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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 28

Beratung

Der Blick über den Gartenzaun - Das Kleingartenwesen in Sachsen-Anhalt verstärkt in den Fokus nehmen

Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/4023


Einbringerin ist Frau Eisenreich. - Frau Eisenreich, Sie haben das Wort. 

(Zustimmung bei der Linken - Unruhe)

- Ich bitte das Plenum noch einmal, den Geräuschpegel ein bisschen zu senken. - Frau Eisenreich, bitte sehr. 


Kerstin Eisenreich (Die Linke): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf meine Einbringung mit einem Zitat beginnen: „Deutsches Idyll: Der Kleingarten und seine Geschichte.“ - So titelte im April dieses Jahres der „National Geographic“ online. Weiter heißt es: Nirgendwo in Europa gibt es mehr Kleingärten als in Deutschland.

(Unruhe - Eva von Angern, Die Linke: Pst!)

Verschiedene Bedürfnisse und Notlagen haben zur Entstehung der Kleingärten und der Kleingartenkultur geführt. Dazu empfehle ich tatsächlich ausdrücklich einmal, den genannten Artikel zu lesen. Die Kleingartenkultur ist bis heute bei uns fest verankert. 

Ja, ich selbst bin an Wochenenden und in der Freizeit in den Kleingärten meiner Eltern, Großeltern und verschiedener Verwandter groß geworden. Kinder lachen beim Spielen auf dem Rasen, Erdbeeren naschen oder einfach nach getaner Arbeit im Gartenstuhl sitzen, etwas mit eigener Händearbeit schaffen, ernten, was man selbst angebaut hat, Blütenpracht genießen, mit Gartennachbarn in Wettstreit treten oder auch in der Gemeinschaft des Vereins aktiv werden - das sind nur einige sehr individuelle Motivationen, die Menschen zum Erwerb eines Kleingartens führen. 

Auch immer mehr junge Menschen interessieren sich dafür. Kleingartenvereine können so ihre Erfahrungen weitergeben, insbesondere natürlich an die junge Generation, und machen damit Kleingärten auch zum Lernort. Freizeitgestaltung, Erholung, Rückzugsort, Selbstverwirklichung - all diese Funktionen erfüllen Kleingartenanlagen noch heute. Zu einem sozialen und demokratischen Miteinander trägt das Zusammensein in Vereinen bei. Sie sind ein Ort, an dem Menschen ganz unterschiedlicher geografischer und sozialer Herkunft das Interesse an der Gartenarbeit und an der Freizeitnutzung teilen. So können Inklusion und Integration gelebt werden und gelingen, ohne großes Aufheben davon zu machen. Dafür gibt es ganz wunderbare Beispiele.

(Beifall bei der Linken)

Wie oft genießen Besucherinnen und Besucher die Gartenanlagen, insbesondere wenn sie nicht selbst einen solchen besitzen. Wer geht denn nicht gern in Gartenanlagen spazieren und wirft dann auch einmal einen Blick über den Gartenzaun hinweg, um dann nicht nur die Schönheit zu genießen, sondern auch saubere Luft sowie angenehme Temperaturen durch das Mikroklima, insbesondere natürlich auch heute in überhitzten Städten? Für all diese Leistungen gilt allen, insbesondere den Vorständen, unser Dank und unsere Anerkennung für ihre ehrenamtliche Arbeit und für ihr Engagement. 

(Beifall bei der Linken - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Doch machen wir uns nichts vor. Das Kleingartenwesen steht seit Jahren vor großen Herausforderungen. Laut der Antwort auf meine Kleine Anfrage in der Drs. 8/2032 hat Sachsen-Anhalt mit einem Leerstand von ungefähr 17 % zu kämpfen. Allerdings ist auch hier die Situation sehr differenziert. Während in großen Städten die Nachfrage zum Teil höher ist als das Angebot, ist es im ländlichen Raum oft sehr schwierig, leerstehende Gärten neu zu vermitteln. Leerstand führt zu finanziellen und organisatorischen Problemen, da die Gesamtpachtsumme auf weniger Pächterinnen und Pächter übertragen werden muss. Leerstehende Gärten und Gebäude verwildern oder werden marode aufgrund der mangelnden Pflege. Das sieht nicht nur nicht schön aus, sondern ist natürlich auch gefährlich. 

Kleingartenvereine und Kommunen sehen sich auch zunehmend einer Konkurrenz ausgesetzt, weil der Flächenbedarf für Baugebiete, Infrastrukturmaßnahmen und anderes steigt. Wie geht man also damit um, dass sich die Rahmenbedingungen für das Kleingartenwesen ändern? Ideen zur Bewältigung des Leerstandes gibt es, und sie sind vielfältig - seien es Gemeinschaftsgärten, Blüh- und Streuobstwiesen oder Kooperationen mit Imkern, um nur einige zu nennen. Aber nicht alle Vereine können das auch praktisch umsetzen, zumal allein zur Beräumung von leerstehenden Gärten, insbesondere beim Rückbau und bei der Entsorgung von Gebäuden, Kosten anfallen. 

(Zustimmung bei der Linken)

Deshalb will meine Fraktion mit dem heutigen Antrag erreichen, dass die Landesregierung gemeinsam mit allen Akteuren, also auch Kommunen und dem Kleingartenverband, Handlungsfelder und Strategien für die Zukunft der Kleingartenanlagen definiert und formuliert. 

Zur Bewältigung des Leerstandes liegen seit Januar dieses Jahres Vorschläge von fünf ostdeutschen Landesverbänden in einem Strategiepapier vor. Das müsste eigentlich allen Fraktionen zugegangen sein.

(Beifall bei der Linken)

Aus unserer Sicht sollten diese Vorschläge in die Diskussion einbezogen werden. So könnten nicht bewirtschaftete Gärten auch z. B. von Schulen, Horte und Kitas genutzt werden. Auch soziale Einrichtungen könnten solche Gärten nutzen, um z. B. bedürftige Menschen zu unterstützen, indem diese in die Gartenarbeit einbezogen werden und so soziale Kontakte und auch Tagesstruktur erleben. Außerdem können sie dann noch mit frischen und gesunden Lebensmitteln unterstützt werden. 

(Beifall bei der Linken - Zustimmung von Kathrin Tarricone, FDP)

Auch dafür gibt es schon Beispiele. Aber möglicherweise sind es rechtliche und organisatorische Unsicherheiten, die dem bisher entgegenstehen. Ja, es mag sein, dass auch Befürchtungen um möglichen Lärm manchmal zu Zurückhaltung führen. 

Interesse an Gartenflächen bekunden aber auch Initiativen der gemeinwohlorientierten Landwirtschaft, weil für sie der Zugang zu landwirtschaftlichen Nutzflächen durch hohe Kauf- und Pachtpreise doch immer wieder recht schwierig ist. Es sollte daher aus unserer Sicht auch einmal geprüft werden, inwieweit leerstehende Gärten hierfür genutzt werden können und welche rechtlichen Grundlagen ggf. dafür nötig sind und wie dann eine solche Nutzung möglichst schnell, konflikt- und bürokratiearm umgesetzt werden kann. 

(Beifall bei der Linken - Zustimmung von Kathrin Tarricone, FDP)

Dies gilt auch für die Möglichkeit der Flächennutzung für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Damit könnte nämlich auch der Druck auf landwirtschaftliche Flächen reduziert werden, und die Gartenanlagen profitieren hiervon in mehrfacher Hinsicht. Das betrifft natürlich auch in dem Rahmen Regelungen zur Übernahme von Pacht- und Betriebskostenzahlungen. 

Ich habe schon erwähnt, dass es durchaus Kleingartenvereine gibt, die ihr Wissen an Kinder und Jugendliche weitergeben. Das passiert häufig im Rahmen der Bildung für nachhaltige Entwicklung, wofür wir auch im Landeshaushalt Geld zur Verfügung stellen. Es steht und fällt allerdings immer mit engagierten Personen, die auch bereit dazu sind, sich durch Antragsformulare und durch Abrechnungen zu wühlen und, wenn nicht, die Kosten irgendwie über die Vereine zu kompensieren. Wenn wir wollen, dass Kleingärten für junge Menschen attraktiver werden, sollte diese Arbeit erleichtert werden und auch die Möglichkeit der Einnahme z. B. von Teilnahmegebühren und ähnlichen rechtssicher gestaltet werden. 

Um dem organisierten Kleingartenwesen bei den Umbaumaßnahmen finanziell unter die Arme zu greifen, schlagen wir über die bestehenden Förderprogramme hinaus eine Förderung nicht nur für den Abriss und Rückbau, sondern auch für die entsprechende Umgestaltung von leeren Parzellen vor. Hierzu sollen pro Jahr 1 Million € im Haushalt veranschlagt werden. Da jedoch vorhandene Förderprogramme wegen ihrer Komplexität oftmals für die ehrenamtlich Tätigen eher abschreckend sind und die Mittel dadurch kaum abfließen, sollte auch hier einmal überprüft werden, wie gut sie eigentlich nutzbar sind. Da könnten Handreichungen und Leitfäden vielleicht unterstützend helfen. Sicher wird sich aus der Analyse der aktuellen Situation noch anderer Handlungsbedarf ergeben. 

Wenn wir uns hier aber alle einig sind, welche Bedeutung Kleingartenanlagen und  vereine für uns alle, für unsere Kommunen, für die Umwelt und die Biodiversität haben, sollten wir einfach alles unternehmen, um die Kleingartenkultur bedarfsgerecht in unserem Land zu erhalten und zukunftsfest zu machen.

(Beifall bei der Linken)

Dazu sind auch die ehrenamtlichen Vereinsvorstände und die Kommunen tatkräftig zu unterstützen. Dann lohnt sich auch immer wieder der Blick über den Gartenzaun. 

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.