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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 3

Aktuelle Debatte

Atomkraft? Nein Danke!

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/356


Vereinbart wurde eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion. Die Antragstellerin, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, beginnt. Frau Lüddemann und Herr Aldag teilen sich die Einbringungsrede. - Frau Lüddemann, beginnen Sie oder Herr Aldag?

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ich mache das!)

- Sie fangen an. Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wenn ich Ihnen das Stichwort „Acheuléen“ gebe, wissen Sie dann, was ich damit meine?

(Zuruf)

- Acheuléen. - Vermutlich nicht. Das ist Ihnen auch nicht zu verdenken. Damit wird eine archäologische Kultur der Steinzeit beschrieben. Es geht um beidseitig bearbeitete Faustkeile. Vor ca. 1,6 Millionen Jahren war das State of the Art, also total modern und angesagt.

(Zustimmung)

Heute aber ist das total out. Was für den Bereich der Werkzeuge zutrifft, das gilt auch für die Energieerzeugung. Atomkraft ist eine Dinosauriertechnologie, von der sich Deutschland in einem großen gesamtgesellschaftlichen Konsens verabschiedet hat. Gott sei Dank!

(Zustimmung)

Denn der Atommüll wird uns mit seinen gefährlichen Hinterlassenschaften noch über Jahrmillionen beschäftigen. Wir werden auch finanziell sehr, sehr hohe Beträge aufwenden müssen. „Ewigkeitskosten“ ist ein sehr verharmlosendes Wort dafür.

Deswegen ist es wichtig und nötig, sich in einem bundesweit abgestimmten Prozess um diese Atomabfälle zu kümmern. Das war der erste wesentliche Grund dafür, dass sich so viele Menschen auf der Straße und in den Parlamenten für das Ende der Nutzung von Atomenergie einsetzten.

Der zweite wesentliche Grund sind die unkalkulierbaren und unbeherrschbaren Risiken - die berechtigten Ängste vor dem sogenannten Super-GAU. Ganze Generationen sind geprägt von den Erfahrungen aus den Unfällen in Tschernobyl in der Ukraine oder in Fukushima in Japan. Dabei haben wir noch gar nicht über Terroranfälligkeit, überhitzte Flüsse oder Massenvernichtungswaffen gesprochen.

Es wurde festgestellt   ich will es an der Stelle noch einmal tun  : Die Atomkraft war, ist und bleibt ein zivilisatorischer Bruch, ein technologischer Irrweg in der Menschheitsgeschichte.

Deswegen bin ich den Menschen zutiefst dankbar, die im Jahr 1974 begonnen haben, auf einem Bauplatz in Wyhl im Rheinland die Anti-AKW-Bewegung auf den Weg zu bringen und sich zu engagieren. In einem beispiellosen Konsensprozess wurde   getrieben durch das bürgerschaftliche Engagement eben dieser Anti-AKW-Bewegung   im Jahr 2000 unter der rot-grünen Bundesregierung gemeinsam mit der Atomwirtschaft der Ausstieg vereinbart.

Nach einigen Irrungen unter Schwarz-Gelb und unter dem Eindruck des verheerenden Super-GAU von Fukushima, flankiert von einer der größten Demonstrationen in der Bundesrepublik mit mehr als einer Viertelmillion Teilnehmenden in Berlin, wurde unter dem Kabinett Merkel II der endgültige Ausstieg besiegelt.

Das, meine Damen und Herren, ist eine historische Leistung. Jede erneute Debatte über die Atomenergienutzung setzt wieder gesellschaftliches Eskalationspotenzial frei;

(Zustimmung)

ganz abgesehen davon, dass Atomkraft zu teuer, zu gefährlich und auf die Dauer von Generationen unsicher ist. Oder anders ausgedrückt: Atomkraft

„wäre 2021 weder rentabel noch realistisch. Persönlich sehe ich die Kernenergie ordnungspolitisch kritisch, da es sich um eine Energiequelle handelt, die im Markt nicht zu versichern ist und daher die Staatshaftung gegen den GAU braucht. Jenseits der abstrakten Debatte gibt es in Deutschland weder einen privaten Betreiber noch Standorte. Zudem würde man einen beendeten gesellschaftlichen Großkonflikt wieder eröffnen. Deshalb komme ich zu dem Schluss, dass die Kosten einer Laufzeitverlängerung in jeder Hinsicht den Nutzen übersteigen würden.“

(Zuruf)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben es wahrscheinlich schon an der Art des Vortrags gemerkt: Das waren nicht meine Worte, sondern   das muss ich sagen   die Worte von Christian Lindner in der „FAZ“ vom 4. November 2021 zu der Atomdebatte.

(Zuruf)

Vielleicht ist das, wenn es schon nicht meine Worte sind, vielleicht noch einmal ein Denkanstoß für die Kollegen von der CDU.

(Zuruf)

Denn es ist wirklich mehr als unverantwortlich,

(Unruhe)

eine derart unsichere und teure Energiequelle wie die Atomkraft unter dem völlig abwegigen Deckmantel der angeblichen Klimaneutralität zu fordern. - Das haben Sie, Minister Schulze, öffentlich getan.

(Zuruf: Gott sei Dank!)

Gleichzeitig lehnt Ihre Partei   in Person die Landräte im Süden dieses Landes   jede Verantwortung für den Atommüll ab. Das ist unverantwortlich. Das ist scheinheilig und verlogen, werte Herren von der CDU.

(Zustimmung - Zuruf - Unruhe)

Ich erwarte vom Wirtschaftsminister dieses Landes, nicht gesellschaftspolitisch zu spalten und die Lage eskalieren zu lassen, sondern sich für saubere, regional verfügbare sowie kostengünstige Energie einzusetzen. Bei den erneuerbaren Energien nicht den Anschluss zu verlieren, ist die tagespolitische Aufgabe.

(Zustimmung - Zuruf: Wie viel wollen wir denn noch machen? - Zuruf - Lachen)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Lüddemann gibt jetzt das Wort an Herrn Aldag ab.