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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 10

Beratung

Abellio-Insolvenz - Öffentlichen Regionalverkehr sichern, ausbauen und in öffentliche Hand geben

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/149

Alternativantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/173


Einbringer ist der Abg. Guido Henke. Wir haben eine Fünfminutendebatte vereinbart. - Herr Henke, Sie haben das Wort.


Guido Henke (DIE LINKE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute vor einer Woche zu fast genau dieser Tageszeit erreichte die Mitarbeiter der Abellio GmbH die Nachricht, dass der Betrieb nach dem 1. Oktober dieses Jahres fortgesetzt werden wird.

Als einer der Ersten erfuhr so auch ich, nämlich als Bahnreisender, von dieser guten Nachricht und sah der jungen Zugbegleiterin die Freude im Gesicht stehen. Diese Freude ist für meine Fraktion Anlass, um dem Geschäftsführer der NASA GmbH, Peter Panitz, und seinen Mitarbeitern unseren ganz großen Dank für das bisher Erreichte auszusprechen.

(Zustimmung)

Viele Pendler werden das genauso sehen und erleichtert über das Ergebnis sein. Aus der dann aber im Tagesverlauf des 10. September veröffentlichen Pressemitteilung der NASA GmbH gehen die noch zu erledigenden Aufgaben hervor.

Ein Anliegen unseres Mitte vergangener Woche erarbeiteten Antrages ist es auch, klarzustellen, dass sich die gesamte Landespolitik, der Landtag und die Landesverwaltung den erpresserischen Methoden gemeinsam widersetzen müssen und eine Wiederholung nicht zulassen dürfen.

(Beifall)

Heute, sehr geehrte Damen und Herren, gilt das Prinzip Hoffnung. Aber nicht nur mit Blick auf die Vorgeschichte dieses Verkehrsvertrages bestehen die prinzipiellen Probleme weiter, nämlich jene, die aus Privatisierungs- und Wettbewerbsdenken und den daraus resultierenden Regeln entstanden sind.

Zur Verdeutlichung ein kurzer Blick zurück. Die Auskömmlichkeit des Angebotes von Abellio im Vergabeverfahren erweckte von Beginn an Zweifel. Jenes mussten nachgeprüft werden. Es hieß: Doch, doch, alles passt, das Angebot ist auskömmlich.

Meine zu jener Zeit - das war in der vorletzten Wahlperiode - geäußerten Zweifel an der Eignung dieses Bieters, an dessen Leistungsfähigkeit wegen erkennbar fehlenden Personals, wurden zurückgewiesen. Es hieß: Endlich hätten die Monopolpreise der Deutschen Bahn AG ein Ende und das Land Sachsen-Anhalt könne Regionalisierungsmittel sparen, was dringend notwendig sei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hierzu zwei Anmerkungen:

Erstens. Die im Vorjahr erhobenen finanziellen Nachforderungen von Abellio entsprachen in etwa jenem Betrag, mit dem das Angebot von DB Regio unterschritten wurde.

Zweitens. Der Sparzwang für Sachsen-Anhalt ergibt sich aus der mittelfristigen Unterfinanzierung des SPNV; denn bekanntlich werden Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2022 angeblich zu viel Regionalisierungsmittel, dann aber bis zum Jahr 2031 zu wenig Regionalisierungsmittel überwiesen.

Dieses Ansparen aus Kapitel 14 03 des Landeshaushaltes weckt regelmäßig Begehrlichkeiten, daraus andere Aufgaben zu finanzieren. Nur, was hat das Land Sachsen-Anhalt seit dem Jahr 2016, in dem das Regionalisierungsgesetz geändert wurde, getan? Was wurde getan, um den Kannibalismus zwischen den Bahngesellschaften zulasten der Versorgungssicherheit und der Qualität der Beschäftigten zu beenden?

Inzwischen wird gespart und in den Landeshaushalt musste ein neuer Haushaltstitel eingeführt werden, um die Negativzinsen erfassen zu können, die nun auf das Sparguthaben gezahlt werden müssen. Welch ein Irrsinn! Ein deutlicheres Bild kann es doch für eine misslungene Privatisierungspolitik gar nicht geben.

(Beifall)

Fakt ist: Die DB Netz AG befindet sich faktisch in Bundesbesitz. Der Schienenpersonennahverkehr wird vom Land mit Regionalisierungsmitteln, also öffentlichen Mitteln, bestellt und bezahlt. Wie kann es dort einen Wettbewerb geben? Denn das beginnt schon bei den Trassenpreisen der Bahn AG.

Schon vor gut zweieinhalb Jahren wies der Bundesrechnungshof im Prüfbericht anlässlich des 25. Jahrestages der sogenannten Bahnreform darauf hin, dass eine gewinnorientierte Unternehmensform, wie der Aktiengesellschaften oder der GmbH, für den öffentlich zu gewährleistenden Verkehr grundgesetzwidrig ist.

Nach Artikel 87e des Grundgesetzes hat die Deutsche Bahn dem Wohl der Allgemeinheit und den Verkehrsbedürfnissen zu entsprechen. Eine Gewinnerzielung aus dem GmbH- und Aktienrecht widerspricht dieser Verfassungsnorm.

(Zustimmung)

Das heißt, für DB-Unternehmen dürfte kein Wettbewerb zulässig sein. Sachsen-Anhalt jedoch unterwirft die DB Regio im sogenannten wettbewerblichen Verfahren genau diesem. Woher sollen denn Kostenvorteile auch kommen können? Sie können nur zulasten der Beschäftigten entstehen. Alles andere ist reglementiert und vom Verkehrsunternehmen so gut wie nicht beeinflussbar.

Nur über Arbeitszeiten, Eingruppierungen sowie Zulagen und Arbeitsfreistellungen - bei den beiden letztgenannten genauer: deren Verzicht - ist eine Gewinnmarge möglich und das bei einem hochsicherheitsrelevanten System wie dem Bahnverkehr. Das wird dann mit dieser geheuchelten Verwunderung über fehlendes Personal verbunden. Na klar: Mit der Bahnreform wurden diese Berufe unattraktiv gemacht, was Billigbietern, wie Abellio, erst den Markteintritt schmackhaft machte.

(Zustimmung)

Das wurde mit der Betriebsaufnahme von Abellio zum Jahreswechsel 2018/2019 anhand von Zugausfällen, Schienenersatzverkehr und entliehenen Lokführern deutlich sichtbar.

Dann folgten zügig Abellios finanzielle Nachforderungen und in der nächsten Phase der Druckausübung, der am 30. Juni 2021 eingereichte Antrag auf ein eigenverwaltetes Schutzschirmverfahren. Jenes ermöglichte ganz schnell den Griff in die Kasse. Zauberwort „Insolvenzgeld“. Die Kritik daran einte zu dem Zeitpunkt den damaligen Verkehrsminister Webel und meine Fraktion.

Abellio enthob sich so für drei Monate für 3 100 Mitarbeiter, davon ca. 1 000 in Sachsen-Anhalt, der Pflicht zur Entlohnung.

Den bisherigen Höhepunkt dieses wettbewerblichen Verfahrens als Ergebnis von Privatisierungspolitik stellte dann die Drohung dar, die Beförderungsleistung zum 1. Oktober einzustellen. Und das blieb nicht ohne Erfolg.

Das finanziell attraktivere Saale-Thüringen-Südharz-Netz verbleibt, wie vereinbart, bis Dezember 2030 bei Abellio mit Ergänzungen für Baumaßnahmen und einer Patronatserklärung.

Der weniger schöne Verkehrsvertrag Dieselnetz - dummerweise ist das der, den ich nutze - wird vorzeitig beendet. Das ist Rosinenpicken vom Feinsten. Sachsen-Anhalt klärt die Probleme. Die Abellio GmbH kassiert.

(Zustimmung)

Besser ist der Sinn von Privatisierung nicht zu erklären.

Geehrte Damen und Herren! Wir sprechen von ÖPNV, also von Öffentlichem Personennahverkehr, und nicht von PPNV, also von Privatem Personennahverkehr. Deswegen bekräftigt meine Fraktion ihre Forderung, den öffentlichen Verkehr in öffentliche Hand zu übertragen.

(Beifall)

Ja, wir wollen zurück zur Staatsbahn.

(Zuruf von Guido Heuer, CDU)

- Hör einmal zu, Guido: Die aufwendigen Ausschreibungsverfahren, die Vergabe- und Vertragsstreitigkeiten wären völlig unnötig und an dieser Stelle gleichzeitig eine echte Entbürokratisierung.

(Zustimmung - Zuruf)

Dass der Wettbewerb nicht funktioniert, habe ich schon gesagt.

Aus den Folgen der am 10. September erzielten Vereinbarung ersehen Sie die Notwendigkeit unseres Antrages. Es ist lediglich der erste von sieben Antragspunkten vorläufig - ich betone: vorläufig - erfüllt. Denn in der Pressemitteilung weist die NASA GmbH darauf hin, dass alle Absprachen in den Insolvenzplan zu überführen sind. Bislang stellt das gesamte Konzept nur eine unverbindliche Absprache dar. Es ist noch nicht rechtlich, finanziell, technisch und organisatorisch gesichert. Die parlamentarische Begleitung ist aus der Sicht der Fraktion DIE LINKE unerlässlich.

(Zustimmung)

Sie ist auch unerlässlich für die Beschäftigten, die Pendler und für die Landeskasse. Die Forderung nach parlamentarischer Begleitung ergeht auch vor dem Hintergrund eines sich neu formierenden Fachressorts. So wichtig Digitales ist, eigentlich ist es doch heutzutage systematisch als Bestandteil von Infrastruktur mitzudenken. Bislang hören wir vornehmlich: im künftigen Ministerium für Digitales. Verkehrspolitik, Wohnraumförderung, Stadt- und Landesentwicklung sind weiterhin notwendig. Einer Verzwergung dieser Themen werden wir nicht zustimmen.

(Zustimmung)

Verehrte Damen und Herren! Eine sozial gerechte und klimaschonende Mobilität als Bestandteil öffentlicher Leistungen wird nur mit einem entsprechend starken, d. h. personell gut ausgestatteten Fachministerium zu organisieren sein.

Nun noch eine Anmerkung zum Alternativantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir halten ihn für nicht ausreichend. Einen Dank können wir hier alle öffentlich äußern, den müssen wir hier nicht beschließen.

(Lachen)

Eine bloße Kenntnisnahme des Fortgangs der Ereignisse ist auch etwas anderes als eine parlamentarische Begleitung.

(Zustimmung)

Konsequenzen nur für das private Vergaberecht sind aus der Sicht unserer Fraktion nicht genug.

(Zustimmung)

Da wir noch viel vor uns haben, beantragt meine Fraktion die Überweisung unseres Antrages und des Alternativantrages in einen sich irgendwann einmal zu konstituierenden Ausschuss für Infrastruktur und Digitales. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)