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Plenarsitzung

Transkript

Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Jahr 2021 ist erstmals seit einigen Jahren wieder ein Anstieg der Zugangszahlen von Asylsuchenden in Deutschland und somit auch in Sachsen-Anhalt zu verzeichnen. Dieser Anstieg ist messbar, aber er ist nicht dramatisch, wie es in der Begründung zu der von der AfD-Fraktion beantragten Aktuellen Debatte heißt.

Für Sachsen-Anhalt waren vom 1. Januar bis einschließlich 16. November 2021 nach landesinterner Zählung insgesamt 2 537 Zugänge von Asylsuchenden verzeichnet worden. Im letzten Jahr wurden zum Vergleich bis Ende des Jahres insgesamt 2 244 Zugänge registriert.

Im Jahr 2020 wurden die niedrigsten Zugangszahlen seit 2012 verzeichnet. Dies lag sicherlich auch daran, dass pandemiebedingt der grenzüberschreitende Flug- und Zugverkehr weltweit über viele Monate fast vollständig zum Erliegen kam.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Weidinger, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbrechen muss. Würden Sie das Pult etwas herunterfahren, dann sind die Mikrofone aufnahmefähiger. - Danke.

(Zuruf: Dann können wir Sie besser verstehen!)


Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz):

Sehr gern. - So gab es z. B. im gesamten Monat April 2020 in Sachsen-Anhalt nur 20 Zugänge. Zur Einordnung der diesjährigen Zugangszahlen ist daher ein Blick auf die Jahre 2019 und 2018 hilfreich. Im Jahr 2019 waren in Sachsen-Anhalt 2 840 Zugänge, im Jahr 2018 insgesamt 2 850 Zugänge festzustellen. Von einem dramatischen Zugangsgeschehen kann also keine Rede sein.

(Beifall)

Was in diesem Jahr, neben den bekannten Krisen der Welt im Nahen und im Mittleren Osten und in Afrika, neu hinzukam, waren das Ausnutzen der Not von Migranten und die gezielte Lenkung von Flüchtlingsbewegungen an die Außengrenzen der Europäischen Union durch das weißrussische Regime.

Weißrussland ermöglicht seit dem Sommer die visafreie Einreise; insbesondere für Migranten aus dem Irak, aus Syrien und aus Afghanistan. Das Regime steuert die Bewegung dieser Personen an die Grenze zu Polen, Litauen und Lettland. Diese Menschen werden vom Lukaschenko-Regime als Druckmittel gegen die Europäische Union eingesetzt. Die Bilder von der weißrussisch-polnischen Grenze sind bekannt. Nach Mitteilung des Bundes sollen sich ca. 15 000 Migranten in Weißrussland aufhalten.

Die EU lässt sich durch diese Vorgehensweise des weißrussischen Diktators nicht erpressen und hat bereits wichtige Maßnahmen ergriffen. Dazu zählen insbesondere Sanktionen oder deren Androhung gegen Fluggesellschaften, die Migranten nach Weißrussland geflogen haben.

Das betrifft insbesondere die staatliche weißrussische Fluggesellschaft, die bereits auf die Sanktionsliste gesetzt wurde. Weitere Fluggesellschaften, die im Codesharing-Verfahren Flüge aus Dubai und Istanbul anbieten, wurden und werden angesprochen. Die EU und der Bund streben die Sperrung des Luftraums für Fluggesellschaften an, die Flüge zu einer visafreien Einreise nach Weißrussland durchführen.

Des Weiteren erfolgten kurzfristige Gespräche mit Hauptherkunfts- und Transitländern wie insbesondere dem Irak und der Türkei. Diese Staaten haben bereits einschränkende Maßnahmen ergriffen. Flüge aus dem Irak nach Weißrussland wurden ausgesetzt. Der Irak hat zudem die Rückholung eigener gestrandeter Staatsbürger aus Weißrussland angeboten. Die Türkei lässt keine Menschen mit syrischen, irakischen oder jemenitischen Pässen mehr nach Weißrussland fliegen. Die weißrussische Fluggesellschaft darf zudem nicht mehr das Netzwerk von Turkish Airlines nutzen. One-Way-Tickets nach Weißrussland werden nicht mehr verkauft.

Weiterhin sind Sanktionen gegen das Lukaschenko-Regime vorgesehen. Der Europäische Rat hat am 9. November die teilweise Aussetzung der Anwendung des Visaerleichterungsabkommens zwischen der Europäischen Union und Weißrussland beschlossen. Diese ist zügig umzusetzen.

Polen, Litauen und Lettland leisten durch den Schutz der europäischen Außengrenze zu Weißrussland einen wichtigen Beitrag zur Freizügigkeit und Sicherheit im Schengen-Raum. Die EU hat Polen darüber hinaus einen Frontex-Einsatz bzw. die personelle und infrastrukturelle Unterstützung angeboten.

Polen hat einen Frontex-Einsatz bisher abgelehnt. Darüber hinaus wurde seitens des Bundes die Durchführung gemeinsamer Grenzpatrouillen durch die Bundespolizei mit der polnischen Partnerbehörde an der polnisch-deutschen Grenze auf polnischem Gebiet angeboten. Dieses Angebot prüft Polen.

Auch wenn sich aktuell alle Blicke auf die weißrussisch-polnische Grenze richten, muss eines klar sein: Im Vergleich zum Migrationsgeschehen in Italien und Spanien sind die Zugangszahlen in Polen und Litauen gering.

In der ersten Novemberwoche waren in Italien durchschnittlich mehrere Hundert Ankünfte pro Tag zu verzeichnen. In den Ländern Polen, Litauen und Lettland lagen die Zugangszahlen allen Auskünfte nach zusammengenommen im sehr niedrigen zweistelligen Bereich pro Tag.

Das Innenministerium beobachtet die Entwicklung der Zugangszahlen daher insgesamt aufmerksam. Beim vergangenen kommunalpolitischen Gespräch mit Landräten und Oberbürgermeistern der kreisfreien Städte vor zwei Wochen haben wir vereinbart, dass sich unsere Verwaltungen in den nächsten Monaten regelmäßig über die Zugangszahlen austauschen wollen. - Vielen Dank.