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Plenarsitzung

Transkript

Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie mir die Gelegenheit geben, noch einmal die Position der Landesregierung zu wichtigen Fragen der Schulsozialarbeit im Zusammenhang mit der in Kürze folgenden Debatte zum Haushaltsplanentwurf 2022 zu erläutern.

Wir haben hier im Hohen Haus schon oft und im Bildungsausschuss regelmäßig über die Situation gesprochen. Aber ich möchte dazu gern noch einmal hier vortragen. Dass sich das Land aus seiner Verantwortung zieht, kann man bei einem bundesweiten Spitzenplatz bei der Finanzierung von Schulsozialarbeit nur schwer vermuten.

(Zustimmung - Zuruf: Oh, bitte!)

Sachsen-Anhalt ist im Vergleich mit allen anderen Bundesländern das einzige Bundesland, das so viel Geld aus dem Landeshaushalt für Schulsozialarbeit in die Hand nimmt.

(Zustimmung - Zuruf: Einschließlich Thüringen! - Weiterer Zuruf)

Nicht einmal Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern wenden Mittel in der Höhe wie Sachsen-Anhalt auf. In Mecklenburg-Vorpommern müssen sich die Kommunen als Zuwendungsempfänger zu 50 % an der Förderung der Schulsozialarbeit beteiligen.

(Zuruf: Und das ist schlecht! - Weiterer Zuruf)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns im Bildungsausschuss regelmäßig und sehr detailliert über die Rahmenbedingungen der neuen Förderperiode ausgetauscht. Sicherlich ist mehr Geld   das sage ich unverhohlen   immer besser. Aber der Blick in das eigene Portmonee des Landes beantwortet auch Fragen.

(Zuruf)

Es gibt Fraktionen, die denken, das Geld des Landes oder des Bundes ist unendlich. Sie machen sich keine Gedanken über Verschuldung usw. Ich glaube, die Koalitionsfraktionen sehen das im Wesentlichen ganz anders und denken auch an die zukünftigen Generationen.

(Zurufe: Ja! Genau! - Zustimmung - Weitere Zurufe)

Genau denen wollen wir die Schulden nämlich nicht überlassen. Wie gesagt: Geld auszugeben, ist immer gut.

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Das macht ihr ja gerade nicht! Ihr ruiniert die Bildung! Das ist die Zukunft!)

Aber die zukünftigen Generationen müssen dann die Schulden begleichen, die wir heute machen.

Nachdem klar war, dass ein Programm zur Schulsozialarbeit nicht allein aus Landesmitteln zu stemmen ist, war die Landesregierung gefordert zu prüfen, ob eine Weiterfinanzierung über 20 % hinaus möglich ist. Das Ergebnis der Prüfung ist Ihnen bekannt.

Bereits am 18. Februar 2020 hat die Landesregierung beschlossen, dass die Finanzierungsbeteiligung des Landes nicht erhöht werden kann und der Fehlbetrag von den Kommunen aufzubringen ist. Der Landesregierung ist durchaus bewusst, dass insbesondere finanzschwache Kommunen Probleme bekommen könnten. Um jedoch so gut wie möglich für die kommende EU-Förderperiode Abhilfe zu schaffen, haben wir Möglichkeiten entwickelt, damit die Kommunen ihre Finanzierungsbeteiligung leisten können.

In § 31 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt sind Landesmittel unter anderem für die Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit   mithin schon immer auch in Form von Schulsozialarbeit   gesetzlich festgeschrieben worden. Sie werden den Kommunen für die Wahrnehmung der Aufgaben gemäß den §§ 11 bis 14 SGB VIII im eigenen Wirkungskreis zugewiesen.

(Zuruf)

Zudem erfolgen auf der Grundlage des § 9 FAG besondere Ergänzungszuweisungen für die Wahrnehmung von Aufgaben nach dem SGB VIII. Das FAG steht ausdrücklich nicht unter Haushaltsvorbehalt, sodass die Zahlungen sichergestellt sind. Im Einzelfall können ebenfalls nach § 17 FAG Mittel subsidiär zur Milderung oder zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen und Notlagen im Haushalt der Kommune gewährt werden.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Feußner, einen Augenblick bitte. - Wir haben eine Verabredung getroffen: Im Plenum sind keine parlamentsfremden Personen gestattet. - Bitte.

(Wulf Gallert, DIE LINKE und Eva von Angern, DIE LINKE: Das ist Herr S.!)

- Herr S. ist auch parlamentsfremd. Oder sehe ich das falsch?

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Nein, Herr S. ist Abteilungsleiter! - Weitere Zurufe)

- Er sitzt hinter mir, aber nicht unten im Plenum.

(Zurufe)

- Im Plenum sollen sich keine Nichtparlamentarier aufhalten; das wissen wir doch. - Frau Feußner, bitte.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Danke. - Diese Mittel stehen der Not leidenden Kommune im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung frei und nicht zweckgebunden zur Verfügung. Hierfür wird jedoch immer die gesamte Haushaltssituation der jeweiligen Kommune betrachtet; das wissen Sie selbst. Festhalten möchte ich deshalb noch einmal, dass die Kommunen über verschiedene Möglichkeiten einer Kofinanzierung für das ESF-Plus-Programm verfügen.

Dennoch ist nicht auszuschließen, dass es im Gesamtgefüge des kommunalen Haushaltes Konkurrenzen zu anderen zielgruppenspezifischen, infrastrukturellen und sozialen Vorhaben und Maßnahmen geben wird. Diese Problematik besteht jedoch nicht erst mit der Veröffentlichung der Ausschreibung für die kommende EU-Förderperiode. Bereits seit 2018 hat das Bildungsministerium auf eine erforderliche kommunale Mitfinanzierung hingewiesen, um den Kommunen eine frühzeitige Reaktion zu ermöglichen.

(Zuruf: Na das hat ja geholfen!)

Für den von Ihnen erwähnten Ausbau der Schulsozialarbeit war die Frage zu beantworten, ob ein wünschenswertes Mehr zu finanzieren ist. Natürlich waren angesichts der pandemiebedingten Herausforderungen Schwerpunkte zu setzen. Diese bleiben aber selbstverständlich der Debatte zum Haushaltsgesetz vorbehalten.

(Zuruf: Genau!)

Auf jeden Fall   das habe ich schon oft und zuletzt im Dezember hier im Hohen Haus wiederholt   sieht der Koalitionsvertrag eine Verstetigung der Schulsozialarbeit vor. Dies ist mit der Fortschreibung von den 380 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern im ESF-Plus-Programm „Schulerfolg sichern“ weiterhin untersetzt. An der Gesamtfinanzierung und der Finanzierungsbeteiligung durch die öffentlichen Jugendhilfeträger hat sich nichts geändert.

Da immer wieder die finanzielle Lage der Kommunen angesprochen wird, will ich an dieser Stelle nur noch einmal sagen: Sie wissen, dass ein Ausbau der Schulsozialarbeit sowohl den Haushalt der Kommunen als auch des Landes erheblich belasten würde. Es trifft beide gleichermaßen. Selbst bei einer Ausweitung der Schulsozialarbeit würden wir uns hier in einer ähnlichen Debatte wiederfinden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über die jeweiligen Zuständigkeiten und Aufgaben in der Schulsozialarbeit führen wir hier doch schon sehr lange. Multiprofessionalität an Schulen definiert sich nicht über den Einsatz von Schulsozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern. Gemäß § 1 Abs. 4b des Schulgesetzes ergänzt die Schulsozialarbeit den schulischen Alltag. Es handelt sich nicht um Lehrkräfte, Herr Lippmann. Man kann sie nicht als Lehrkräfte im Schuldienst einsetzen.

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Das habe ich auch nicht gesagt! Sie sollen Sie bezahlen aus dem Fonds, nicht einsetzen! - Weitere Zurufe)

Sie verkennen vollkommen die Lage. Ich erinnere an das vom Bildungsausschuss bestätigte Konzept

(Zurufe - Unruhe)

- ach, eine Aufregung; Schulsozialarbeiter sind keine Lehrkräfte -

(Zuruf: Das sagt doch auch keiner! - Weitere Zurufe!)

zur Multiprofessionalität an Schulen, das eine Vielzahl von Akteuren und deren Zusammenarbeit beschreibt. Schulsozialarbeiter stellen dabei nur einen sehr kleinen Teil dar. Dieses Konzept und somit die multiprofessionellen Teams an Schulen nunmehr mit der Fortschreibung der aus EU-Mitteln finanzierten 380 Schulsozialarbeiter infrage zu stellen, ist eine Ohrfeige für die anderen Akteure dieses Teams.

Noch einmal: Schulsozialarbeit ist ein Baustein,   e i n   Baustein zur Sicherung des Schulerfolgs. Hauptakteure waren und bleiben immer die Lehrkräfte. Eine Studie von der Otto-von-Guericke-Universität über die Vermeidung der hohen Quote von Schulabbrechern stellt dies auch ganz deutlich heraus. Die Unterrichtsqualität und   bitte hören Sie genau zu, liebe Fraktion DIE LINKE   eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung werden in der Studie als die wesentlichen Einflussfaktoren auf schulischen Absentismus definiert.

(Zustimmung)

Liebe Anwesende! In Vorbereitung auf die heutige Debatte habe ich mir die Niederschrift über das im Bildungsausschuss am 12. Januar 2018 geführte Fachgespräch zur Schulsozialarbeit noch einmal angesehen. Folgende Sachverhalte wurden von den Angehörten unter anderem dargestellt   jetzt hören Sie genau zu  : Die Schulsozialarbeit ist ein ergänzendes Angebot im System Schule und kann die Verantwortung für den Bildungserfolg nicht übernehmen. - Das haben sie selbst so gesagt.

Die Schulsozialarbeit nimmt eine Vermittlungs- und Scharnierfunktion zwischen Schule und Jugendhilfe ein und ist eine originäre Aufgabe der Jugendhilfe. Resümierend kann ich feststellen: Ohne eine Mitfinanzierung der öffentlichen Jugendhilfeträger wird Schulsozialarbeit als Teilmenge der Jugendsozialarbeit zukünftig auch nicht funktionieren können. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Feußner. - Es gibt viele Anmeldungen für Fragen: von Frau Lüddemann, Frau von Angern und Frau Anger. Herr Lippmann ist für eine Intervention aufgestanden. Zum Schluss spricht noch Herr Lange. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir jetzt keine Debatte zwischen der Ministerin und der Fraktion DIE LINKE führen können und wollen. Die Fragestellenden haben sich gemeldet, sie mögen sich aber bitte auf eine Frage konzentrieren, insbesondere wenn es mehrere Fragen aus ein- und derselben Fraktion gibt.- Frau Lüddemann, bitte.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ich gehöre Gott sei Dank einer anderen Fraktion an. Insofern kann ich jetzt in Ruhe fragen.

(Lachen)

Ich habe konkrete Fragen an Sie, Frau Ministerin. Geben Sie mir darin recht, dass wir ab dem Jahr 2020 und   wie Sie gesagt haben   auch schon zuvor über eine mögliche Beteiligung von Kommunen an der Schulsozialarbeit gesprochen haben, aber immer abstrakt? Geben Sie mir darin recht, dass das tatsächlich erst mit Ihrer unangekündigten Änderung der Förderrichtlinie zum letzten Jahreswechsel manifest wurde, sodass die Kommunen davon unvorbereitet getroffen wurden?

Eine andere Frage lautet: Geben Sie mir darin recht, dass es etwas billig ist, sich angesichts von Mehreinnahmen in Höhe von 1,5 Milliarden € jetzt hier hinzustellen und zu sagen, wir könnten den Eigenanteil, den die Kommunen jetzt tragen müssen, nicht selbst weiter finanzieren?

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Feußner, bitte.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ich bin der Meinung, nein, ich weiß ganz genau, dass es nicht nur eine abstrakte Diskussion war. Über die Beteiligung haben wir schon sehr, sehr lange gesprochen; das stimmt. Die 20 % waren von Anfang an im Gespräch. Die Kommunen wussten Bescheid.

(Zuruf: Toll! Ganz toll! - Zuruf: Das bringt doch nix!)

Wenn die Kommunen jetzt sagen, sie hätten das nicht gewusst, dann stimmt das nicht. Ich habe es soeben noch einmal vorgetragen. Sie wurden seit 2018 informiert. Noch einmal: Im Jahr 2020 wussten sie genau, dass es sich um 20 % handelt.

(Zuruf: Ganz super!)

Ich kann das also nur negieren. Es war nicht abstrakt.

(Zuruf: Außerdem gibt es nicht einmal eine Richtlinie dazu!)

Zu den Eigenmitteln. Wenn Sie als Parlament zu der Finanzierung in der Lage sind, dann bin ich die Letzte, die dagegen ist. Ich bin es nicht. Wenn Sie Parlamentarier als Haushaltsgesetzgeber das Geld finden und einen entsprechenden Beschluss fassen - bitte schön. Im Gegenteil: Ich würde mich darüber freuen.

(Zustimmung - Zuruf: Ach ja?)

Den Auftrag gebe ich an Sie weiter.

(Zuruf: Ach ja?)

Sie sind der Haushaltsgesetzgeber. Dann werden wir schauen, was wir gemeinsam hinbekommen.

(Zuruf: Ich frage mich, was Sie in der Regierung machen! - Lachen)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau von Angern hat eine Frage.


Eva von Angern (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Anger und ich haben uns darauf verständigt, dass ich sozusagen die Fragestellerin der Fraktion DIE LINKE bin. Deswegen erlaube ich mir, zwei Fragen zu stellen.

Frau Ministerin, ich hätte es nicht gedacht, aber vielleicht habe ich Sie falsch verstanden. Ich habe das Gefühl, wir sind im Landtag von Sachsen-Anhalt wieder an einem Punkt angelangt, an dem wir die Schulsozialarbeit dem Grunde nach wieder im System verteidigen müssen. Aber Sie können das gern klarstellen, indem Sie bitte meine Fragen beantworten.

Teilen Sie meine Auffassung, dass Schulsozialarbeit nicht nur irgendein Baustein an den Schulen in Sachsen-Anhalt ist, sondern einer der entscheidenden Bausteine bei der Bewältigung der kleinen und großen Probleme, die die Schülerinnen und Schüler in Sachsen-Anhalt nicht nur der Schule, sondern auch im häuslichen Umfeld und im weitesten Sinne haben?

Zu der zweiten Frage. Sie haben Bezug genommen auf die Haushaltssituation in den Kommunen, auf § 31 AG KJHG und die jetzt schon bestehenden Möglichkeiten sowie Ermessensspielräume.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ja.


Eva von Angern (DIE LINKE):

Welche Empfehlung geben Sie den Kommunen in dem Wissen, dass sie keinen Cent mehr in diesem Topf haben werden, wo gestrichen werden soll, um die Schulsozialarbeit, die in den Kommunen schon jetzt stattfindet, zu finanzieren?

(Zuruf: Das ist ihr doch egal!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Feußner, bitte.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ich beginne mit Ihren letzten Fragen. Ich gebe den Kommunen gar keine Empfehlung, weil es eine Entscheidung der kommunalen Ebene ist.

(Zustimmung - Zurufe)

Ich schreibe einer Kommune nicht vor, wie sie ihre Prioritäten zu setzen hat. Auch wir als Land müssen selbst Prioritäten festlegen und lassen uns nicht von irgendjemandem vorschreiben, wie sie zu setzen sind.

Das fällt unter die kommunale Selbstverwaltung, da mische ich mich nicht ein. Egal welche Empfehlung ich jetzt geben würde, Sie würden das an der einen Stelle oder anderen Stelle sowohl in der einen als auch in der anderen Richtung ohnehin kritisieren.

(Zuruf)

Ich gebe diesbezüglich keine Empfehlung, weil die Kommunen darüber auch selbst entscheiden.

Zweitens. Natürlich ist die Schulsozialarbeit ein entscheidender Baustein der Jugendhilfe. Eigentlich müsste es heißen: Sozialarbeit an der Schule. Das hat mit Schule nicht wirklich richtig etwas zu tun. Warum?

(Eva von Angern, DIE LINKE: Aber die Lehrerinnen und Lehrer sehen das doch inzwischen ganz anders! Das ist ein absolut akzeptiertes Modell, ein wichtiges Thema an den Schulen! -Zurufe: Jetzt ist es doch mal gut, Frau von Angern! - Eine Frage! - Eva von Angern, DIE LINKE: Nicht weil die Lehrerinnen sagen, es ist    )


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Bitte, Frau von Angern, Frau Feußner hat das Wort, nicht Sie.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Wir sind doch im Parlament!)

- Ja, aber es gibt kein Zwiegespräch, sondern es ist eine Debatte, und dazu noch eine Aktuelle Debatte.

(Zustimmung)


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ich wiederhole mich gern. Eigentlich müsste es heißen: Sozialarbeit an der Schule.

(Zustimmung)

Warum? - Weil wir dort die Jugendlichen, also die Schülerinnen und Schüler, konzentriert an einem Ort finden   ich sage jetzt bewusst nicht „an dem Ort Schule“  , weil wir sie dort gut greifen können. Das hat nichts damit zu tun, dass Schulsozialarbeiter sozusagen ein Teil der Schule sind. Das sind ja auch nicht unsere Mitarbeiter. Das sind nicht die Mitarbeiter der Schule oder des Bildungsministeriums, sondern der entsprechenden Träger, die sich um die Jugendhilfearbeit kümmern. Das wird immer ein bisschen verkannt.

Mittlerweile wird alles miteinander vermischt. So wie ich Herrn Lippmann verstanden habe, könnten sie auch gleich noch ein bisschen Unterricht machen.

(Zurufe)

Das ist nicht deren Aufgabe. Die sind vollkommen separiert; sie haben sich um die Sozialarbeit zu kümmern und nicht um die schulischen Belange an sich. Deshalb muss man das strikt trennen. Deshalb steht die Schulsozialarbeit auch im SGB VIII als Auftrag der Jugendhilfe; das ist kein Auftrag der Schule. Diese klare Trennung müssen wir auch immer im Hinterkopf behalten. Mittlerweile   das nehme ich Ihnen natürlich ab   sagen Lehrer: Das ist ja wunderschön, dass wir Schulsozialarbeiter haben; dann brauche ich mich nicht mehr um die Elternarbeit zu kümmern, das macht jetzt unsere Schulsozialarbeiterin. - Nein, das ist eine ureigene Aufgabe der Lehrkräfte.

Wenn es riesige Probleme gibt, dann kommt die Schulsozialarbeit zum Tragen, nämlich über die Jugendhilfe - deshalb die Verknüpfung zu den Kommunen. Doch hier wird alles in einen Topf geworfen.

Ich bin dafür, dass wir solche Kräfte brauchen, weil wir viele Probleme im häuslichen Umfeld haben. Aber betreiben Sie, bitte schön, auch einmal Ursachenforschung, fragen Sie nach, woher die Probleme kommen. Wir sollten nicht nur immer Geld darauf tun und die Probleme zuschütten, sondern wir sollten auch Ursachenforschung betreiben und fragen, was wir an der Stelle anders machen könne. Dabei sind wir alle gemeinsam gefordert, auch einmal zu gucken, warum wir zunehmend Elternhäuser mit Problemen haben usw.

(Zuruf)

Darauf will ich jetzt gar nicht näher eingehen.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Jetzt Herr Lippmann, bitte.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Vielen Dank. - Sehen Sie, Frau Feußner, deswegen stehe ich für eine Kurzintervention hier. Ich stehe zum einen hier, um die letzte Aussage zurückzuweisen. Der Einsatz von Mitteln für die Schulsozialarbeit bedeutet nicht, dass wir Probleme mit Geld zuschütten, sondern dass wir die Arbeit der Lehrkräfte mit einem multiprofessionellen Team, zu dem eigentlich auch noch andere gehören,


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Genau.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

wie wir das aus skandinavischen Ländern kennen, unterstützen und eine gemeinsame pädagogische Erziehungs- und Bildungsarbeit leisten.

Sie können davon ausgehen, dass wir bei der LINKEN ein sehr präzises Verständnis von Schulsozialarbeit haben. Deswegen können wir und auch ich nicht gesagt haben, dass die Kolleginnen und Kollegen Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter als Lehrkräfte und für den Unterricht eingesetzt werden sollen.

Vielmehr habe ich erstens darauf hingewiesen, dass, weil wir keine Lehrkräfte haben, Personalmittel in erheblicher Höhe übrig geblieben sind. Zweitens habe ich gesagt, dass wir, wenn wir die Kinder und Jugendlichen in den Schulen haben, geeignete Personen   das sind im Kern natürlich Lehrkräfte, aber auch andere   in die Schulen bringen müssen, damit in den Schulen mit den Kindern und Jugendlichen etwas Vernünftiges passiert, wenn wir eine Schulpflicht haben.

Wenn ich das richtig wahrgenommen habe, dann gibt es auch in der Koalition diese Intention. Bei der CDU und bei der SPD gibt es dafür einzelne Signale. Nehmen Sie also diese Mittel und erweitern Sie das Programm für die Schulsozialarbeit, und zwar so, dass sie Schulsozialarbeit machen, und nicht die Aufgaben der Lehrkräfte. Das haben wir nicht gemeint und das habe ich auch nicht gesagt.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Feußner, wollen Sie reagieren?


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ja. - Dazu kann ich nur sagen, ich nehme das zur Kenntnis, Herr Lippmann.

(Zuruf: Ja!)

Aber indirekt haben Sie sich schon so ausgedrückt. Dann habe ich das vielleicht falsch verstanden.

(Zuruf)

Wenn es um die Finanzierung geht, dann sage ich Ihnen Folgendes: Wer was finanziert, ist die eine Geschichte. Aber wir können trotzdem die Kommunen nicht aus der Verantwortung nehmen, weil das eine ureigene Aufgabe der Jugendhilfe ist, und nicht der Schule.

(Zustimmung)

Das will ich hier noch einmal klar und deutlich sagen.