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Plenarsitzung

Transkript

Konstantin Pott (FDP): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte, bevor ich auf meinen eigentlichen Redebeitrag komme, eins, zwei Sachen klarstellen, wenn wir über das Thema „Bürgergeld“ sprechen. Der Vorschlag, den die Freien Demokraten gemacht haben - liebe Kollegin von Angern, daran hat man gemerkt, dass Sie überhaupt nicht Bescheid wissen, worum es geht  , ist, dass die Sanktionen von 30 % schneller ergriffen werden können, als es jetzt aktuell möglich ist, 

(Zustimmung bei der FDP)

und das auch nur, wenn ein vorliegender Arbeitsvertrag abgelehnt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Sinne der Leistungsgerechtigkeit in diesem Land ist es auch absolut richtig, da Sanktionen zügig zu ergreifen.

(Beifall bei der FDP)

Armut ist facettenreich und auch die Gründe und Auswirkungen sind es. Armut kann temporär oder langwierig sein. Viel zu häufig aber zieht sich Armut durch das ganze Leben und wird über Generationen hinweg vererbt. Was die Gründe dafür sind und wie wir am Ende Armut wirksam bekämpfen können - das kommt in dieser Debatte viel zu kurz -, darauf möchte ich gleich ein bisschen eingehen. Kurz als Spoiler, direkt zu Beginn: Die ständige Erhöhung der Sozialausgaben wird uns nicht dabei helfen, Armut nachhaltig in diesem Land zu bekämpfen.

(Beifall bei der FDP)

Bevor ich darauf eingehe, möchte ich aber kurz auf die Definition von Armut zu sprechen kommen, auch weil hier viele Sachen genannt wurden, woran man merkt, dass viel Unwissenheit dabei ist. Es gibt relative und es gibt absolute Armut. Wenn man über Armut, ihre Auswirkungen, die Zahlen und ihre Gründe spricht, sollte man das im Vorfeld immer klarstellen. Deswegen kurz die Erklärung: Die absolute Armut beruht auf einem festgelegten Grenzwert, der sich nach dem Pro-Kopf-Einkommen oder dem verfügbaren Einkommen pro Haushalt richtet. Die relative Armut orientiert sich an den mittleren Einkommen eines Landes. Auch diesbezüglich muss man differenzieren: Manchmal wird dafür der Median verwendet und manchmal der Durchschnitt; das macht einen Unterschied, den man berücksichtigen muss. Liegt eine Person deutlich unter diesem Einkommen, gilt sie als arm. Bei den EU-Mitgliedstaaten beträgt diese Schwelle 60 %.

Diese relative Armut, die immer wieder auch für die Zahlen in der Argumentation aufgegriffen wird, ist sehr umstritten, auch wissenschaftlich. Das wurde im Übrigen - um auch das einmal zu erwähnen - auch bei der Gründung der ständigen Armutskonferenz von dem Gastredner, von dem Wissenschaftler, der dort einen Vortrag gehalten hat, auch genau so benannt, dass nämlich diese Definition von Armut kritisch ist, weil es immer Leute geben wird, die arm sind. Auch wenn alle Menschen in einem Land mehr haben, kann das dazu führen, dass die Armutsquote steigt, wenn man die relative Armut ansetzt.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte das einmal deutlich machen: Wenn wir das mittlere Einkommen nehmen und Bill Gates in diesem Raum wäre, dann wären Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, relativ arm. Das zeigt, dass diese Definition im Rahmen dieser Debatte nicht sinnvoll ist.

(Beifall bei der FDP)

Aber wir sollten die Gründe für Armut benennen. In Deutschland geht Armut meistens mit fehlender Erwerbstätigkeit einher. Die Armut hier ist häufig eine Erwerbsarmut, und entsprechend liegt darin auch ein Schlüssel, um Armut zu bekämpfen.

(Zustimmung bei der FDP)

Aber es gibt auch andere Gründe: Beispielsweise sind vor allem Alleinerziehen, Arbeit in Teilzeit oder Krankheit Gründe für Armut. 

Wird die relative Armut betrachtet, ist Sachsen-Anhalt im oberen Drittel wiederzufinden. Gerade jüngere Menschen sind armutsbetroffen, was sich aber meistens durch die ausgeübte Ausbildung oder das Studium erklären lässt. In dem Gastvortrag bei der Gründung der ständigen Armutskonferenz wurde auch gesagt, dass dies nicht der kritische Punkt ist, weil Menschen, die in der Ausbildung sind, in ihre Zukunft investieren und sie, wenn sie diese abgeschlossen haben, ein besseres Einkommen haben und auf eigenen Beinen stehen können.

(Beifall bei der FDP)

Positiv ist, dass immer weniger Menschen auf Sozialleistungen angewiesen sind. Der Rückgang in Deutschland ist diesbezüglich fast am höchsten. Entscheidend ist die Diskussion darüber, wie wir dabei weiter vorangehen können.

Wir haben im Landtag über das Thema „Armut“ bereits häufiger diskutiert. Für uns Freie Demokraten liegt der Schlüssel, um Armut zu bekämpfen, ganz klar in der Bildung. Weltbeste Bildung sorgt für Chancengerechtigkeit, und deshalb müssen wir darüber diskutieren, wenn wir über Armut sprechen.

(Zustimmung bei der FDP)

Der Bildungsweg ist das Fundament für den späteren Lebenslauf und Lebensverlauf. Das sollte hier jedem im Hohen Haus bekannt sein. Eine gute Bildung ebnet den Weg für eine gute Zukunft. Umso wichtiger ist es, bereits im frühkindlichen Alter damit zu beginnen und die Kinder entsprechend zu fördern und eine Chancengerechtigkeit zu ermöglichen. Dazu gehört der ganze Bildungsweg, begonnen im frühkindlichen Bereich, gefolgt von den Schulen, der Ausbildung oder dem Studium und den Hochschulen. Auch im Erwachsenenleben ist die Bildung wichtig, um gegen Armut vorzugehen.

Wir als Freie Demokraten setzen auf Weiterbildung und lebenslanges Lernen. Dazu gehört, dass sich Arbeit und Leistung lohnen müssen. Wir müssen den Menschen ermöglichen, ihr Leben selbstbestimmt und eigenständig zu führen. Beispielsweise haben wir uns bei der Reform des Bürgergelds dafür eingesetzt, Weiterbildungen zu belohnen. Dass bei der Ausbildungsvergütung mehr Geld bei den Azubis verbleibt, ist ein Erfolg des Bürgergeldes 

(Beifall bei der FDP)

und ein richtiges Signal für junge Menschen, dass sich Leistung lohnt, dass sich Ausbildung lohnt. Das Prinzip des Forderns und Förderns muss dabei ganz klar gelten.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen, dass Menschen eigenständig leben und handeln können, das heißt, selbstbestimmt das Leben zu begleiten und gleichzeitig auch für das eigene Leben Verantwortung zu übernehmen. Ziel kann es nicht sein, Menschen in die Abhängigkeit vom Staat zu treiben.

(Beifall bei der FDP)

Dort ebnet die Chancengerechtigkeit den Weg, dass die Menschen diese Möglichkeiten nutzen können. Wie jeder und jede sein Leben gestaltet, sollte nicht Aufgabe oder Sache des Staates sein. Dementsprechend sollten wir dort auch auf die Eigenverantwortlichkeit der Menschen in diesem Land vertrauen.

(Zustimmung bei der FDP)

Ein Problem, das ich bereits angesprochen habe, ist die vererbte Armut. Auch dieses Phänomen hängt mit Bildung und den daraus resultierenden Chancen zusammen. Denn gerade bei solchen Fällen sollte es doch darum gehen, Menschen und allen voran die betroffenen Kinder zu befähigen, ihr Leben selbst und möglichst unabhängig von staatlichen Transferleistungen zu gestalten.

Ich möchte - um dann langsam zum Ende zu kommen - noch einen kleinen Abstecher zur Kindergrundsicherung machen, weil dazu in der Debatte Dinge genannt wurden, die nicht stimmen. Aktuell steht das Vorhaben der Familienministerin Paus von den Grünen massiv in der Kritik, und das - um dem kurz vorzugreifen - absolut zu Recht.

(Beifall bei der FDP)

Die Grundidee der Kindergrundsicherung, wie sie im Übrigen auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene festgehalten ist, ist richtig. Denn es geht darum, bereits vorhandene Leistungen zusammenzufassen. Damit können die Antragstellung erleichtert und die Bürokratie abgebaut werden.

(Zustimmung bei der FDP)

Wenn man jetzt logisch an diese Sache herangeht, dann sollte eigentlich recht schnell klar sein, dass bei der Einführung nach dieser Grundidee des Koalitionsvertrags der finanzielle Rahmen nicht über das gehen kann, was es sowieso schon gibt, und dass es auch kein zusätzliches Personal dafür geben kann, weil wir bereits Menschen haben, die genau diese Anträge bearbeiten, wir also eigentlich eher eine Verringerung dort haben müssten.

Der Vorschlag der Bundesministerin Frau Paus geht in eine völlig andere Richtung und konterkariert eigentlich diese Idee. 

(Jörg Bernstein, FDP: 5 000! Unglaublich!)

Dort zurück zur Grundidee zu gehen, würde helfen, um gegen Armut, Kinderarmut vorzugehen. Aber das Ziel muss es sein, Bürokratie abzubauen, keine zusätzlichen Sozialleistungen zu gewähren, sondern bestehende Leistungen zusammenzufassen. Das wäre der richtige Weg. 

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte einen letzten Punkt nennen, weil er aus meiner Sicht ebenfalls zu dieser Debatte gehört. Es muss zumindest einmal darüber diskutiert werden, ob ein Teil der Geldleistungen in Sachleistungen ausgegeben wird, bspw. für die Schulausstattung. Wenn man mit Jugend- und Bildungseinrichtungen spricht, und zwar gerade in den Brennpunkten, dann wird deutlich, dass häufig das Geld, das wir dafür ausgeben, nicht bei den Kindern ankommt. 

(Beifall bei der FDP)

Deshalb sollten wir dafür sorgen, dass die Kinder einen guten Start in ihre Schullaufbahn, in die Bildungskarriere und in das weitere Leben haben. 

Bestimmte sozialstaatliche Leistungen sind absolut wichtig und richtig. Wir müssen aber darauf achten, Menschen nicht in die Abhängigkeit zu treiben. Wir müssen schauen, wie wir die Voraussetzungen dafür schaffen, damit Menschen ihr Leben individuell selbst in die Hand nehmen können. Hierfür ist Bildung der Schlüssel, und das bereits im jungen Alter, aber auch im weiteren Leben. 

Wir unterstützen armutsbetroffene Menschen, schaffen ihnen Möglichkeiten und öffnen ihnen Türen, um selbstbestimmt, eigenständig und ohne Armut leben zu können. Den Weg durch die Tür müssen sie selbst gehen. Das gehört zur Eigenverantwortlichkeit dazu. 

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. 

(Beifall bei der FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Pott, einen Moment. Herr Hövelmann hat eine Nachfrage. Wenn Sie wollen, dann können Sie darauf antworten. 


Holger Hövelmann (SPD): 

Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident. - Lieber Herr Pott, vielen Dank für Ihren engagierten Beitrag. Ich habe eine Frage zur Prioritätensetzung. Nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2021 - dies ist die zuletzt veröffentlichte Zahl - beträgt der gesamtvolkswirtschaftliche Schaden durch Betrug bei Hartz-IV-Leistungen bzw. Bürgergeldleistungen ca. 60 Millionen € im Jahr. Nach Berechnungen des ISW - hierbei handelt es sich um Zahlen aus dem Jahr 2022 - beträgt der jährliche volkswirtschaftliche Schaden durch Steuerbetrug ca. 100 Milliarden €. Wäre es nicht richtig, wenn wir uns gemeinsam darum kümmern, dass die größere Zahl kleiner wird?

(Beifall bei der SPD und bei der Linken)


Konstantin Pott (FDP):

Ich finde es immer schön, wenn man Debatten führt und der Meinung ist, man könnte nur das eine tun und müsste dann dafür das andere lassen. 

(Eva von Angern, Die Linke: Sie tun das andere doch nicht!)

Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Davon bin ich fest überzeugt. Wenn wir Rechtsstaatlichkeit durchsetzen, dann werden wir das Problem lösen. 

Aber der entscheidende Punkt im Hinblick auf die Sanktionen beim Bürgergeld ist das Signal, das wir aussenden. 

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Ich glaube, wenn Menschen einen vorliegenden Arbeitsvertrag ablehnen, dann ist es absolut gerechtfertigt, die Leistungen aus dem Bürgergeld direkt um 30 % zu kürzen und nicht erst Eskalationsstufen zu gehen. 

(Beifall bei der FDP)

Deswegen ist der Vorschlag der Freien Demokraten an der Stelle richtig. 

(Beifall bei der FDP)