Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 6

Aktuelle Debatte

Erst tendenziell mehr und nun doch ganz sicher weniger Schulsozialarbeit - das Land zieht sich aus der Verantwortung

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/763


Wir haben eine Redezeit von zehn Minuten vereinbart. Ebenfalls gilt das für die Landesregierung. Zunächst wird die Antragstellerin in Gestalt von Herrn Lippmann diesen Antrag einbringen. - Herr Lippmann, Sie haben das Wort.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit mehr als nunmehr zehn Jahren haben die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in unseren Schulen, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den regionalen Netzwerkstellen und in der landesweiten Koordinierungsstelle im ESF-Projekt „Schulerfolg sichern“ das Feld der Schulsozialarbeit für Sachsen-Anhalt vorbildlich bestellt.

(Zustimmung)

Für die damit mit Engagement, mit Ideenreichtum und Herzblut geleistete vielfältige und wertvolle Unterstützung für die Kinder und Jugendlichen möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten ganz herzlich bedanken.

(Beifall)

Nach fast 120 000 Unterschriften, die das Bündnis Schulsozialarbeit im Frühjahr 2019 an den Bildungsminister übergeben hat, nach 75 000 Unterschriften für das Volksbegehren „Den Mangel beenden“, nach immer neuen Petitionen von Eltern und Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern, nach dem gewachsenen Engagement in den Landkreisen und kreisfreien Städten bedarf es keiner langen Ausführungen mehr, welchen unverzichtbaren Beitrag die Schulsozialarbeit für die Arbeit in unseren Schulen und die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen leistet.

Aufgrund der durchweg positiven Erfahrungen aus dem Projekt „Schulerfolg sichern“ wurde die Schulsozialarbeit von uns inzwischen auch im Schulgesetz als Pflichtaufgabe in den Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen aufgenommen.

„Schulerfolg sichern“ zeigt, dass wir mit guten Partnern und guten Leuten vor Ort tragfähige Konzepte entwickeln und auch umsetzen können, die dem Land wirklich helfen und die auch bundesweit Beachtung finden.

Doch wir können das immer nur mit fremdem Geld. Das Ende der Förderung bedeutet fast immer auch das Ende der Projekte. Immer wieder lässt die Landesregierung gute Entwicklungen den Bach heruntergehen, wenn es das Geld des Landes kostet. So geschehen jetzt auch wieder mit der Schulsozialarbeit.

Es war leider schon vor Jahren absehbar, dass CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Keniakoalition nicht die Mittel im Landeshaushalt bereitstellen werden, um die Schulsozialarbeit als originäre Aufgabe des Landes zu finanzieren, sondern weiter nur nach den EU-Fördertöpfen schielten.

Mit der alleinigen Fokussierung auf eine weitere EU-Finanzierung war aber auch absehbar, dass es keine Kontinuität, keinen bedarfsgerechten Ausbau und keine gesicherte Perspektive für die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter und die Träger geben würde.

Deshalb haben wir schon lange vor dem Ende der letzten Förderperiode die parlamentarische Diskussion eröffnet und fünf Jahre lang intensiv darüber debattiert. Mit unseren Anträgen vom September 2016 und dann noch einmal vom September 2017 haben wir darauf gedrängt, den Übergang von der EU-Förderung zu einer Landesaufgabe, langfristig in Angriff zu nehmen.

Auch das vom Landtag verabschiedete Konzept zur Multiprofessionalität, indem die Schulsozialarbeit ausdrücklich ihren Platz hat, haben wir beschlossen. Doch offenbar ist es nichts wert. Auf seiner Grundlage wurde aber in Aussicht gestellt, dass die Zahl der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter mit dem neuen ESF-Programm um fast 200 deutlich erhöht werden sollte. Doch das Geld soll jetzt offenbar für andere Projekte eingesetzt werden, die der Landesregierung wichtiger sind als der Ausbau der Schulsozialarbeit.

Was wir uns aber noch bis zum Ende des letzten Jahres nicht vorstellen konnten, das war ein Abbau der Schulsozialarbeit. Doch inzwischen ist klar, dass sich das Land soweit aus der Verantwortung stehlen will, dass fast alle gewachsenen Verbindungen infrage gestellt werden und kaum ein Stein auf dem anderen bleibt.

Wir stehen vor dem Scherbenhaufen einer Politik, die immer nur eines kann: kein Geld ausgeben. Wir brauchen aber dringend bessere Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Doch gerade hier hält der Finanzminister immer wieder die Taschen zu und zahlt lieber hundert Millionen für die Tilgung von Krediten oder in Fonds. Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss ein Ende haben.

(Zustimmung)

Wegen der Sünden in der Lehramtsausbildung, die bis heute anhalten, werden für die Schulen noch bis weit über das Jahr 2030 hinaus viel zu wenige Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Allein im letzten Jahr sind aus dem Personalkostenbudget für die Schulen mehr als 90 Millionen € nicht eingesetzt worden. Das Geld ist also da, um es jetzt zumindest in die Schulsozialarbeit zu stecken,

(Ministerin Eva Feußner: Das sind keine Lehrer!)

diese vernünftig zu finanzieren und auch auszuweiten.

In unserem Montagsgespräch zur Schulsozialarbeit und darüber hinaus in unzähligen Mails, Briefen, Positionspapieren und Gesprächen wurden und werden Enttäuschung, Verunsicherung und Frust bei Eltern, bei Trägern, in Kommunalparlamenten und bei den Kindern und Jugendlichen überdeutlich.

Schauen Sie in die Presse und in die Petitionen, dann wissen Sie, was es für Schulen bedeutet, wenn die Lehrkräfteversorgung zusammenbricht und ihnen dann auch noch die Schulsozialarbeit entzogen wird. Schauen Sie in die Berichte von unseren gut qualifizierten Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern, die jetzt schon seit mehr als zehn Jahren von prekärer Beschäftigung leben müssen. Machen Sie sich klar, was es für Kinder und Jugendliche bedeutet, nach zwei Jahren Pandemiebelastungen und massiven Unterrichtsausfall jetzt auch noch die Unterstützung durch ihre gewohnten Bezugspersonen in der Schulsozialarbeit zu verlieren.

(Zustimmung)

Wir werden deshalb weiter intensiv darauf drängen, dass im Sinne unserer Anträge aus der letzten Wahlperiode in den kommenden Haushalten ab dem Jahr 2023 die Voraussetzungen für ein eigenes Landesprogramm „Schulsozialarbeit“ geschaffen werden. Damit soll das ESF-Projekt ergänzt und am Ende der jetzigen Förderperiode letztlich abgelöst werden. Denn noch ein weiteres Mal darf es eine solche Hängepartie und einen solchen verlustreichen Übergang nicht geben.

(Zustimmung)

Das ist unzumutbar für die Kinder und Jugendlichen. Das ist unzumutbar für die Träger und für die Kommunen. Und es ist unzumutbar für alle Beschäftigten. Ihre wertvolle Arbeit für die Bildung und Erziehung, ihr Engagement für die Probleme und Sorgen der Kinder, Jugendlichen und ihrer Eltern, ihre Unterstützung für die Lehrkräfte, verdienen wirklich mehr, als das Hangeln von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten.

(Zustimmung)

Wir fordern die Koalition auf, hier und heute ein klares Bekenntnis abzugeben, bis zum Ende der Wahlperiode, die Schulsozialarbeit in allen Schulen des Landes bedarfsgerecht sicherzustellen und dafür die notwendigen Mittel im Landeshaushalt endlich bereitzustellen.

(Zustimmung)

Was Sie jetzt kurzfristig mindestens tun müssen, um den größten Schaden zu vermeiden und zumindest die bisherige Substanz zu retten, das ist eine echte Anrechnung des Engagements in den Kommunen. Das bedeutet, dass die Landkreise und kreisfreien Städte mindestens in dem Maße von der im neuen ESF-Programm verlangten Mitfinanzierung entlastet werden, in dem sie nachweislich eigene Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter zusätzlich in ihren Schulen einsetzen.

Die Entlastung der Kommunen muss dabei sowohl die Einsatzstellen in den Schulen als auch eine Mitfinanzierung aus Landesmitteln für die regionalen Netzwerkstellen umfassen. Das würde am Ende dazu führen, dass bereits bestehende Angebote und Strukturen in der Regel nicht reduziert oder sogar ganz abgebaut werden. Im Gegenteil, durch ein solches Anreizsystem könnte das Engagement in den Kommunen vielleicht sogar gesteigert und die Schulsozialarbeit tatsächlich ausgeweitet werden.

(Zustimmung)

Wie so oft in unserem Land, wurde die neue Förderung auch wieder viel zu spät und viel zu holprig auf den Weg gebracht. Deshalb müssen Sie sich jetzt wirklich ranhalten mit der Bescheidung der Anträge, damit nicht noch die letzten Eulen verflogen sind. Versprechen Sie nicht nur, sondern tun Sie etwas. Sie können es nicht so laufen lassen, wie es jetzt läuft, denn es läuft schlecht. - Vielen Dank.

(Beifall)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Lippmann. - Frau Dr. Schneider, Sie haben eine Zwischenintervention?


Dr. Anja Schneider (CDU):

Ja. - Zum Ersten möchte ich mich als Mitglied der CDU-Fraktion dagegen verwehren, dass wir kein Geld ausgeben. Insbesondere, was den Einzelplan 05 betrifft, wenn Sie Herrn Heuer gehört haben und auch unseren Finanzminister, wie viel Milliarden Euro wir im Verhältnis zum letzten Jahr ausgeben, finde ich das eine unwahre Aussage, um es vorsichtig zu formulieren. Und dann möchte ich Sie doch einmal bitten, einen Vorschlag zu machen, welches soziale Projekt wir dafür streichen, damit wir Ihren Forderungen nachkommen können.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Lippmann, Sie können antworten. Aber es ist eine Zwischenintervention. Wie Sie wollen.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Ich mache es auch ganz kurz. - Liebe Kollegin, genau das Letzte ist ja das Typische und es ist ja der Kern unserer politischen Auseinandersetzungen, dass Sie, gerade von der CDU, immer der Meinung sind, wir können uns das alles nicht leisten, wenn wir irgendwo etwas mehr machen wollen, müssen wir irgendetwas streichen.

Ich habe auf die 92 Millionen € nicht abgeflossene Personalmittel hingewiesen. Wir haben schon an anderer Stelle gesagt, wir haben auch schon mit anderen Anträgen gesagt, wenn wir die Kinder in der Schule haben, wenn wir eine Schulpflicht haben, wenn wir gesellschaftliche Erwartungen haben, was in Schulen stattfindet, dann müssen wir Menschen zu Menschen bringen, dann müssen wir geeignete Pädagogen zu den Kindern bringen.

Wenn wir keine Lehrkräfte zur Verfügung haben, dann müssen wir andere Personen einbinden. Das ist die Gelegenheit, Mittel, die der Finanzminister einstreicht, weil die Personalkosten nicht abgeschlossen sind, jetzt für die Schulsozialarbeit auszugeben. Das ist das, was ich konkret gesagt habe.

(Zustimmung)