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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 2

Erste Beratung

a)    Entwurf eines Nachtragshaushaltsbegleitgesetzes 2021

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 8/327

b)    Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2020/2021 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2020/2021)

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 8/328

Entschließungsantrag Landesregierung - Drs. 8/329


Im Ältestenrat ist eine Redezeit von 90 Minuten nach der Redezeitstruktur „E“ verabredet worden. Die Struktur „E“ ist auf der letzten Seite dieses gelben Heftes noch einmal abgedruckt, sodass sich jeder darüber informieren kann.

Herr Minister Richter als Finanzminister wird die Gesetzentwürfe einbringen. - Herr Richter, Sie haben das Wort.


Michael Richter (Minister der Finanzen):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erst vor zwei Monaten haben wir als neue Landesregierung unsere Arbeit aufgenommen. Schon heute werden die Entwürfe zum Nachtragshaushaltsbegleitgesetz inklusive eines Sondervermögens Corona und zum Nachtragshaushaltsgesetz des Jahres 2021 in den Landtag eingebracht. In zeitlicher Hinsicht war das eine Leistung der neuen Landesregierung, die zeigt, dass sie schon gut zusammenarbeitet.

(Zustimmung)

Inhaltlich hat die neue Landesregierung mit diesem Nachtragshaushaltspaket einen Weg dafür entwickelt, wie das Land die Pandemie maßvoll überwinden und gestärkt aus der Krise heraustreten kann. In diesen Gesetzentwürfen sind zusätzliche Ausgaben des Landes in Höhe von rund 2,6 Milliarden € vorgesehen. Das sind ausschließlich pandemiebezogene Ausgaben für das Jahr 2021 und für die Folgejahre bis 2027. Finanziert werden diese Ausgaben durch Kreditaufnahmen und durch den Verzicht auf die im Haushalt 2021 vorgesehene Tilgung. Das heißt, die Landesschulden werden durch diese beiden Gesetze um 2,6 Milliarden € steigen. Dabei handeln wir im Einklang mit der Schuldenbremse.

Zur Erinnerung   das ist für den Finanzminister schon wichtig  :

„Der Haushalt ist grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.“

- So lautet die Vorgabe in Artikel 99 Abs. 2 der Landesverfassung. Für mich als Finanzminister ist das der Grundsatz überhaupt.

Absatz 3 - jetzt kommt die Einschränkung - dieser Vorschrift sieht unter bestimmten engen Voraussetzungen aber auch die Möglichkeit von Kreditaufnahmen vor. So sind   ich zitiere   „im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Landes entziehen und die Finanzlage des Landes erheblich beeinträchtigen“ - so Artikel 99 Abs. 3 Satz 3 unserer Landesverfassung -, im Einklang mit der Schuldenbremse sogenannte Notlagenkredite erlaubt. Das setzt voraus, dass der Landtag, wie von uns vorgeschlagen, eine solche Notlage beschließt.

Die Coronapandemie war nicht nur im Jahr 2020 eine solche Notlage, sondern bleibt es auch im Jahr 2021. Schließlich brachen nicht nur Staatseinnahmen weg, sondern es stiegen die Ausgaben des Staates signifikant - in Sachsen-Anhalt und seinen Kommunen sowie in Deutschland, in Europa und weltweit  , Ausgaben, um den Folgen der Pandemie zu begegnen, Ausgaben, um die Gesellschaft und deren Zusammenleben auch in solchen Pandemien zu ermöglichen, Ausgaben, um Betroffenheit zu kompensieren, und letztlich Ausgaben, um das Gesundheitssystem, den Staat und die Gesellschaft einzustellen auf Pandemien wie diese jetzt und in der Zukunft. Der Stabilitätsrat schätzt mit Blick auf ganz Deutschland ein, dass auch für das Jahr 2022 weiterhin eine Notlage festgestellt werden kann.

Meine Damen und Herren! In Hessen hat der Staatsgerichtshof betont, dass die Voraussetzungen für den Ausnahmetatbestand der Verschuldensregel im Gesetzgebungsverfahren hinreichend zu begründen sind. Deshalb will ich an dieser Stelle das Offensichtliche aussprechen und ausführen, dass die Coronapandemie in diesem Jahr und auch im kommenden Jahr eine Notlage im Sinne des Artikels 99 Abs. 3 Satz 3 der Landesverfassung sowohl in der Variante der Naturkatastrophe als auch in der Variante der außergewöhnlichen Notsituation ist und bleiben wird.

Naturkatastrophen sind drohende Gefahrenzustände oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß, die durch Naturereignisse ausgelöst werden. Hierzu gehören nach der Begründung zu Artikel 109 des Grundgesetzes ausdrücklich Massenerkrankungen. Die Pandemie stellt mit allein in Sachsen-Anhalt bisher mehr als 126 000 Fällen und leider rund 3 700 Todesfällen zweifelsohne eine Massenerkrankung im Sinne der verfassungsrechtlichen Regelung dar, und sie wird uns sicher über den Jahreswechsel hinaus begleiten.

Die Coronapandemie ist nicht nur eine Naturkatastrophe. Sie stellt gleichzeitig auch eine außergewöhnliche Notsituation dar; denn sie hat alle Bereiche der Gesellschaft erfasst und führt zu erheblichen Verwerfungen des gesellschaftlichen und staatlichen Normalzustandes.

Die Pandemie in Sachsen-Anhalt hat aufgezeigt, dass neue Hygienestandards im Gesundheitssystem und auch in anderen Gesellschaftsräumen eingeführt werden müssen. Zudem muss die Krankenversorgung so entwickelt werden, dass sie auch in Pandemiesituationen krisenfest und leistungsfähig ist. Schließlich müssen auch Verwaltung, Wirtschaft und das sonstige gesellschaftliche Leben in Pandemiezeiten durch Digitalisierung so weit wie möglich gewährleistet werden. Eine Notlage liegt also nicht nur bei hoher Inzidenz wie gegenwärtig vor, sondern so lange, wie wir unsere Hausaufgaben aus dieser Pandemie noch nicht gemacht haben.

Die Landesregierung hat sich längst auf den Weg gemacht. Das Sondervermögen Corona ist die konsequente Fortsetzung unseres Weges, um aus der Notlage gestärkt herauszukommen, meine Damen und Herren. Die Pandemie erfordert staatliche Maßnahmen in erheblichem Umfang, die in den Nachtragshaushalten 2020 und 2021 sowie künftig im Maßnahmenkatalog des Sondervermögens festgeschrieben sind.

Alle diese Maßnahmen belasten die Finanzlage des Landes erheblich. Sie können nicht aus allgemeinen Rücklagen - solche sind nicht mehr vorhanden - oder künftigen Kernhaushalten finanziert werden; denn eine Finanzierung der Maßnahmen zur Coronabekämpfung aus dem Kernhaushalt müsste mit signifikanten Einsparungen bei anderen wichtigen staatlichen Aufgaben einhergehen. Dies könnte die umfassende Wahrnehmung der verfassungsgemäßen Aufgaben des Landes und damit die Stabilität des Gemeinwesens in der Pandemie gefährden. Damit ist eine verfassungsgemäße Kreditaufnahme gerechtfertigt.

Meine Damen und Herren! Konkret sind im Nachtragshaushalt 2021 ausschließlich folgende Ausgaben vorgesehen: die vollständige Mittelzuführung an das Sondervermögen Corona von 1,95 Milliarden €, die Bereitstellung von Deckungsmitteln für bereits bewilligte Ausgabenreste aus dem Nachtragshaushalt 2020 und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 195 Millionen €, bereits bewilligte außerplanmäßige Ausgaben im ersten bis dritten Quartal 2021 in Höhe von 151 Millionen € und geschätzte außerplanmäßige Ausgaben im vierten Quartal 2021 in Höhe von 137 Millionen €, die Zuführung an Kommunen zum Ausgleich von pandemiebezogenen Steuerausfällen und Ausgaben in Höhe von 66 Millionen € sowie der Ausgleich von pandemiebedingten Mehrbelastungen der Universitätskliniken im Umfang von rund 114 Millionen €.

Einnahmeseitig werden Steuermindereinnahmen im Zusammenhang mit der Coronapandemie, soweit diese auf Steuerrechtsänderungen aufgrund der Pandemie zurückzuführen sind, in Höhe von 99 Millionen € veranschlagt, und es sollen die vorgesehenen 100 Millionen € Tilgung ausgesetzt werden.

Technisch werden diese Deckungsmittel für außerplanmäßige Ausgaben, Verpflichtungsermächtigungen und Ausgabereste zentral im Einzelplan 13 zur Verfügung gestellt, allerdings dezentral in den Facheinzelplänen verausgabt. Eine Etatisierung in den Facheinzelplänen kommt nicht in Betracht, weil der Nachtragshaushalt voraussichtlich erst kurz vor Jahresende in Kraft treten wird und die Pandemiebekämpfung bis dahin nicht warten kann.

Übersichten über bereits getätigte Ausgaben im Jahr 2021 habe ich regelmäßig im Finanzausschuss des Landtages vorgestellt. Die Mittel des Sondervermögens Corona werden vor dem endgültigen Haushalt für das Haushaltsjahr 2021 etatisiert und als Rücklage dem Sondervermögen zugeführt. Den Kommunen und den Universitätskliniken sollen zur Kompensation der im Jahr 2021 erlittenen Coronafolgen direkt aus dem Nachtragshaushalt 2021 Mittel zugeführt werden.

Lassen Sie mich bitte zunächst auf den dicksten Brocken, das Sondervermögen Corona, im Detail eingehen. Es ist geplant, in den Jahren 2021 bis 2027 Mittel in Höhe von 1,95 Milliarden € für 60 im Detail aufgeführte und im Hinblick auf die Bekämpfung der Pandemie abgegrenzte Maßnahmen auszugeben, dringende Maßnahmen wie z. B. die Weiterentwicklung des Gesundheitssektors, um den aktuellen und auch den zukünftigen ähnlichen gesundheitspolitischen Herausforderungen begegnen zu können.

Hierzu gehören insbesondere die Stärkung der Universitätskliniken unseres Landes sowie Investitionen in sektorenübergreifende Versorgungsstrukturen im Krankenhausbereich, die Digitalisierung von Dienstleistungen der Kommunen, die Digitalisierung der Landesverwaltung, das Aufholen von Lernrückständen der Schülerinnen und Schüler, die Stärkung der Wirtschaft in den von der Pandemie besonders betroffenen Bereichen, der   wir haben es gerade gehört   Einbau von Luftfiltern, der Bau von in einer Pandemie unabdingbaren Laboren, die Förderung der Pflegeberufe.

Wir werden alle Maßnahmen spätestens im Juli 2022 beginnen und bis zum Jahr 2027 abschließen. Alle Maßnahmen sind im Maßnahmenkatalog des Sondervermögens ausführlich erläutert. Sie sind den fachlich zuständigen Ressorts zugewiesen und in ihrem Gesamtfinanzrahmen mit den geplanten Jahresscheiben versehen. Jeder Fachminister muss den Pandemiebezug seiner Maßnahmen vertreten - gegenüber mir in den Verhandlungen zum Sondervermögen, gegenüber den Fachausschüssen des Landtages und gegenüber der Öffentlichkeit in Bezug auf die Wahrnehmung einer verantwortungsvollen und zukunftsgerichteten Politik. Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns das gut gelingen wird.

Meine Damen und Herren! Es lagen für das Sondervermögen zunächst mehr als 200 angemeldete Maßnahmen vor. Hiervon wurden rund 150 Maßnahmen zu 60 Maßnahmen zusammengefasst und 50 Maßnahmen aufgrund des fehlenden Pandemiebezuges von mir bereits abgelehnt. Wer also der Landesregierung und dem Finanzminister vorwirft, maßlos alle Wünsche der Fachministerien durch das Sondervermögen Corona zu erfüllen, der ist auf dem Holzweg. Dies zeigen unter anderem auch unsere Betrachtungen im Ländervergleich, sowohl qualitativ als auch quantitativ.

Ja, Mittel in Höhe von 1,95 Milliarden € für das Sondervermögen zuzüglich der coronabedingten und kreditfinanzierten Ausgaben für die Jahre 2020 und 2021 in Höhe von rund 700 Millionen € und zuzüglich der corona- sowie konjunkturbedingten und ebenso kreditfinanzierten Steuermindereinnahmen in Höhe von rund 800 Millionen € in den Jahren 2020 und 2021 ergeben eine Summe von rund 3,5 Milliarden € und bedeuten eine zusätzliche Kreditaufnahme infolge der Coronapandemie. Darüber ist ein Finanzminister nicht erfreut, aber er sieht einfach die Notwendigkeit dafür.

Das ist für unser Land eine enorme Summe, aber sie ist notwendig. Es liegen keine allgemeinen Rücklagen mehr vor, die genutzt werden könnten. Für uns ist auch sehr wichtig: Die Konsolidierungspartnerschaft zwischen Kommunen und Land wurde seitens des Landes in diesen extremen Zeiten nicht strapaziert, um gerade die Kommunen in der Krise in die Lage zu versetzen, den pandemiegebeutelten Menschen unseres Landes so weit wie möglich beizustehen.

Weder der kommende Haushaltsplan noch die mittelfristige Finanzplanung lassen erwarten, dass die notwendigen Ausgaben für den Maßnahmenkatalog im Rahmen der Haushaltsführung kurzfristig finanzierbar wären. Allein die Rechtsverpflichtungen des Landes sind zu hoch dafür, und das trotz der jüngsten, sehr positiven Steuerschätzung. Das heißt, Sachsen-Anhalt muss finanzpolitisch zweigleisig fahren, es muss die pandemiebezogenen Maßnahmen des Sondervermögens schnell und zielstrebig umsetzen und parallel dazu den Haushalt des Landes solide konsolidieren. Für zukünftige Herausforderungen müssen unbedingt wieder finanzpolitische Spielräume erarbeitet werden.

Meine Damen und Herren! Die Präsidenten aller Rechnungshöfe haben verabredet, als Wächter der Schuldenbremse zu wirken und pandemiebedingte Kreditaufnahmen besonders kritisch zu begleiten.

(Beifall)

Das ist aus meiner Sicht als Finanzminister auch gut so.

(Zustimmung)

Denn seien wir ehrlich, meine Damen und Herren: Auch Parlamente neigen dazu, mehr auf Kreditaufnahme statt auf Konsolidierung zu setzen.

(Zuruf)

Ich bin über jede Stimme froh, die auch in Sachsen-Anhalt auf das Ziel einer soliden Finanzpolitik hinweist.

(Zustimmung)

Wie maßvoll ein Handeln ist, lässt sich objektiv nicht bestimmen. Relative Einordnungen sind aber hilfsweise möglich. So entspricht z. B. das Sondervermögen des Landes Sachsen-Anhalt   jetzt in verschiedenen Relationen   bezogen auf die Bevölkerung einem Drittel und bezogen auf den Haushalt ebenfalls einem Drittel des Sondervermögens des Landes Hessen. Im Länderkonzept ist unser Entwurf eines Sondervermögens maßvoll ausgestaltet, wobei es an Entschiedenheit nicht fehlt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auf zwei Themen näher eingehen: die Zuführung zu den Universitätskliniken und die Aussagen des Urteils des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen zur parlamentarischen Beteiligung bei Sondervermögen.

Die Zuführungen an die Universitätskliniken dienen dem Ausgleich der Ausgaben und der Mindereinnahmen, die den Unikliniken während der Pandemie entstanden sind. Darüber hinaus werden sie die Unikliniken als zentrale Akteure bei der weiteren Pandemiebekämpfung im Land und sogar darüber hinaus ertüchtigen. Dem Vorwurf, damit würden Mittel aus dem Kernhaushalt ersetzt, muss ich mit Blick auf die Finanzlage des Landes Sachsen-Anhalt ganz deutlich entgegenhalten: Insbesondere die Hilfen für die Universitätskliniken wären aus zukünftigen Kernhaushalten des Landes, die im Rahmen der Schuldenbremse grundsätzlich ohne eigene Kreditaufnahme auskommen müssen, in dem im Sondervermögen vorgesehenen Umfang nicht zu stemmen.

Ein Unterlassen hätte zur Folge, dass im weiteren Pandemieverlauf und bei zukünftigen Pandemien die Menschen in Sachsen-Anhalt nicht so gut vor einer Pandemie geschützt werden könnten, wie es medizinisch möglich ist. Diesen Schutz nicht zu organisieren ist für mich keine Option. Die Universitätskliniken als Leuchttürme des Gesundheitswesens, insbesondere in der Pandemie, sollen zum Dank für ihre Hilfe in der Pandemie nicht abgetragen, sondern gestärkt werden, und das sowohl in Magdeburg als auch in Halle.

(Beifall)

Beiden Universitätskliniken werden aufgrund von gesundheitspolitischen pandemiebezogenen Vorhaben und Belastungen pauschal Mittel zugewiesen, die sie befähigen werden, diese pandemiebezogenen Maßnahmen in eigener Finanzverantwortung anzugehen und umzusetzen. Hierzu werden mit beiden Universitäten entsprechende Vereinbarungen geschlossen.

Erst vor drei Wochen, meine Damen und Herren, hat ein Urteil des Staatsgerichtshofs Hessen uns alle aufhorchen lassen. Dieser setzte sich kritisch mit der Frage auseinander, ob und inwieweit das hessische Sondervermögen Corona im Einklang mit den landesverfassungsrechtlichen Forderungen steht. Um es vorwegzunehmen: Ich sehe die Rechtmäßigkeit unseres Sondervermögens Corona durch das Urteil bestätigt. Es wird den kommenden rechtlichen Einwänden standhalten.

Im Kern sah der hessische Staatsgerichtshof das Budgetrecht des Landtages beim hessischen Sondervermögen nicht ausreichend gewahrt. Eine Verletzung des Budgetrechts sah der hessische Staatsgerichtshof vor allem darin, dass der Hessische Landtag selbst nicht hinreichend bestimmt geregelt habe, welche Maßnahmen in welcher Höhe aus dem Sondervermögen finanziert werden dürfen, und dass das Volumen des Sondervermögens in Hessen mit 12 Milliarden € im Verhältnis zu den nur sieben im Gesetz genannten Maßnahmen zu hoch sei.

Bei dem für Sachsen-Anhalt vorgelegten Gesetzentwurf zum Sondervermögen ist das Gegenteil der Fall. Unser Sondervermögen verfügt bei 60 Maßnahmen über ein Volumen von 1,95 Milliarden €. Alle Maßnahmen sind im Gesetz selbst geregelt und mit einem Finanzrahmen hinsichtlich der Höhe und der Zeit ausgestattet. Mit dem Nachtragshaushalt entscheidet der Landtag abschließend über das Sondervermögen einschließlich Kreditaufnahme. Dort, wo in unserem Gesetzentwurf unter dem Eindruck des hessischen Urteils eine Maßnahme noch nicht hinreichend bestimmt geregelt erscheint, sollte in dem anstehenden parlamentarischen Verfahren mit der Fachkunde der Fachausschüsse nachgeschärft werden.

(Beifall)

Der hessische Staatsgerichtshof rügte weiterhin, dass bei den im hessischen Sondervermögen vorgesehenen Maßnahmen nicht durchgängig ein Veranlassungszusammenhang zur Pandemiebekämpfung erkennbar sei. In dem Gesetzentwurf für das Sondervermögen in Sachsen-Anhalt wird dieser Veranlassungszusammenhang   wir haben ihn Pandemiebezug genannt   für jede Maßnahme einzeln erläutert.

Nach der Philosophie unseres Sondervermögens dienen die Maßnahmen der Stärkung des Gesundheitssektors mit einem Volumen von 975 Millionen €, der Digitalisierung des Landes mit einem Volumen von 719 Millionen € sowie dem Restart der Wirtschaft und der Gesellschaft mit einem Volumen von 256 Millionen €. Der Pandemiebezug liegt jeweils auf der Hand und wird im Gesetzentwurf abgebildet. Nur ein starker Gesundheitssektor kann die Menschen in der Pandemie vor Krankheit und Tod schützen. Für die Digitalisierung der Verwaltung gilt: Jeder ersparte Gang zum Amt und jede digitale Wahrnehmung öffentlicher Dienstleistungen schützt vor Ansteckung.

(Zustimmung)

Mit den Restart-Programmen soll dauerhaft von der Pandemie besonders betroffenen Gruppen geholfen werden.

Anders als in Hessen nehmen wir ein Sondervermögen nicht zum Anlass, um den Klimaschutz oder andere Vorhaben der Landesregierung zu fördern. Die Forderung, das Sondervermögen auszuweiten, können wir aus verfassungsrechtlicher Sicht also nicht befürworten.

(Beifall)

Letztlich fordert das hessische Urteil eine intensive Beteiligung des Parlaments beim Vollzug des Sondervermögens. Übertragen auf das Land Sachsen-Anhalt hieße das, dass bei einer Umschichtung innerhalb des Sondervermögens Corona von mehr als 1 Million € nicht nur der Finanzausschuss, sondern auch der Landtag beteiligt werden muss. Hierbei stellt sich die Frage, ob das hessische Staatsgerichtshofsurteil eins zu eins auf die Regelung unseres Sondervermögens zu übertragen ist. Dies ist in den anstehenden Beratungen zu klären.

Meine Damen und Herren! Am Ende meiner Ausführungen zum Sondervermögen Corona möchte ich auf den Vorwurf eingehen, das Sondervermögen sei   in Anführungszeichen   nur ein Finanztrick, um die Deckungslücke zu schließen. Hierzu weise ich darauf hin, dass die Entlastung für das Haushaltsjahr 2022 ungefähr 313 Millionen € beträgt. Wir reden dann aber immer noch über eine Deckungslücke von rund 1,5 Milliarden €.

Eine letzte Bemerkung zum Sondervermögen sei mir noch erlaubt. Den Vorwurf, das Sondervermögen sei nicht nachhaltig, da es keine Klimaschutzmaßnahmen beinhalte, lasse ich in keiner Weise gelten. Erstens wären rein klimaschutzbezogene Maßnahmen im pandemischen Kontext in keiner Weise verfassungsgemäß. Lesen Sie bitte das hessische Urteil, das dazu sehr konkrete Aussagen trifft. Zweitens negiert dieser Vorwurf die mobilitätsreduzierenden Maßnahmen der Digitalisierung komplett, und drittens erfüllt das Sondervermögen Corona mit jeder Maßnahme eines oder mehrere Nachhaltigkeitsziele der UN, allen voran das Ziel der Stärkung der Gesundheitsversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger.

Meine Damen und Herren! Nun ein weiteres Thema des Nachtragshaushaltsbegleitgesetzes, das Gewerbesteuerausgleichsgesetz. Um die pandemiebedingten voraussichtlichen Steuerausfälle der Gemeinden im Jahr 2021 auszugleichen, wird mit dem Nachtragshaushalt auch der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuerausgleichsgesetzes Sachsen-Anhalt eingebracht. Der Gesetzentwurf sieht vor, den Gemeinden Steuerausfälle in Höhe von 66 Millionen € pauschal auszugleichen.

Zunächst ein kurzer Rückblick auf das vorangegangene Jahr. Mit dem Gewerbesteuerausgleichsgesetz Sachsen-Anhalt hat das Land die pandemiebedingten Gewerbesteuerausfälle der Gemeinden im Jahr 2020 mit Mitteln in Höhe von insgesamt 162 Millionen € pauschal ausgeglichen. Diese Ausgaben haben Bund und Land hälftig getragen, das Land mit 81 Millionen € und der Bund mit 81 Millionen €. Darüber hinaus hat das Land im Dezember 2020 Zuweisungen an die Kommunen in Höhe von 38,7 Millionen € ausgezahlt. Das sind ganz erhebliche Beträge.

Durch diese zusätzlichen Leistungen von Land und Bund konnten die pandemiebedingten Einbrüche bei den kommunalen Einnahmen im Jahr 2020 mehr als kompensiert werden. Die kommunalen Kernhaushalte wurden stabilisiert. Das zeigt sich auch darin, dass der Finanzierungssaldo der Kommunen im Jahr 2020 fast ausgeglichen war und sie sogar ihre Schulden weiter abbauen konnten. Den Kommunen wurde also in der Krise umfangreich geholfen.

Im Gegensatz dazu lag   das muss man sich anschauen   der Finanzierungssaldo des Landes im Jahr 2020 bei rund minus 900 Millionen €. Diese Summe kann man einmal ins Verhältnis setzen zu dem Geld, das das Land in die Kommunen hineingegeben hat.

Meine Damen und Herren! Entsprechend der Verfahrensweise im vorangegangenen Jahr sind wieder zwei Steuerschätzungen nebeneinandergelegt worden, und zwar die letzte Steuerschätzung vor Corona vom Oktober 2019 und die zum Zeitpunkt der Verhandlung des Koalitionsvertrages aktuelle Steuerschätzung vom Mai 2021, diesmal allerdings nicht nur bezogen auf die Gewerbesteuer, sondern auf die Steuereinnahmen der Gemeinden insgesamt. Im Mai 2021 sind für das Jahr 2021 um einen Betrag von 66 Millionen € geringere Steuereinnahmen prognostiziert worden als noch im Oktober 2019.

Wie Sie sicherlich der Presse entnommen haben, gibt es seit der Steuerschätzung in der letzten Woche neue Schätzzahlen. Danach werden für das Jahr 2021 nunmehr um einen Betrag von 44 Millionen € höhere Steuereinnahmen der Gemeinden prognostiziert als noch im Mai 2021. Das ist für unsere Gemeinden zunächst einmal sehr erfreulich.

Das bedeutet aber auch: Würde man diese aktuelle Steuerschätzung für das Jahr 2021 neben die letzte Steuerschätzung vor Corona vom Oktober 2019 legen, ergäbe sich ein Ausgleichsbetrag von 22 Millionen €. Die nach dem Gesetzentwurf vorgesehenen Zuweisungen an die Gemeinden könnten also von 66 Millionen € auf 22 Millionen € abgesenkt werden. Davon rate ich ab.

Wir müssen davon ausgehen, dass die Kommunen weitere durch Corona bedingte Ausgaben hatten, die durch die zusätzlichen 44 Millionen € abgedeckt werden können.

(Zustimmung)

Meine Damen und Herren! Ich komme nun auf die vorgesehene Verteilung des Ausgleichsbetrages zu sprechen. § 1a des Gesetzentwurfes sieht pauschale Gewerbesteuerausgleichszuweisungen im Jahr 2021 in Höhe von 33 Millionen € vor. Was die aktuelle Steuerschätzung angeht, so haben wir fast eine Punktlandung gemacht. Das Minus bei der Gewerbesteuer gegenüber der Steuerschätzung aus der Zeit vor Corona liegt bei 36 Millionen €, also 3 Millionen € höher als bei der alten Schätzung.

§ 1b des Gesetzentwurfes sieht Zuweisungen zum pauschalen Ausgleich von weiteren Steuerausfällen im Jahr 2021 in Höhe von ebenfalls 33 Millionen € vor. Was die aktuelle Steuerschätzung angeht, haben wir kein Minus, sondern sogar ein Plus gegenüber der Vor-Corona-Steuerschätzung. Daher kommt auch die Differenz von 44 Millionen €.

Die Zuweisungen an die Gemeinden sollen noch im Dezember 2021 ausgezahlt werden. Für das Land hat das den Vorteil, dass sich die Zahlungen ohne Weiteres dem Haushalt 2021 zuordnen lassen. Damit wird dann der Haushalt 2022 nicht belastet.

Das Statistische Landesamt wurde gebeten, alle erforderlichen Maßnahmen zur zeitnahen Umsetzung des Gesetzes zu veranlassen. Wegen des erforderlichen zeitlichen Vorlaufs zur Umsetzung des Gesetzes werde ich den Ausschuss für Finanzen in seiner kommenden Sitzung am Montag um eine Ermächtigung bitten, zum 20. Dezember dieses Jahres Vorgriffszahlungen an die Gemeinden auf der Grundlage des Gesetzentwurfes der Landesregierung leisten zu dürfen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte abschließend auf die Änderung des Gesetzes zur Errichtung des Landesbetriebes Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt, kurz BLSA, eingehen. Die Gesetzesänderung dient allein der Auflösung des Verwaltungsrates des BLSA. Diese ist gemäß § 7 Abs. 1 des Organisationsgesetzes des Landes als ein Schritt zur effizienten Bau- und Liegenschaftsverwaltung geboten, da nicht erforderliche Organe oder Gremien aufzulösen sind. Mit dem Beirat des BLSA ist der enge kontinuierliche fachliche Austausch zwischen Legislative und Exekutive gewährleistet.

Ich bitte um Unterstützung des Nachtragshaushaltsgesetzes und des Nachtragshaushaltsbegleitgesetzes und wünsche uns allen konstruktive Beratungen im Finanzausschuss und in den Fachausschüssen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Minister Richter. - Der Abg. Herr Lange hat eine Frage.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Herr Richter, ich will bezüglich der 320 Millionen € für die Universitätsklinika nachfragen. Ich bin weit davon entfernt, eine Landesregierung dafür zu kritisieren, dass sie den Universitätsklinika Geld zur Verfügung stellt. Ich wäre der falsche Sprecher in meiner Fraktion, wenn ich das täte. Mich interessiert der Mechanismus dahinter.

Wir können dem Gesetzentwurf entnehmen, dass im nächsten Jahr einmalig 320 Millionen € zur Verfügung gestellt werden sollen. In den Erläuterungen ist aufgeführt, dass diese sowohl für bauliche Maßnahmen als auch für pandemiebedingte Ausfälle bereitgestellt werden. „Pandemiebedingte Ausfälle“ kann ich in dem Zusammenhang durchaus nachvollziehen. Mich interessiert, was mit „baulich“ gemeint ist. Sind damit auch die Bauabschnitte gemeint, die schon geplant sind, oder gibt es über das eigentliche Baugeschehen hinaus noch bauliche Veränderungen, die mit diesem Geld gewährleistet werden sollen? Und wie ist das Verhältnis zueinander?


Michael Richter (Minister der Finanzen):

Herr Lange, eines ist klar: Die pandemiebedingten Umsatzausfälle werden ausgeglichen. Das Vorhalten von Betten, die Nutzung der Betten auf den Intensivstationen durch Coronapatienten und damit einhergehend nicht stattfindende anderweitige Operationen haben zu erheblichen Verlusten bei beiden Universitätsklinika geführt.

Bauliche Maßnahmen   ob am Haus 20 und am Bettenhaus II in Halle, oder am Haus 60 c in der Uniklinik Magdeburg   sind davon nicht betroffen.

Bauliche Maßnahmen sind zum Teil erforderlich, um Coronastationen entsprechend anders aufzurüsten - das Ganze in Verbindung mit den Intensivstationen. Dies leitet sich sicherlich daraus her, dass wir uns insgesamt anders aufstellen müssen im Hinblick auf die Ausstrahlung in die Region. Wir müssen sicherlich daran arbeiten, dass wir die Kliniken in die Lage versetzen, über Entfernungen mitzuberaten und Untersuchungen stattfinden zu lassen. Das wirkt sich natürlich auch auf die Struktur einer Uniklinik aus, sowohl baulich als auch inhaltlich.

Das wird jetzt im Einzelnen mit den Universitätskliniken beraten und dann in den entsprechenden Vereinbarungen festgehalten, die wir bis spätestens Februar abschließen wollen.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Der Abg. Scharfenort hat eine Zwischenbemerkung.


Jan Scharfenort (AfD):

Eine Krisenintervention sollte es sein.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Entschuldigung, es ist eine Zwischenintervention.


Jan Scharfenort (AfD):

Genau. - Herr Minister, als Erstes einmal: Wieso nennen Sie es immer Sondervermögen und nicht, was es eigentlich ist, Sonderschulden? Wir wissen hier natürlich alle, was gemeint ist, aber es würde den Bürgern vielleicht helfen, wen das einmal korrekt bezeichnet würde.

Das Zweite. Wenn ich mir den Entwurf zum Nachtragshaushaltbegleitgesetz anschaue, dann stelle ich fest, in Artikel 2 geht es um den Landesbaubetrieb. Mich wundert - es ist für mich schon fast historisch  , dass sich zum ersten Mal ein Aufsichtsrat auflösen soll. Deshalb die Frage: Warum wird dieser faktisch aufgelöst? Danach fällt der Aufsichtsrat praktisch als Kontrollgremium weg. Was ist der Hintergrund? Ich habe eine Vermutung, aber das ist nur eine Vermutung. Vielleicht bestätigt sich meine Vermutung. - Vielen Dank.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Scharfenort, das war eine Zwischenfrage, aber Herr Minister Richter wird diese Frage selbstverständlich beantworten.


Michael Richter (Minister der Finanzen):

Frau Präsidentin, das macht gar nichts. - Zum Landesbetrieb Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt: Das BLSA, das aufgrund der Koalitionsvereinbarung 2011 vom damaligen MLV zum Finanzministerium wechselte, war in der Planung nicht als nachgeordneter Bereich angedacht. Man ging davon aus, dass dieser ein selbstständiger Bereich sein wird mit der Folge, dass ein Aufsichtsrat eingerichtet wurde, was in der Umsetzung letztlich nicht mehr zum Tragen kam. Deshalb ist der Aufsichtsrat fehl am Platz. Ich sage es so deutlich. Viel wichtiger ist die fachliche Begleitung und die ist mit dem Beirat gegeben.

Zum Thema Sondervermögen: Das ist eine Definition. Das Sondervermögen zählt zu den Sonderschulden.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Ich sehe keine weiteren Nachfragen bzw. Interventionen. - Damit bedanke ich mich bei Herrn Minister Richter für die Einbringung.