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Plenarsitzung

Transkript

Holger Hövelmann (SPD):

Vielen herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Hohes Haus! Gestatten Sie mir eine Bemerkung vorweg. Mir ist vorhin bei dem Redebeitrag meines Kollegen Uli Thomas aufgefallen   ich weiß nicht, ob das bewusst geschehen ist  : Sie haben gesagt, Sanktionen sind das schlechteste Mittel. - Nein, Krieg ist das schlechteste Mittel.

(Beifall)

Deshalb ist es richtig, dafür zu werben, dass wir wieder dahin zurückkommen, dass Diplomatie die Lösungen sucht und findet. Sanktionen sind schlechter als Diplomatie, aber das Schlechteste sind sie nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vergangenen Jahr ist Erdgas in Deutschland und Europa zu dem Rohstoff geworden, von dem unsere weitere wirtschaftliche Entwicklung ganz wesentlich abhängt. Kollege Thomas hat darauf hingewiesen.

Um mehr als 400 % sind die Erdgaspreise seit 2015 gestiegen. Dies verteuert nicht nur die Versorgung mit Strom und Wärme, auch Produktion und Lieferketten drohen ohne die Weitergabe von Preissteigerungen unrentabel zu werden. Besonders betroffen   auch das ist bereits erwähnt worden   ist bei uns die Chemieindustrie, die auf Erdgas als Energieträger sowie als Grundstoff zur Herstellung, zum Beispiel von Düngemitteln oder AdBlue, angewiesen ist. In der Folge erhöhen sich unter anderem die Kosten für landwirtschaftliche Produkte oder Logistik.

Der Bürger, meine sehr verehrten Damen und Herren, leidet in finanzieller Hinsicht also gleich mehrfach. Nicht nur seine Strom- und Heizkostenabrechnung wird höher, auch das Brötchen beim Bäcker oder der Einkauf im Supermarkt werden mittelfristig teurer. Und so ist es nicht verwunderlich, wenn laut jüngsten Umfragen bei einem Viertel der Bundesbürger das Monatseinkommen restlos aufgezehrt wird und die Mehrheit ernste Sorgen wegen der Inflation hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie werden sich daran erinnern, dass wir bereits im Oktober 2021 über die Gründe für den stark gestiegenen Erdgaspreis diskutiert haben. Diese Gründe haben sich nicht geändert. Hohe Nachfrage und niedriges Angebot wirken sich ungünstig auf den Marktpreis aus.

Im Wirtschaftsausschuss unseres Landtages zeigten vor zwei Wochen Vertreter unserer chemischen Industrie einen Weg auf, wie Deutschland dieser Entwicklung entgegenwirken und die Energiepreise stabilisieren kann. Die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 würde am Energiemarkt die Angst vor einer Versorgungsknappheit mindern und so den Preis wahrscheinlich nach unten drücken. Das mag zunächst erstaunlich erscheinen; denn die mengenmäßige Versorgung mit Erdgas   das hat Frau Ministerin Grimm-Benne deutlich gemacht   ist im Moment eigentlich überhaupt kein Problem.

(Zustimmung)

Durch die bestehenden Pipelines fließt genügend Erdgas aus Russland, aber der psychologische Effekt   jeder, der in Wirtschaftsdingen unterwegs ist, kennt das   sollte nicht unterschätzt werden.

Im Angesicht der Tatsache, dass Erdgas der Rohstoff für eine der wichtigsten Brückentechnologien bei der Energiewende ist und daher der Verbrauch in den nächsten Jahren bei uns voraussichtlich steigen wird, kann die Steigerung der Versorgungskapazität durch Nord Stream 2 zur Beruhigung und Stabilisierung der Preise beitragen.

Aber, Kolleginnen und Kollegen, wenn die Inbetriebnahme so einfach wäre, dann brauchten wir als Koalition den Antrag nicht zu stellen. Die Entwicklung in Osteuropa, die durchaus realistische Gefahr eines Krieges zwischen Russland und der Ukraine, hat in den letzten Wochen erheblichen Druck im In- und Ausland dahin gehend ausgelöst, die noch ausstehenden Genehmigungen für den Pipelinebetrieb zu versagen, unabhängig von den formalen Anforderungen. Eine solche Entwicklung wäre insbesondere für unser Bundesland fatal. Unsere Chemieindustrie, aber auch andere energieintensive Unternehmen in der Glas-, Aluminium- und Stahlbranche würden unter weiter steigenden Preisen leiden. Produktionsstopps, Stellenabbau wären mögliche Folgen.

Wir als Koalition halten es daher für dringend geboten, dass die Landesregierung ihre Mittel gegenüber dem Bund nutzt, um die Belastung und die Folgen für Sachsen-Anhalt bei einer aus politischen Gründen verweigerten Betriebsgenehmigung zu verdeutlichen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist uns bewusst, dass die Entscheidung für oder gegen die Pipeline keine leichte ist. Die Inbetriebnahme darf nicht zur energiepolitischen Erpressbarkeit der Bundesrepublik führen, sie darf auch kein Freibrief für militärische Aggressionen sein. Wir sagen ausdrücklich: Ohne Frieden kein Wohlstand, weder bei uns noch in Russland noch sonst wo auf der Welt.

(Zustimmung)

Es ist daher zu begrüßen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz in der vergangenen Woche noch einmal die hohen wirtschaftlichen, politischen und finanziellen Kosten einer militärischen Eskalation in Richtung Russland betonte und zur Deeskalation aufrief.

(Zuruf: Hä?)

Von diplomatischen Lösungen profitieren alle, auch Nord Stream 2 und die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt. Ich bitte daher den Landtag um die Annahme des vorliegenden Antrages der Koalitionsfraktionen. - Herzlichen Dank.

(Beifall)