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Plenarsitzung

Transkript

Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn es doch so einfach wäre. Heute kostenfreies Kita- und Schulessen fordern und morgen bekommen alle Kinder im Land ein kostenfreies und gesundes Mittagessen auf den Tisch.

(Zuruf)

Der vorliegende Antrag klingt auf eine sehr simple Art gut. Wer könnte schon etwas dagegen haben, dass alle Kinder im Land in den Kitas und Schulen eine freie Mittagsverpflegung bekommen?

(Zurufe)

Sicherlich niemand hier.

(Zurufe)

Ich werde Ihnen im Weiteren erläutern, warum wir diesen Antrag dennoch nicht unterstützen:

Erstens. Ein über die Maßen drängender sozialpolitischer Handlungsdruck besteht nicht. Kinder aus einkommensarmen Familien - das meint explizit nicht nur Haushalte, die von Hartz IV leben, sondern auch solche mit niedrigem Einkommen, ganz abgesehen davon, dass das Ausspielen von arbeitenden und arbeitslosen Menschen ausgesprochen schäbig ist -

(Beifall)

haben bereits jetzt eine kostenfreie Mittagsverpflegung in Kitas und Schule. Das ist eine der wenigen Leistungen aus dem Bundes- und Teilhabegesetz, die auch viele Betroffene erreichen, auch wenn wir gerade gehört haben, dass es da Nachsteuerungsbedarf gibt. Überdies sind die Preise für Schul- und Kita-Essen bei uns im Land laut einer Studie vom Deutschen Netzwerk Schulverpflegung e. V. vom Sommer 2018 am günstigsten von allen Bundesländern. In diesem Sinne besteht im bundesweiten Vergleich auch keine übermäßige Belastung der Eltern.

Zweitens. Die Landesregierung wird im kommenden Jahr absehbar weitere 36 Millionen € für Beitragsermäßigungen im Bereich Kita aufbringen. Das wollen wir GRÜNE auch. Darüber hinaus wollen wir diese Ermäßigungen verstetigen.

Sie sehen, es werden bereits weitere zweistellige Millionenbeträge in die Hand genommen, um Eltern im Land finanziell zu entlasten. Genau das ist der springende Punkt. Das System der Kinderbetreuung ist noch an ganz anderen Stellen auf Verbesserungen angewiesen, nämlich bei der Qualität und beim Personal. Hier gilt es, in Zukunft weit größere Anstrengungen zu unternehmen.

Denn, wie die Liga der Freien Wohlfahrtspflege im Rahmen der Anhörung zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe der Kindertagesbetreuung im November 2019 und der Landesrechnungshof in seinem Prüfbericht zur Finanzierung der Betreuung in Kindertageseinrichtungen von November 2020 uni sono feststellen:

„Das Land gibt übermäßig viel Geld für die Beitragsreduzierungen aus. Qualitätsförderung und Personalaufstockung spielen hier nur die zweite Geige.“

Beide schlussfolgern: Dies müsse sich ändern und zukünftig sollte Qualität eine größere Rolle spielen.

Bevor wir also als Land an jedem Schultag 1,1 Million € ausgeben, um für alle knapp 223 000 Kita- und Grundschulkinder im Land für je 5 € kostenlose Mittagsverpflegung zu bieten - Sie können das gern mit dem Tischrechner nachprüfen  , werfen wir lieber einen schonungslosen Blick in die Schatulle des Landes und wägen darüber hinaus ab zwischen den Zielstellungen „Qualität in der frühkindlichen Bildung“ und „finanzielle Entlastung der Eltern mit der Gießkanne“.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir GRÜNE sehen zuvörderst den Bedarf bei der Qualität im Land. In erster Linie geht es um mehr Personal in den Einrichtungen. Hier müssen wir tätig werden; denn was bringt es, wenn die Eltern für das Mittagsessen nichts und für die Kita sehr wenig zahlen, wenn der Personalschlüssel im Land weiterhin zu den schlechtesten in ganz Deutschland gehört? Glauben Sie wirklich, das ist das eigentliche Interesse von Eltern und Familien oder von Kindern? Ich glaube das nicht. Ich glaube, Sie sind einfach nur auf einem populistischen Holzweg, wie so oft.

Direkt auf das Thema Ernährung bezogen möchte ich noch anführen: So schön ein kostenloses Mittagsessen auch sein mag, ich persönlich finde es wichtiger, nachhaltig in den Bau von Küchen in Kitas und Schulen zu investieren - das wurde hier vorhin auch schon angeführt - bzw. in ein Netz von Lehrküchen im Land, nutzbar für Koch- und Ernährungsunterricht.

Damit könnten wir eine gesunde Ernährung und Lebensweise als Kompetenz und Lebenspraxis vermitteln, und das nicht nur konsumtiv und unmittelbar durch gesundes Essen vor Ort, sondern tatsächlich als Lehrinhalt. Das wäre ein nachhaltiger Ansatz, der im Land dringend nottut. Denn in der bereits erwähnten Studie des Deutschen Netzwerks Schulverpflegung wird auch festgestellt, dass nur in 6,3 % der Schulen in Sachsen-Anhalt   bundesweit sind es bis zu 20 %   und nur in 2,5 % der Kitas das Essen frisch vor Ort gekocht wird. Daran, diese Prozentwerte zu erhöhen, können wir gemeinsam arbeiten.

Sie sehen: Es lassen sich einige gute Gründe dafür anführen, dass wir den Antrag ablehnen. Wir wissen natürlich, dass Sie genau diese Ablehnung im Landtag populistisch ausschlachten werden, getreu dem Motto, uns anderen seien die Kinder egal. Wer aber genau hinschaut, der wird es besser wissen und den Holzweg erkennen, auf den Sie uns führen wollen. - Danke schön.

(Zustimmung)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Sziborra-Seidlitz. - Es spricht jetzt Frau Gensecke für    

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

- Ach, Herr Loth von oben! Ist es eine Frage oder eine Kurzintervention? - Eine Kurzintervention. Herr Loth möchte eine Kurzintervention tätigen. - Herr Loth, Sie haben das Wort.


Hannes Loth (AfD):

Danke schön. - Habe ich es richtig verstanden, dass sich die GRÜNEN gerade für eine Erhöhung der Elternbeiträge eingesetzt haben? - Denn das ist die Quintessenz Ihrer Aussage. Danke schön, Frau Sziborra-Seidlitz. Das werden wir nach außen transportieren.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Sziborra-Seidlitz möchte darauf reagieren.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Ich habe das Recht, darauf zu reagieren, und in dem Fall muss ich es tun. Ich bitte Sie, dass Sie, bevor Sie versuchen, es auszuschlachten, noch einmal sehr genau in das Wortprotokoll schauen und es dann auch bitte mit einer Textstelle, die Sie nicht finden werden, belegen. Denn anderenfalls würde ich an der Stelle meinen Anwalt anrufen wollen.

(Zustimmung - Lachen)