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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 14

Beratung

Bildungspflicht statt Schulzwang - Heimunterricht möglich machen!

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/440


Einbringer ist Herr Tillschneider.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unser Antrag mit dem Titel „Bildungspflicht statt Schulzwang - Heimunterricht möglich machen!“ ist ein Antrag für mehr Freiheit im Bildungswesen. Alle Eltern, die ihre Kinder, aus welchen Gründen auch immer, zu Hause unterrichten wollen, sollen dazu die Möglichkeit erhalten - nicht mehr und nicht weniger. Der Lernfortschritt wird durch regelmäßige, meist halbjährliche Prüfungen kontrolliert. Bleibt ein Kind zurück, muss es wieder an die Schule. Das ist im Wesentlichen das österreichische Modell. Ganz anders als im Fall der Coronapolitik, bei dem Österreich ein eher abschreckendes Beispiel gibt, kann unser Nachbarland in dieser Frage durchaus als Vorbild dienen.

Die Schulpflicht als stupide Anwesenheitspflicht wird durch eine intelligente Bildungspflicht ersetzt. Das ist zunächst ein Schritt der Konzentration auf das Wesentliche; denn der Zweck der Schulpflicht sollte doch letztlich die Bildung sein, auch wenn man angesichts des gegenwärtigen Zustandes, in dem sich unser Schulwesen befindet, arg daran zweifeln mag.

Aber wenn der Zweck der Schulpflicht die Bildung ist und die Anwesenheit in der Schule nur Mittel zum Zweck, dann sollte doch niemand etwas dagegen haben, wenn wir diesen Zweck mit anderen Mitteln und auf anderen Wegen erreichen. Damit verhält es sich analog zum Homeoffice in der Arbeitswelt. Auch dazu sage ich immer: Es ist mir egal, wo ein Angestellter arbeitet, Hauptsache ist, dass er arbeitet. Nur weil jemand an seinem regulären Arbeitsplatz die Zeit absitzt, hat er noch lange nicht gearbeitet. Genauso ist es egal, wo die Kinder gebildet werden; die Hauptsache ist, dass sie gebildet werden.

Wer trotzdem auf der Schulpflicht als sturer Anwesenheitspflicht in der Schule bestehen wollte, der müsste von der Schule schon etwas erwarten, was über die Bildung hinausgeht. Und so ist es zumeist ja auch.

Das Generalargument gegen den Heimunterricht und für den Schulzwang besagt, dass die Kinder im Schulverband jenseits des Lernstoffs soziale Verhaltensweisen einüben, die sich in der Privatheit des häuslichen Unterrichts nicht erschließen. Dem lässt sich nun aber entgegenhalten, dass vor allem und zunächst innerhalb der Familie in Auseinandersetzungen mit Geschwisterkindern soziale Verhaltensweisen erlernt werden sollten, dass auch private Netzwerke weitreichende Kontakte zwischen Gleichaltrigen herstellen können und dass auch Aktivitäten in Vereinen soziale Kontakte vermitteln.

Das Argument, allein in der Institution Schule könne soziales Verhalten erlernt werden, beruht oft auf einem Zerrbild des Familienlebens als einer Form sozialer Isolation, das gerade in den letzten Jahren von einer zunehmend familienfeindlichen Politik systematisch gepflegt und propagiert wurde. Die Familie erscheint in dieser familienfeindlichen   man könnte auch sagen: oikophoben   Ideologie mehr und mehr als eine Art Hölle, aus der der Staat die Kinder retten muss. Nichts anderem dient bspw. die Diskussion um die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, was einem Staat, der mehr Einfluss auf die Kindererziehung gewinnen will, eine Legitimations- und Handlungsgrundlage bieten soll.

Demgegenüber halten wir fest an Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes, in dem es heißt   ich zitiere  :

„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst Ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“

Schon bedenklich abgeschwächt heißt es demgegenüber in Artikel 11 Abs. 2 unserer Landesverfassung:

„Eltern haben das Recht und die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“

In der Landesverfassung ist nicht mehr von dem natürlichen Recht der Eltern zur Erziehung die Rede, sondern nur noch vom Recht zur Erziehung, das in ein Äquivalenzverhältnis zur Pflicht gesetzt wird, was bei elterlichen Pflichtverletzungen dann entsprechende Rechtsminderungen durch den Staat nahelegt.

Indem das Grundgesetz die Pflicht der Eltern als die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht beschreibt, stellt es zumindest im Wortlaut höhere Anforderungen an staatliche Einmischungsversuche. Unser Bundesland scheint also schon etwas weiter fortgeschritten auf dem Weg der Verstaatlichung der Kindererziehung. Umso wichtiger erscheint mir ein Signal in die gegenläufige Richtung.

Mit unserem Antrag wollen wir der Ausdehnung des staatlichen Zugriffs auf die Kindererziehung widerstehen. Wenn Eltern der Institution Schule skeptisch gegenüberstehen, sollen sie die Möglichkeit haben, ihr Kind zu Hause zu unterrichten. Denn es ist garantiert kein berechtigtes Argument für den Schulzwang, dass die Kinder in der Schule durch den Staat leichter zu erreichen und zu beeinflussen sind. Der Staat darf nur eingreifen, wenn die Eltern versagen, wobei an dieses Versagen hohe Maßstäbe zu legen. Insbesondere liegt kein Versagen vor, wenn Kinder nicht im Sinne einer staatlich verordneten Doktrin erzogen und gebildet werden.

Fragen der weltanschaulichen und politischen Erziehung, der religiösen und sittlichen Orientierung sind Fragen, die zuvörderst von den Eltern zu beantworten sind. Und gerade ein Staat, der sich in den letzten Monaten zunehmend an den Bürgern vergreift, täte gut daran, sich zurückzunehmen und diesem Elternrecht mehr Freiraum zu gewähren.

(Zustimmung)

Gerade angesichts des Unmutes, der in weiten Teilen der Elternschaft darüber herrscht, wie ihre Kinder durch ein unverhältnismäßiges Coronaregime an den Schulen malträtiert werden, sollte die Regierung ein Zeichen der Freiheit setzen, indem sie die staatliche Gewalt auf diesem Gebiet zurücknimmt und Heimunterricht ermöglicht. Etwas mehr freiheitliche Bescheidenheit anstatt immer neue Anmaßungen und Eingriffe in bürgerliche Grundfreiheiten wäre das Gebot der Stunde. Tragen Sie zur Entspannung des angespannten Verhältnisses zwischen dem Staat und den Familien bei. Zeigen Sie sich dort, wo es Sinn ergibt, liberal.

Unser Vorschlag führt auch nicht dazu, dass der Staat aus seiner Verantwortung entlassen wird und die Bildung derer, die sich keinen Heimunterricht leisten können, sich verschlechtert - im Gegenteil. Wir denken Bildung nicht als Pflicht der Kinder gegenüber dem Staat, sondern aus Sicht der Kinder als Obliegenheit, als Pflicht gegen sich selbst, während der Staat seinerseits gegenüber den Kindern in strengster Weise verpflichtet bleibt. Anders gesagt: Der Staat hat keinen Anspruch auf Kinder, Kinder aber haben einen Anspruch gegen den Staat. Sie haben einen Anspruch darauf, an staatlichen Schulen ordentlich gebildet zu werden.

(Zustimmung)

Wenn die Familien diesen Anspruch nicht geltend machen wollen, so soll das nun möglich sein. Der Staat hat hier nichts zu fordern. Er muss aber leisten, wenn er beansprucht wird. Es wird niemandem etwas weggenommen, es wird lediglich ein neuer Freiraum geschaffen.

Es ist schon jetzt so, dass grundlegende Wertungen des Verfassungsgebers und darauf aufbauende Gerichtsentscheidungen klarstellen, dass es kein staatliches Schulmonopol geben soll, sondern dass im Sinne der Vielfalt des Bildungswesens auch Schulen in freier Trägerschaft erwünscht sind.

Was aber spricht dann dagegen, diese Vielfalt noch zu steigern, indem wir die beiden Säulen der staatlichen Schulen und der Schulen in freier Trägerschaft um eine dritte Säule des Heimunterrichts ergänzen? Nach unseren Vorstellungen soll der Heimunterricht nicht nur eine ausnahmsweise erteilte Genehmigung für ganz wenige Einzelfälle sein, in denen Eltern die Zeit oder das Geld haben, ihr Kind selbst zu unterrichten oder es unterrichten zu lassen. Wir wollen dieses Modell stärker fördern. Wir wollen, dass dieses Modell Schule macht.

Wir haben deshalb in unserem Antrag vorgesehen, dass Eltern, die ihr Kind zu Hause unterrichten, dafür exakt jenen Geldbetrag zugewiesen bekommen, den eine Privatschule pro Schüler an staatlicher Zuweisung erhält. Das scheint uns aus Gründen der Gleichbehandlung geboten, schließlich erfüllen die Mittel genau den gleichen Zweck wie bei den Privatschulen: Die staatlichen Zuweisungen an Privatschulen sollen verhindern, dass ein zu hohes Schulgeld zu einer starken sozialen Selektionswirkung führt.

Genauso soll nach unseren Vorstellungen eine Unterstützung der Familien, die ihre Kinder zu Hause unterrichten, verhindern, dass eben nur Millionärsfamilien, die sich Privatlehrer leisten können, von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Vorstellbar wäre dann, dass Eltern ihre Kinder so weit unterrichten, wie sie nach ihrem eigenen Bildungsgrad dazu in der Lage sind, wobei die Mittelzuweisungen dann den Arbeitsausfall der unterrichtenden Eltern kompensieren. Möglich wäre aber auch, dass Eltern sich zusammentun und gemeinsam Privatunterricht für ihre Kinder organisieren. Möglich wären Mischformen. Möglich wäre, dass Kinder nur für die Zeit der Grundschule zu Hause unterrichtet werden und dann in die Schule gehen.

Der Kreativität, in der sich die bürgerliche Freiheit ausleben kann, soll keine Grenze gesetzt sein. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich diesem Gedanken öffnen können.

(Beifall)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Es gibt eine Intervention. - Herr Schmidt, bitte.


Dr. Andreas Schmidt (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Tillschneider, das, was Sie jetzt vorgetragen haben, ist die preußische Schulpflicht aus dem Jahr 1717 als Unterrichtspflicht, aber nicht als Zwang, in die Schule zu gehen, wie sie der Soldatenkönig erlassen hat und wie sie das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794 geregelt hat. Dann wäre jetzt die Welt in Ordnung; denn dann würden Sie zum Ausdruck bringen, dass Sie sind, was Sie sind, nämlich ein Mann, der in einer lange vergangenen Vergangenheit stecken geblieben ist und nicht weitergegangen ist.

Aber, Herr Tillschneider, es sind die preußischen konservativen Protestanten gewesen, Ihre Freunde von der Kreuzzeitung, die ein Jahrhundert lang darum gekämpft haben, aus dieser Unterrichtspflicht tatsächlich eine Schulpflicht zu machen. Es ist immerhin schon 102 Jahre her   demnächst werden es 103 Jahre sein  , dass mit der Weimarer Verfassung im Jahr 1919 dieser Schritt gegangen wurde, dass aus der einfachen Unterrichtspflicht, die besagte, es kann auch zu Hause unterrichtet werden, eine Schulpflicht gemacht wurde. Das war im Jahr 1919, und zwar nicht auf Druck von irgendwelchen langhaarigen Hippies und linken Sozialdemokraten, sondern das ist ein Anliegen der preußischen Konservativen gewesen.

Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Sie wären ja so gern mit Körner und Lützow geritten.

(Lachen)

Die hätten Sie nicht mitgenommen, Herr Tillschneider.

(Lachen und Zustimmung)

Die hätten Sie nicht mitgenommen. Sie sind selbst als Möchtegernpreuße des 19. Jahrhunderts einfach eine Enttäuschung.

(Lachen und Zustimmung - Zurufe)


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ja, es war schon witzig, was Sie hier vorgetragen haben. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Darbietung. Aber es war natürlich inhaltlich Käse. Nur weil wir uns in einigen Fragen auf Preußen beziehen, soll uns das jetzt an etwas binden, was irgendwelche Preußen vor 200 Jahren eingeführt haben. Das ist doch Käse.

(Zurufe)

Wir lernen aus der Geschichte. Wir betrachten die Geschichte kritisch, und das, was uns für die heutige Situation passend erscheint, übernehmen wir, und das, was nicht passend erscheint, übernehmen wir nicht.

Natürlich entwickelt sich auch bei uns angesichts eines Staates, der sich zunehmend vergreift, eine Staatsskepsis. Die Zeiten der Staatsgläubigkeit sind angesichts dieser sich herausbildenden Coronadiktatur, die wir erleben, auch für konservative Oppositionelle vorbei. Wir gehen natürlich mit der Zeit und orientieren uns an liberaleren Modellen, die den Staat etwas reduzieren.

Das ist überhaupt kein alter Hut. In Österreich   ich habe es erwähnt   wird das praktiziert. In Österreich wird das mit sehr gutem Erfolg praktiziert. Dort geht diese Möglichkeit des Heimunterrichts auch auf ein altes Gesetz zurück, ich glaube, auf Maria Theresia im Jahr siebzehnhundertirgendwas, aber es funktioniert. Und da sagen wir: Weshalb sollen wir das nicht übernehmen? Es spricht nichts dagegen.

(Beifall)