das Problem.

Hinzu kommt, dass wir in der neuen Förderperiode auch noch bedarfsorientierter steuern müssen. Dadurch kommt es auf kommunaler Ebene zu einer anderen Verteilung der 380 geförderten Stellen für Schulsozialarbeiter.

(Unruhe)

- Könnten Sie ihr Gespräch beenden und mir zuhören? Ich habe es bei Ihnen auch immer gemacht. - Danke sehr.

Die Kommunen sind nur in sehr unterschiedlichem Maße in der Lage, dies abzufedern. Genau das gefährdet bei uns die Stellen an den Schulen, die gerade jetzt so wichtig sind. Trotz der 80-prozentigen Förderung der EU und des Landes und trotz unseres kontinuierlichen Engagements drohen gerade diese kommunal finanzierten Stellen für Schulsozialarbeit wegzufallen oder eben andere wichtige Leistungen zu deren Sicherung, die wir auch erbringen. Ich persönlich finde das sehr bedenklich.

Gerade in der Kinder- und Jugendarbeit darf eine angespannte Haushaltslage nicht dazu führen, dass die dringend notwendigen Aufgaben nicht erbracht werden können.

Dass das Land seine Stellen verstetigt, nützt den Menschen nichts, wenn die Leistungen vor Ort gekürzt werden. Ich verstehe dieses Argument. Für die Menschen vor Ort ist es wichtig, dass Leistungen erbracht werden. Dabei ist es egal, wer das Ganze finanziert.

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Einen Augenblick, bitte. - Könnten Sie das Gespräch, wenn Sie wirklich dringenden Gesprächsbedarf haben, vielleicht draußen führen? Das stört hier doch ziemlich und insbesondere auch den Redner.

(Zustimmung - Zuruf: Der Rest der Landesregierung ist sowieso nicht da! Er kann weiterreden! Was soll denn das?)

- Ich habe ja auch nicht die Landesregierung gemeint, sondern einen Fraktionsgeschäftsführer und einen Fraktionsvorsitzenden.

(Zuruf)

Herr Redlich, wollen Sie weitermachen?


Matthias Redlich (CDU):

Die Haushaltslage des Landes ist aber auch angespannt. Nach den Ergebnissen des Koalitionsausschusses der Bundesregierung, die wir in dieser Woche gehört haben, drohen unserem Land schon wieder weitere millionenschwere Mindereinnahmen. Wir müssen deshalb auch auf Landesebene stärker abwägen und priorisieren, welche Aufgaben wir überhaupt noch finanzieren können.

(Zustimmung)

Gleichwohl sehe ich persönlich bei der Schulsozialarbeit derzeit einen besonderen Bedarf und, Herr Tillschneider, auch einen besonderen Nutzen. Im Schnittstellenbereich zwischen Schülern, Eltern, Lehrkräften sowie Jugendämtern entlasten die Schulsozialarbeiter und auch die Netzwerkstellen unsere Lehrerinnen und Lehrer; denn in dieser coronabedingt schwierigen Phase brauchen unsere Schülerinnen und Schüler derzeit besondere Unterstützung. Das haben wir im Landtag auch schon an mehreren Stellen gemeinsam festgestellt.

Die Problematik der Finanzierung haben der Vorsitzende meiner AG   vielen Dank, lieber Carsten   und ich deshalb bereits explizit beim Ministerium, im Ausschuss für Bildung und in unserer Fraktion angesprochen. Die Sicherung der Schulsozialarbeit ist meinen CDU-Fraktionskollegen und mir sehr wichtig. Unsere Absicht ist es, die Schulsozialarbeit auf dem bisherigen Niveau weiterzuführen. Wir stehen zur Schulsozialarbeit

(Zustimmung)

und werden diese auch weiter fördern. Im Zuge der Haushaltsverhandlungen wollen wir das Thema der Finanzierungsmodalitäten der Schulsozialarbeit deshalb noch einmal aufgreifen. - Sie wissen es, Herr Lippmann, wir haben im Ausschuss für Bildung bereits beschlossen, dass wir das Thema im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung erneut aufrufen werden.

Wir sind uns darin einig, dass Schulsozialarbeit   das habe ich der Debatte entnommen   fester Bestandteil der Schullandschaft in Sachsen-Anhalt bleiben soll. - Vielen Dank.

(Beifall)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Redlich. Genau auf den Punkt trotz diverser Unterbrechungen. Es gibt zwei Nachfragen, einmal von Frau Hohmann und einmal von Herrn Dr. Tillschneider. Wollen Sie sie beantworten?


Matthias Redlich (CDU):

Ich höre sie mir an. Vielleicht kann ich sie beantworten, vielleicht auch nicht. Das werden wir sehen.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Ja. - Frau Hohmann, bitte.


Monika Hohmann (DIE LINKE):

Recht schönen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Frage ist wirklich ganz kurz. Wir haben derzeit in Sachsen-Anhalt ca. 460 Schutzsozialarbeiterinnen und werden perspektivisch nur noch 380 haben. Sie sprachen davon, dass wir die Anzahl beibehalten, aber wenn ich von 460 auf 380 reduziere, dann sind es doch weniger. Oder?


Matthias Redlich (CDU):

Sehen Sie, darin liegt schon das Problem. Wir haben gesagt, auf Landesebene verstetigen wir es. Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie es auch verstanden. Wir haben 380, die wir über die Landes- und EU-Mittel finanzieren.

(Zuruf: Genau!)

Diese 380 haben wir weiterhin.

(Beifall)

Sie sprachen gerade davon, dass wir mehr als 400 hätten und auf 380 heruntergingen. - Nein, das wird nicht der Fall sein. Zum Beispiel mein Landkreis Mansfeld-Südharz hat 14,5 Stellen. Er wird die Zahl eventuell reduzieren müssen, aber nicht auf null. Das heißt, er wird weiterhin Stellen haben. Das heißt, auch dort, auf kommunaler Ebene, wird es weiter Stellen geben, die zusätzlich finanziert werden.

(Monika Hohmann, DIE LINKE: Wollen wir es hoffen!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank. - Herr Dr. Tillschneider, bitte.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Unser Hauptkritikpunkt beim Thema Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt ist, dass mit dem Programm „Schulerfolg sichern“ seit dem Jahr 2008 Stellen für Schulsozialarbeiter finanziert werden, es aber keine Wirkung hat, also die Schulabbrecherquote dadurch nicht messbar sinkt. Meine Frage lautet: Ist Ihnen irgendeine Studie bekannt, irgendeine Evaluationsstudie, irgendein Versuch, um diese gefühlte Wirkung von Schulsozialarbeit festzumachen und festzustellen, woran sich ganz klar zeigt, vorher war es so, nachher war es so und nachher war es besser wegen Schulsozialarbeit? Gibt es irgendetwas, das Sie mir sozusagen an Evidenz unterbreiten können, oder gibt es nichts?


Matthias Redlich (CDU):

Vielen Dank, Herr Dr. Tillschneider. - Ich habe bei dem Thema schon einmal erwähnt, ich habe damals an der Universität Leipzig ein Forschungsprojekt zur Wirkung von Schulsozialarbeit begleitet. Ja, Sie haben recht, es ist schwierig, die harten Fakten zu messen. Sie haben auch vorhin auf die Abbrecherquote abgestellt. Wenn Sie sich die Abbrecherquote ansehen, dann stellen Sie keine Verbesserung fest, weil wir weiter zwischen 9 % und 11 % schwanken. Schulsozialarbeit hat aber nicht nur diese Aufgabe, das Programm zur Schulsozialarbeit hat auch andere Ziele. Deswegen habe ich auch erwähnt   wir müssen vielleicht noch einmal über die Ziele reden  , was man messen kann.

Ich habe mir die Zahlen angesehen, nicht nur, wie sich die Abbrecherquote entwickelt hat, sondern auch, wie sich die Anzahl der Abschlüsse entwickelt hat.

(Zustimmung)

Wir können feststellen, dass wir 10 % weniger Personen haben, die einen Hauptschulabschluss machen, und dafür 10 % mehr, die einen Realschulabschluss machen. Das kann ja auch ein Effekt von Schulsozialarbeit gewesen sein, weil sie die Kinder dazu motiviert hat, zu lernen, und weil sie sie im sozialen Umfeld unterstützt hat.

(Zustimmung)

Sie haben natürlich recht, wir müssen forschen. Es gibt Forschungsprojekte. Sie sind aber langfristig angelegt, weil man das nicht kurzfristig machen kann. Es gibt auch sehr viele qualitative Aspekte. Es wurde hier auch schon gesagt, dass wir sehr viele Lehrerinnen und Lehrer haben, die davon profitieren, dass Konflikte besser gelöst werden. Gerade in dem Bereich gibt es eine Evidenz dafür, dass wir weniger Probleme an Schulen haben, an denen Schulsozialarbeit geleistet wird.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Redlich. Wir sind damit am Ende der Rednerliste angelangt

(Zustimmung)

und damit zugleich auch am Ende dieser Aktuellen Debatte. Damit ist Tagesordnungspunkt 6 abgeschlossen.