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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 2

Sachsen-Anhalt wählt ein starkes Europa!

Regierungserklärung Landesregierung - Drs. 8/4028

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich erteile ich als Erstem dem Mitglied der Landesregierung Herrn Rainer Robra zur Abgabe der Regierungserklärung das Wort. - Herr Robra, Sie haben das Wort. 


Rainer Robra (Staats- und Kulturminister):

Danke schön, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Am 9. Juni 2024 findet die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Das ist ein bewährter Anlass, um im Landtag über Europa zu sprechen. Nicht selten beginnt eine Befassung mit Europa mit einem historischen Rückblick - de Gaulle, Schumann. Das mache ich heute nicht. Das ist uns in den fast 34 Jahren, die Sachsen-Anhalt zur Europäischen Union gehört, in Fleisch und Blut übergegangen. Heute ist meine Botschaft eine andere. Klar, deutlich und mit dem Blick nach vorn: Wir alle sind Europa, und wir brauchen Europa, und zwar ein starkes Europa, das nicht Spielball der Weltgeschichte ist, sondern deren Akteur. 

Die aktuelle geopolitische Lage mit dem Krieg in der Ukraine oder dem Konflikt im Nahen Osten, die Herausforderungen durch Klimawandel und Digitalisierung, weltweite Migrationsströme oder der Wettbewerb mit systemischen Konkurrenten wie China - das alles lässt uns keine andere Wahl. Europa ist dabei definitiv Teil der Lösung, nicht Teil des Problems. Nationalstaatliche Konzepte, die an den nationalen Außengrenzen enden, sind für die Bewältigung dieser Herausforderungen ungenügend. 

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Wir brauchen umfassende und innovative gemeinsame Lösungsansätze; eine Bündelung unserer Kräfte, um das alles zu bewältigen und um Freiheit, Sicherheit und Wohlstand für uns alle zu erhalten. 

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

27 Nationalstaaten teilen mit der Europäischen Union eine gemeinsame wertebasierte Verfasstheit, in der täglich weitreichende Entscheidungen getroffen werden müssen, die auch uns in Sachsen-Anhalt praktisch in jedem Lebensbereich betreffen - Entscheidungen, die wir mitgestalten wollen und mitgestalten können; Entscheidungen auch, die wir den Menschen im Lande in Wirkungsweise und Begründung bestmöglich erklären und vermitteln müssen. 

Meine Damen und Herren! Europa ist komplex. Wir alle müssen gemeinsam und kontinuierlich an einem Strang ziehen, um unsere Landesinteressen zielführend in den europäischen Diskurs einzubringen. Daher geht Europa uns alle an. Europa und seine Errungenschaften, von denen auch wir profitieren, sind im Vergleich der Kontinente dieser Welt keine Selbstverständlichkeit. 

Ich nutze diese Regierungserklärung gern, um wichtige Aspekte der europapolitischen Arbeit der Landesregierung vorzustellen, um einen Blick auf die wesentlichen Aufgaben für die restliche Legislaturperiode zu werfen und zugleich um für Europa und die Teilnahme an der bevorstehenden Europawahl zu werben. Dabei geht es nicht in erster Linie um die großen europapolitischen Konzepte, die in der Kommission, im EU-Parlament und im Ministerrat entschieden werden, sondern um das, was uns hier in Sachsen-Anhalt alltäglich mit der europäischen Dimension verbindet.

Auf der Grundlage des aktuellen Koalitionsvertrags hat das Kabinett am 12. Juli 2022 die Bündelung der strategischen Ziele in Europapolitik und internationaler Zusammenarbeit für diese Legislaturperiode beschlossen. Das aktive Mitwirken im europäischen Mehrebenensystem, die möglichst vielgestaltige Nutzung der Chancen, die uns die Europäische Union bietet, sowie die Stärkung des Europagedankens und der Europakompetenz sind zentrale Anliegen. Die Europapolitik der Landesregierung ist dabei stets Querschnittsaufgabe, die unter Koordinierung durch die Staatskanzlei und in Abstimmung verbindlicher Ziele und Maßnahmen gemeinschaftliche Aufgabe aller Ressorts ist. Alljährlich unterrichten wir, wie Sie wissen, den Landtag auf der Grundlage der Landtagsinformationsvereinbarung über den Stand der Dinge.

Die Mitgestaltungsmöglichkeiten in europapolitischen Angelegenheiten sind vielfältig und wir nutzen sie. Sachsen-Anhalt bringt sich im Rahmen der verfassungsrechtlich verankerten Rechte im Bundesrat ein. Seit dem Jahr 2022 waren wir in EU-Angelegenheiten bei 20 Stellungnahmen Mitantragsteller. Wichtige Themen waren die Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas, die Entschließung des Bundesrates zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und nicht zuletzt eine Subsidiaritätsrüge zum European Media Freedom Act, also auf dem Felde der Medienpolitik.

Turnusmäßig hatte Sachsen-Anhalt vom Juli 2022 bis zum Juni 2023 den Vorsitz in der Europaministerkonferenz inne. Wir haben uns als ehrlicher Makler im Sinne aller deutschen Länder eingebracht und die europabezogenen Länderinteressen gegenüber der Bundesregierung und gegenüber der europäischen Ebene nachdrücklich vertreten. In den drei großen politischen Konferenzen in Dessau-Roßlau, Brüssel und Berlin sowie in einer gemeinsamen Sitzung mit den französischen Regionen in Straßburg haben wir 13 politische Beschlüsse gefasst. Diese decken ein breites Spektrum europapolitischer Themen ab - von Energieversorgungssicherheit über EU-Wirtschaftspolitik bis hin zur Digitalisierung. 

Mit besonderer Bedeutung für Sachsen-Anhalt haben wir als EMK-Vorsitz auch das Thema Zukunft der Kohäsionspolitik schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in die deutsche Debatte um die künftige Ausgestaltung dieses für Sachsen-Anhalt überaus wichtigen Investitionsinstruments eingebracht.

Der Ausschuss der Regionen bietet uns die Möglichkeit, gemeinsam mit Partnern und Freunden aus allen Mitgliedstaaten frühzeitig politische Impulse aus regionaler Sicht in die Diskussions- und Entscheidungsprozesse auf EU-Ebene einzubringen. Wirtschaftsminister Sven Schulze hat als unser AdR-Mitglied unter anderem die Berichterstattung zum Thema „Ein gerechter und nachhaltiger Übergang in den Automobilregionen“ mit einer Stellungnahme erfolgreich abgeschlossen.

Nicht zuletzt nutzen wir die Landesvertretung in Brüssel als Verbindung zu den Europäischen Institutionen intensiv. In Kooperation mit den primär zuständigen Ressorts wird dort auch die Mitwirkung in Netzwerken begleitet, wie im ERRIN, dem europäischen Netzwerk für Forschung und Innovation, in der ESRA - das ist die Halbleiterallianz - oder in dem ESN, dem europäischen sozialen Netzwerk. Daneben ist die Landesvertretung stets auch unsere Repräsentanz und beliebter Veranstaltungsort, gerade auch für unsere kommunale Ebene. Ich bin dem Finanzministerium dafür dankbar, dass die Sanierungsarbeiten zügig voranschreiten, sodass wir auch unmittelbar daran anschließen können.

Meine Damen und Herren! Der Einsatz der Fonds EFRE, ESF, JTF und ELER ist grundlegend für die gute Entwicklung Sachsen-Anhalts und für die Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen, und das inzwischen seit Jahrzehnten.

In der EU-Förderperiode 2014 bis 2020, die mit dem Nachlauf länger andauerte, hatte Sachsen-Anhalt Zugriff auf fast 2,2 Milliarden € aus EFRE und ESF. Außerdem waren für den ELER, dessen Förderperiode auch formell um zwei Jahre bis zum Jahr 2022 verlängert wurde, weitere ca. 1,2 Milliarden € vorgesehen. 

Nach aktuellem Stand sind rund 95 % der nach der Finanzplanung beabsichtigten Gesamtausgaben für das EFRE-Programm und 96 % der nach der Finanzplanung vorgesehenen Gesamtausgaben für den ESF verausgabt worden. Es wurden im EFRE 6 788 Vorhaben und im ESF sogar 9 466 Vorhaben - jedes einzelne dieser Vorhaben war wichtig für diejenigen, die daran mitgewirkt haben - unterstützt. Ich hätte mir beim Mittelabfluss gern noch höhere Werte gewünscht. 

Allerdings waren die Rahmenbedingungen für die Förderpolitik, z. B. aufgrund der Coronakrise, besonders herausfordernd. Außerdem stellt die mit der EU-Förderung verbundene Bürokratie Zuwendungsempfänger und Bewilligungsbehörden regelmäßig vor große Herausforderungen. Für die Zukunft erwarte ich, dass wir insbesondere durch einen höheren Grad an Digitalisierung und Standardisierung die Umsetzung der Programme zügiger und einfacher, unbürokratischer, ermöglichen können. 

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)

Hieran arbeitet die im November 2022 ins Leben gerufene interministerielle Arbeitsgruppe „Förderpolitik“ unter Federführung des MF.

Beim ELER konnten bis Ende 2023 bereits mehr als 20 000 Vorhaben mit einem Umfang von mehr als 860 Millionen € umgesetzt werden. Der fondsübergreifende Bottom-up-Ansatz LEADER hat neben dem ELER erstmals auch Mittel aus dem EFRE und dem ESF umgesetzt. 

Meine Damen und Herren! Diese Flexibilität ist in Deutschland einmalig. Die anderen Länder haben ihre Fonds außerhalb des ELER dafür bisher nicht geöffnet. So konnten bei uns 23 LEADER-Arbeitsgruppen des Landes mit 100 Millionen € ELER-Mitteln sowie gut 26 Millionen € EFRE-Mitteln und nicht zuletzt 6 Millionen € ESF-Mitteln unterstützt werden. Dies kam insbesondere - daher die hohe Zahl der Vorhaben - vielen kleineren Vorhaben im ländlichen Raum zugute.

(Marco Tullner, CDU, zustimmend: Sehr gut!)

In der laufenden EU-Förderperiode von 2021 bis 2027, die leider europaweit schleppend begonnen hat, profitiert Sachsen-Anhalt zusätzlich zu Mitteln aus EFRE und ESF+ von der Unterstützung aus dem Fonds für einen gerechten Übergang in die postfossile Energiewirtschaft (JTF). Dieser hilft, die Veränderungen durch den Kohleausstieg im Mitteldeutschen Revier besser zu bewältigen. Insgesamt stehen uns für die Jahre 2023 bis 2027 aus all diesen Fonds erneut 2,2 Milliarden € sowie aus dem ELER zusätzlich nahezu 600 Millionen € zur Verfügung, also annährend so viele Mittel wie bisher. Welchen immensen Beitrag die EU-Fonds für die gute Entwicklung und Zukunftsfähigkeit Sachsen-Anhalts mit vielen schon bewilligten und bereits laufenden Projekten auch aktuell leisten, dürfte allgemein bekannt sein. 

Zugleich bleibt die Nutzung der EU-Aktionsprogramme, die wettbewerblich vergeben werden, außerhalb der Fonds für unser Land ein wichtiges strategisches Ziel, auf das sich insbesondere unsere Hochschulen zunehmend besser einstellen. Nicht zuletzt nutzen wir für die interregionale Vernetzung weiterhin das Programm Interreg, um ein Beispiel zu nennen. 

Meine Damen und Herren! Ausländische Direktinvestitionen bleiben ein wesentlicher Eckpfeiler für die weitere gute wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Der wichtigste Außenhandelsmarkt ist und bleibt der Europäische Binnenmarkt. Zugleich müssen wir auch als Wirtschaftsstandort attraktiv sein. 

Mit der Investitionsentscheidung von Intel in Magdeburg ist uns dabei Entscheidendes gelungen. Diese Investition wird als Kristallisationskern für ein neues industrielles Ökosystem in Sachsen-Anhalt wertvolle Impulse für die Entwicklung unseres gesamten Landes aussenden. Erste komplementäre Ansiedlungen finden bereits statt. Solche Investitionen erhöhen die Sichtbarkeit Sachsen-Anhalts für ausländische Investoren erheblich. Für den Erfolg der geplanten Ansiedlung von Intel wurden auch in Brüssel wichtige Weichen gestellt. Wir haben das Gesetzgebungsverfahren zum Chips Act von Anfang an eng begleitet und in diesem Zusammenhang erfolgreich Gespräche auf allen Ebenen geführt - bspw. zwischen dem Ministerpräsidenten und der Kommissionspräsidentin. 

Erfreulich gestaltet sich auch die Zusammenarbeit mit anderen Regionen. Sachsen-Anhalt baut seine Kooperationen mit Regionen und Partnern im Ausland kontinuierlich aus und pflegt vielfältige Kontakte ins Ausland. Unsere vertraglich vereinbarten Kooperationen mit Masowien und Centre-Val de Loire gelten als Best Practice.

Im Jahr 2023 feierten wir gemeinsam in Warschau das 20-jährige Jubiläum der Regionalpartnerschaft mit Masowien. Im Zuge der Gespräche und Austausche wurden neue Kooperationsansätze für verschiedene Fachgebiete entwickelt. 

In diesem Jahr wird das 20-jährige Jubiläum der Regionalpartnerschaft mit Centre-Val de Loire gefeiert. Der zentrale Festakt findet im Oktober 2024 bei unseren französischen Freunden statt. Vor wenigen Wochen besuchte uns eine Delegation um Präsident Bonneau. Dabei erfolgte vorwiegend ein Austausch zu den Themen Energie, Hochwasserschutz und zur Ansiedelung von Großunternehmen. Sehr hilfreich ist dabei unsere Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk und dessen Generalsekretär Tobias Bütow aus Magdeburg.

Neben den Regionalpartnerschaften mit Masowien und Centre-Val de Loire bestehen auch gute Kontakte in die spanische Region Valencia, mit der Sachsen-Anhalt eine Kooperationsvereinbarung verbindet. Sehr erfreulich entwickeln sich gerade jetzt die Kontakte nach Valencia im Musikbereich. 

Ausdrücklich hervorheben möchte ich auch die Arbeit des Institut Français unter Leitung von Clémence Mayer, das seit dem Jahr 2003 mit vielen gut besuchten Veranstaltungen den kulturellen Austausch zwischen Sachsen-Anhalt und Frankreich befördert und im letzten Jahr sein 20-jähriges Jubiläum feiern konnte.

Meine Damen und Herren! Zur erfolgreichen Mitwirkung in europäischen Angelegenheiten bedarf es entsprechender Befähigungen in der Landesverwaltung. Die Staatskanzlei und Ministerium für Kultur bietet fortlaufend entsprechende Fortbildungsmaßnahmen an und entwickelt diese stetig weiter. 

Seit dem Jahr 2003 haben 40 Personen das Hospitanzprogramm Europa genutzt. Seit dem Jahr 2013 haben 274 Bedienstete an der Führungskräftequalifizierung „Sachsen-Anhalt stark in Europa“ teilgenommen. Seit August 2023 haben 23 Beschäftige an der modularen Nachwuchsführungskräftefortbildung „Europa und Internationales“ teilgenommen. Zudem bewerben sich unsere Beschäftigten erfolgreich auf EU-Programme, wie „Nationale Sachverständige zur beruflichen Weiterbildung“ oder Erasmus Public Administration, oder werden als Länderbeobachter, einer der Höhepunkte der Mitwirkung auf der europäischen Ebene, entsendet. 

Diese Auszüge zeigen, dass Sachsen-Anhalt die Chancen Europas und die Möglichkeiten der Mitwirkung zielgerichtet nutzt. Für den Rest der Legislaturperiode sind einige europapolitische Herausforderungen erkennbar. 

Als umfassendes Thema wird uns, und zwar alle in Europa, die Zukunft der Europäischen Union beschäftigen. Dahinter verbergen sich die Fragen nach einer Erweiterung um neue Mitglieder und nach inneren Reformen der EU. Im Juni 2024 soll sich der Europäische Rat ungeachtet des relativen Stillstands, der nach den Wahlen immer einzutreten pflegt, zudem mit konkreten Vorschlägen zur Reform der EU befassen. Auf der Tagesordnung stehen mit Blick auf die Erhaltung und bestenfalls Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU unter anderem - das ist mir wichtig - der Bürokratieabbau und die Einführung von Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit in Bereichen, die aktuell noch Einstimmigkeit erfordern. Es ist klar, dass wir uns als Länder, auch Sachsen-Anhalt, einbringen und unserer Integrationsverantwortung und unserer Mitwirkungsrechte gerecht werden.

Ein weiteres wesentliches Thema ist aus verständlichen Gründen die Vorbereitung der nächsten Förderperiode ab dem Jahr 2028. Dies scheint noch relativ weit in der Zukunft zu liegen, aber - ich fasse es gegenüber dem schriftlichen Entwurf ein wenig zusammen - wir befinden uns in einem ehrbaren Wettstreit mit den reicheren Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, die, wie Baden-Württemberg in der Automobilindustrie, darauf hinweisen, dass auch sie Transformationsanforderungen unterliegen und europäische Unterstützung in Anspruch nehmen wollen. 

Wir gehen davon aus, dass auch aus anderen Mitgliedstaaten weitere hohe Anforderungen an die Kohäsionspolitik gestellt werden, während sich die Mittelausstattung in einer noch nicht wirklich absehbaren Weise entwickelt. Die Erwartung, dass gerade auch Kohäsionsmittel aktiv genutzt werden können, um andere politische Felder in der Verantwortung der Europäischen Union mit Mitteln zu untersetzen - das wissen wir alle  , ist augenfällig. 

Derzeit arbeitet die EMK auf der Grundlage der unter unserem Vorsitz abgestimmten Standpunkte an einer gemeinsamen Bund-Länder-Stellungnahme, die im Herbst 2024 beschlossen werden soll. Es ist uns wichtig, dass der Bund und die Länder gegenüber der Union möglichst lange mit einer Stimme sprechen und die durchaus vorhandenen Gegensätze erst später ausdifferenziert und in den europäischen Prozess eingebracht werden. 

Des Weiteren geht es um die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik, die Wettbewerbsfähigkeit der EU und mit Blick auf die fortbestehende geopolitische Lage um die Außenpolitik sowie die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union.

Meine Damen und Herren! Europa ist für uns alle wichtig. Ich sagte es bereits. Es garantiert im großen Rahmen des Friedens, der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts Grundlagen für ein gutes Leben in relativem Wohlstand in allen europäischen Mitgliedstaaten. Europa bietet viele Chancen für Sachsen-Anhalt. Unser Engagement für Europa muss deshalb auch die Werbung zur Europawahl umfassen. Vom Wahlergebnis hängt nicht zuletzt ab, wie stark Sachsen-Anhalt in der kommenden Wahlperiode im Europäischen Parlament vertreten ist. Jede Stimme für Europa, jede Stimme für Sachsen-Anhalt in Europa zählt. Es muss unser gemeinsames Ziel sein, eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zu erreichen und ein klares proeuropäisches Zeichen zu setzen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Erstmals dürfen auch 16- und 17-Jährige wählen. Damit erhöht sich die Zahl der Erstwählerinnen und Erstwähler gegenüber der letzten Europawahl und zugleich steigt unsere Verantwortung, speziell auch diese jungen Menschen zu informieren. Hierbei spielt die europapolitische Öffentlichkeitsarbeit der Union, des Bundes und auch unseres Landes eine besondere Rolle. 

Wir haben zahlreiche Maßnahmen geplant und durchgeführt. Bereits Ende 2023 gab es eine speziell für Schülerinnen und Schüler ausgerichtete Veranstaltung zum Europäischen Parlament. Zum EU-Schulprojekttag am 4. März war unter anderem Staatssekretärin Großner zu Gast an einer Magdeburger Schule. Ich selbst habe die Schirmherrschaft über die diesjährige Juniorwahl übernommen, an der bis zu 200 Schulen teilnehmen können. Das heißt natürlich auch, dass in den Schulen Diskussionen über diese Themen stattgefunden hätten. In den letzten Wochen und Monaten haben wir in Magdeburg, Wittenberg, Gardelegen und Merseburg EU-Bürgerdialoge mit insgesamt mehr als 200 interessierten Teilnehmerinnern und Teilnehmern durchgeführt. Eine Informationsveranstaltung speziell für kommunale Vertreterinnen und Vertreter rundete das Angebot ab. 

Ab dem 30. April 2024 starten die diesjährigen Europawochen, die über den gesamten Mai hinweg stattfinden und die Europawahl zum Hauptthema haben. Wir hatten so viele Projektanträge wie lange nicht mehr und dürfen uns auf zahlreiche und vielfältige Projekte freuen. Den vielen Ehrenamtlichen, die unsere Projektträger unterstützen, bin ich überaus dankbar; denn ohne deren Hilfe wäre das alles nicht realisierbar. 

Informationen über alle Aktivitäten, die wir praktizieren, und über die Europawahlen insgesamt finden Sie natürlich zusätzlich auf den Europaseiten unseres Landesportals und über die Social-Media-Kanäle der Staatskanzlei.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Wir haben mit unserer europapolitischen Arbeit der letzten Jahre einiges erreicht. Wir haben viel getan, um für die Europawahl zu sensibilisieren und darüber zu unterrichten, dürfen dabei jedoch gerade auf der letzten Meile nicht erlahmen. Jetzt liegt es an jedem von uns, über unsere individuellen Möglichkeiten als Politikerinnen und Politiker die Menschen bis zuletzt zu motivieren, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.

Angesichts der restaurativen und europaskeptischen Strömungen und Tendenzen in vielen Mitgliedstaaten handelt es sich um eine überaus wichtige und zukunftsweisende Wahl. Von den Mehrheitsverhältnissen im Europäischen Parlament ist die Zusammensetzung der nächsten Europäischen Kommission abhängig und damit auch die inhaltliche Ausrichtung der gesamten Europäischen Union für mindestens die nächsten fünf Jahre. Wie wichtig das für uns ist, haben wir in den vergangenen Jahrzehnten erfahren dürfen. Gerade mit Blick auf die von mir aufgezeigte aktuelle Lage und die anstehenden Zukunftsthemen kann man die Bedeutung dieser Europawahl gar nicht deutlich genug betonen.

Lassen Sie uns deshalb dafür werben, dass Sachsen-Anhalt am 9. Juni ein demokratisches, ein starkes Europa wählt. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. 

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP) 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Robra. - Es gibt eine Intervention von Herrn Roi. 


Daniel Roi (AfD): 

Vielen Dank. - Nach Ihrer flammenden Rede für Europa bin ich an einer Stelle hängen geblieben, und zwar gleich zu Beginn. Deswegen habe ich mich hingestellt. Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dem Konzept der Nationalstaaten eine Absage erteilt. Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Für uns, für mich, für die AfD-Fraktion ist Europa mehr als die EU. 

Eines will ich Ihnen deutlich sagen: Die EU ist nicht Europa. Das müssen Sie sich einmal merken. 

(Oh! bei der CDU)

Diese EU - das haben wir in den letzten fünf Jahren hier sehr oft diskutiert, auch auf dem Domplatz mit den Bauern - knebelt unsere Landwirte und unsere Handwerker durch immer mehr Bürokratie, von der Düngeverordnung über die Roten Gebiete bis hin zur CO2-Steuer, die jeden Bürger mittlerweile betreffen. All das haben die Bauern auch der EU zu verdanken. Gleiches gilt für den Getreide-Deal, der vor Kurzem diskutiert wurde, der zur Folge hat, dass die Preise für einheimischen Weizen hier in Deutschland nach unten gehen. Auch das haben wir der EU zu verdanken. 

Diese EU ist auch verantwortlich für einen Green Deal mit finanziellen Auswirkungen auf alle Bereiche unseres Lebens, von der Wohnungswirtschaft bis zur Landwirtschaft. Fragen Sie einmal bei der Wohnungswirtschaft nach, welche Folgen der Green Deal am Ende auch für die Mieter hat. Das sind alles hochinteressante Fragen, die letztlich von der EU-Kommissionspräsidentin Frau von der Leyen vorangetrieben wurden, bis hin zum Verbrennerverbot, das jetzt, auf einmal, sechs Wochen vor der Europawahl, die CDU nicht mehr möchte, obwohl Frau von der Leyen dieses planwirtschaftliche Instrument ins Leben gerufen hat. All das ist die EU. All das lehnen wir ab. 

Wir wollen ein Europa der Vaterländer, das nicht zum Opfer von globalistischen Lobbyinteressen wird. Genau das ist der Unterschied. Sie wollen die nationalen Parlamente entrechten und entmachten. Das wollen wir nicht. Deswegen hoffe ich wie Sie, dass am 9. Juni viele Menschen zur Wahl gehen und Europa stärken, und zwar ein Europa der Vaterländer. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Minister.


Rainer Robra (Staats- und Kulturminister): 

Herr Abg. Roi, ich weiß nicht, ob Sie die Stellungnahme Ihres Fraktionsmitglieds - vielleicht reden Sie auch selber - vorweggenommen haben. Soweit ich verstanden habe, haben Sie mir unterstellt, dass ich das Konzept des Nationalstaats abgelehnt hätte. Das mag aber Ihrer inneren Anspannung bei diesem Thema geschuldet sein, dass Sie nicht richtig zuhören.

Ich habe eine Reihe von Problemen beschrieben, die Konflikte, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die Herausforderungen durch den Klimawandel, die Digitalisierung, die Migrationsströme, den Wettbewerb mit systemischen Konkurrenten usw. Ich habe dazu bemerkt, dass nationalstaatliche Konzepte für die Bewältigung dieser Herausforderungen ungenügend sind. 

(Zustimmung bei der CDU, von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Andreas Silbersack, FDP)

Gerade mir so etwas zu unterstellen, verwundert mich schon. Ich habe ein sehr klares nationalstaatliches Grundbewusstsein und eine nationalstaatliche Grundüberzeugung, die auch in meiner kulturpolitischen Arbeit zum Ausdruck kommen. Ich muss mich dabei von niemandem überbieten lassen. Ich weiß aber, dass wir in der Europäischen Union gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, die die gleichen Konzepte haben wie wir, mehr erreichen können angesichts der großen Dimension dieser Welt mit Kontinenten, auf denen jedenfalls zurzeit eine viel größere Dynamik herrscht als in Europa und vielen europäischen Mitgliedstaaten. Ohne dieses Miteinander in der Europäischen Union würden wir dramatisch scheitern. Das ist für mich der Kern des Ganzen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Das motiviert mich auch, für das Miteinander in der Europäischen Union auf der Grundlage der jeweiligen nationalen Konzepte der Mitgliedstaaten zu werben.