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Plenarsitzung

Transkript

Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vieles wurde in dieser Debatte bereits gesagt, auch viel Kritik wurde schon geäußert. Ich möchte deswegen zunächst mit etwas Positivem beginnen. Ich freue mich darüber, dass die Koalitionsfraktionen, insbesondere die CDU, versuchen, bei der Bekämpfung des Lehrkräftemangels neue Wege zu gehen. Das ist deswegen erstaunlich, weil Sie gerade im Bildungsbildungsbereich als besonders konservativ bekannt sind.

Wir geben Ihnen in dem Punkt sogar recht: Unsere Schulen brauchen neue Anreize und Impulse. Wir GRÜNEN fordern, dass wir unser Schulsystem endlich modernisieren und die neuen technischen Möglichkeiten und wissenschaftlichen sowie pädagogischen Erkenntnisse in unseren Schulen umsetzen.

(Zustimmung)

Auch für die Unterrichtsstruktur gibt es modernere Ansätze, als wir sie heute häufig erleben. Das haben wir im Bildungsausschuss sehr eindrucksvoll demonstriert bekommen.

Leider eignet sich Ihr Antrag für Umsetzung genau dieser Ansätze nicht. Sie haben das große negative mediale Feedback sicherlich wahrgenommen. Das passiert eben, wenn man politische Entscheidungen treffen möchte, ohne die Meinungen und Erfahrungen der betroffenen Gruppe einzubeziehen. Bei diesem Thema sind es Schülerinnen und Schüler, Lehrer und vor allem die Lehrkräfteverbände sowie natürlich die GEW, sie sprechen legitimiert für die Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen-Anhalt. Sie alle bringen berechtigte Bedenken und Kritik an, die wir uns sehr zu Herzen nehmen müssen.

Ja, das Problem des Lehrerinnenmangels drängt. Aber bevor Sie diesen Antrag eingereicht haben, wären folgende wichtige Fragen zu klären gewesen: Wie kann man neue schulorganisatorische Modelle mit den gesetzlichen Arbeitszeitregelungen des Schulpersonals verbinden? Welche Mehrbelastungen entstehen dadurch für Lehrkräfte? Inwieweit hätte die Kürzung von Unterrichtsstunden Einfluss auf die bundesweite Anerkennung unserer Schulabschlüsse? - All diese Fragen sind im Moment noch ungeklärt.

Wir brauchen dringend neue Wege, um den Lehrkräftemangel zu bekämpfen. Wir sollten uns endlich trauen, alle modernen technischen Möglichkeiten zur Unterrichtsgestaltung auch in Sachsen-Anhalt zu nutzen. Zwischen „Bring your own device“, einer regelmäßigen Integration von E Learning-Portalen in den Unterricht und der generellen Einführung von hybriden und digitalen Unterrichtsformen ist vieles möglich. Wir müssen die Chancen der Digitalisierung in unserem Bundesland endlich nutzen. Nur wenn unsere Schülerinnen und Schüler lernen, mit dem Internet und den damit verbundenen technischen Geräten kompetent umzugehen, können sie auch im späteren Berufsleben in der digitalen Welt bestehen.

Frau Dr. Hüskens, Sie sind doch unsere Digitalministerin und haben im Wahlkampf für die FDP mit Ihren großen Plänen zur Digitalisierung geworben. Wann sehen wir denn davon etwas an den Schulen in Sachsen-Anhalt?

(Zustimmung - Ministerin Eva Feußner: Da hat sie viel getan! Sehr viel hat sich da getan!)

- Ich habe ja Kinder in der Schule. Ich weiß, was dort ankommt und was nicht.

(Zuruf - Unruhe)

Um zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen zurückzukommen: Der will vor allem eines: Symptombekämpfung. Statt den Lehrkräftemangel an der Wurzel zu packen und zu bekämpfen, entscheiden Sie,

(Unruhe)

dass ihre erste bildungspolitische Eigeninitiative in dieser Legislaturperiode ein schwacher Versuch ist, ständigen Unterrichtsausfall zu verhindern. Der Impuls ist absolut verständlich angesichts der zeitweise teils dramatischen Situation, wie z. B. an der Sekundarschule in Aken, aber er kommt zu spät und er ist unausgereift.

(Beifall - Zuruf)

Wenn wir das Problem des Lehrkräftemangels langfristig und nachhaltig lösen wollen, braucht es mehr als nur eine reine Verkürzung der Unterrichtsstunden. Das, was wir in Sachsen-Anhalt tatsächlich brauchen, um den Lehrkräftemangel zu bekämpfen, ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte. Dazu zählt, dass wir endlich Arbeitszeitkonten einführen. Natürlich muss auch die Vergütung für Grundschullehrkräfte angepasst werden. Es ist einfach nicht mehr glaubwürdig zu erklären, dass Grundschullehrerinnen und  lehrer in Sachsen-Anhalt weniger Geld verdienen als ihre Kolleginnen und Kollegen an den weiterführenden Schulen und in anderen Bundesländern.

Wir brauchen ein Budget für Vertretungslehrkräfte, welches die Schulen flexibel einsetzen können, um auf kurzfristigen oder langfristigen Ausfall von Lehrkräften zu reagieren. Natürlich brauchen wir auch mehr Schulsozialarbeiterinnen und  arbeiter, die Lehrkräfte von einem Teil ihrer Aufgaben entlasten können, sodass diese sich auf den Unterricht konzentrieren können. Und es braucht neue und moderne Wege der Unterrichtsgestaltung, einen an modernen pädagogischen Erkenntnissen ausgerichteten Lernraum Schule,

(Unruhe)

der mit kompetenten Schülerinnen auch auf Lehrerinnenmangel flexibler reagieren kann.

Wir GRÜNEN sind auch bereit, neue Wege bei der Bekämpfung des Lehrkräftemangels zu gehen,

(Zuruf)

aber bei all den bekannt gewordenen berechtigten Bedenken gegen den Antrag der Koalitionsfraktionen können wir dem nicht so einfach zustimmen. Wir bitten um eine Beratung im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Zustimmung)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Sziborra-Seidlitz, Sie haben es geschafft, dass es Fragen gibt. Ich frage Sie: Wollen Sie eine Frage der Abg. Frau Hohmann beantworten?


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Ja.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Das möchte sie. Das gibt Ihnen, Frau Hohmann, die Gelegenheit, sie zu stellen.


Monika Hohmann (DIE LINKE):

Recht schönen Dank. - Ich habe nur eine kurze Nachfrage. Frau Sziborra-Seidlitz, sind Sie auch der Auffassung, dass die Maßnahmen, die die Koalition jetzt angepriesen hat, also was die Lehrkräfte mit der eingesparten Zeit machen sollen, auch gut und gern durch Schulsozialarbeiterinnen erledigt werden könnten,

(Zuruf)

dass wir also für diese Maßnahme vielleicht mehr Schulsozialarbeiterinnen einstellen könnten, die dann z. B. die Hausaufgabenbetreuung oder die Fahrschulbetreuung, wie es von Frau Dr. Pähle angeregt worden ist, übernehmen könnten?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sind selbstverständlich keine Pädagoginnen und Pädagogen.

(Zurufe: Ah!)

Aber sie haben im Gefüge Schule, und zwar vor allem dann, wenn man sie als Gesamtlernraum betrachtet, Aufgaben. Einiges von dem, was hier beschrieben worden ist, was Lehrerinnen und Lehrer mit den freien Stunden tun können, bspw. die individuelle Betreuung von Schülerinnen und Schülern, sind durchaus Aufgaben, die auch und möglicherweise besser durch Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter erfüllt werden können.

(Zuruf: Das ist falsch!)

- Ich rede nicht über die pädagogische und über die individuelle Betreuung im Unterricht, sondern bspw. über das Abfangen von besonderen sozialen Belastungssituationen und Ähnlichem; auch das beschreiben Sie. Das individuelle Eingehen auf Schülerinnen und Schüler machen Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter natürlich viel besser.

(Zustimmung)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Sziborra-Seidlitz, es gibt eine Frage von der Abg. Frau Feußner. Wollen Sie sie beantworten?


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Ich versuche es.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Wollen oder nicht wollen, das ist die entscheidende Frage. Offensichtlich wollen Sie. - Frau Feußner, Sie können Ihre Frage stellen.

 

Eva Feußner (CDU):

Frau Kollegin Sziborra-Seidlitz, in einer der letzten Plenarsitzungen haben Sie die Frage gestellt, warum das Bildungsministerium den Modellversuch eines Stiftungsgymnasiums in Magdeburg nicht zulassen will oder sollte, und haben sich massiv dafür eingesetzt. Hierbei ging es um den Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht. Erinnern Sie sich?


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Ja.


Eva Feußner (CDU):

Ich möchte Ihnen die Frage stellen, ob Sie sich dann mit diesem Modell intensiv auseinandergesetzt haben und ob es einen zusätzlichen Arbeitsaufwand für die Lehrkräfte bedeutet, wenn dieses Modell installiert und durchgeführt wird.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Ich habe es wahrscheinlich nicht so intensiv getan wie Sie, aber ich gehe davon aus, dass damit ein zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden ist. Die Schule selbst hat aber an der Stelle darum gebeten, dies zu tun.

(Zustimmung - Zuruf)

Im Übrigen hatte ich sehr deutlich gemacht, dass wir uns neuen Regelungen nicht verschließen. Was mir an dieser Stelle wichtig ist: Es gibt ernsthafte rechtliche Bedenken, die bspw. Auswirkungen auf die Anerkennung von Schulabschlüssen haben. Ehrlich gesagt, finde ich es wichtig, darüber im Ausschuss sehr ausgewogen zu beraten und sich darüber ausführlich und rechtssicher Auskunft geben zu lassen, bevor wir diesem Antrag im Schnellschuss zustimmen.

(Zustimmung)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Sziborra-Seidlitz, Frau Feußner hat noch eine Frage. Da ich bei ihrer ersten Frage nicht die Zeit genommen habe, könnte sie in, dubio pro reo, wenn Sie es zulassen, noch eine Frage stellen. - Da Sie mit dem Kopf nicken, hat Frau Feußner jetzt die Chance dazu.


Eva Feußner (CDU):

Danke schön. - Ist Ihnen bewusst, dass wir zunächst über Modellprojekte reden, und dass geprüft werden soll, inwieweit solche Modelle auch in einen Regelbetrieb übernommen werden können. Ich will Ihnen an der Stelle, weil Sie es angesprochen haben, einen Hinweis geben: Das Modell des Stiftungsgymnasiums ist mit unserem Schulgesetz derzeit nicht vereinbar. Das kann nur über einen Modellversuch laufen.

Wenn Sie sagen, Sie sind für viele Dinge offen, dann sind Sie für das eine offen und für das andere eben nicht. Sie haben nicht den Nachweis erbracht   das ist auch sehr schwer  , ob es bei diesem Modell zu zusätzlichen Arbeitsstunden für die Lehrkräfte kommt. Sie haben gesagt, Sie haben sich damit nicht auseinandergesetzt. Bei diesen Modellen haben Sie sich offensichtlich damit auseinandergesetzt. Sie unterscheiden dann zwischen den unterschiedlichen Modellen. Ich nehme das einfach zur Kenntnis.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Das tue ich an der Stelle nicht, sondern ich rezipiere das, was die Vertretungen der Lehrerinnen und Lehrer öffentlich dazu gesagt haben. Wenn diejenigen, die quasi für die Lehrerinnenschaft in Sachsen-Anhalt sprechen, diese Bedenken äußern, dann finde ich schon, dass es angemessen ist, das ernst zu nehmen und darüber zu beraten.

(Zustimmung)