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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 6

Beratung

Gemeinsam an einer Zukunftsperspektive für die Landwirtschaft arbeiten und die Ernte von morgen sichern

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/3729


Zu diesem Tagesordnungspunkt befinden sich auf der Pressetribüne Landwirte aus Sachsen-Anhalt, 

(Beifall im ganzen Hause)

die an der Mahnwache, die vor dem Landtagsgebäude stattfindet, teilnehmen.

(Beifall bei der AfD)

Die Einbringung nimmt Frau Frederking vor. - Bitte, Sie haben das Wort.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank. - Sehr geehrte Abgeordnete! In unserem Antrag benennen wir Stellschrauben und Lösungen für eine gute Entwicklung der Landwirtschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser Ziel ist eine ökonomisch und ökologisch tragfähige, nachhaltige, langfristig zukunftsfähige heimische Landwirtschaft, die gute Lebensmittel produziert und zugleich zum Klima, zur Umwelt und zum Tierschutz beiträgt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir wissen, die Betriebe brauchen eine solide wirtschaftliche Grundlage und müssen von ihrer Arbeit leben können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Uns geht es darum, gemeinsam an einer Zukunftsperspektive für die Bäuerinnen und Bauern, für die Landwirtinnen und Landwirte zu arbeiten und die Ernte von morgen zu sichern.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Überall in Europa demonstrieren Menschen aus der Landwirtschaft, unter anderem in den Niederlanden, in Frankreich, beim Europagipfel in Brüssel und auch in Deutschland. Preisdruck, ausländische Konkurrenz, Umweltauflagen, ein enormer Beantragungs- und Nachweisaufwand belasten die Landwirtschaft,

(Zurufe von der AfD: Die GRÜNEN! - Die GRÜNinnen!)

aber auch die Auswirkungen der Klimaveränderungen. 

Die Agrarpolitik muss auf den Prüfstand, aber das nicht erst seit der Ampelregierung. Seit Jahrzehnten läuft etwas schief, und das in der überwiegenden Zeit unter CDU/CSU-Führung.

(Zustimmung bei der AfD - Siegfried Borgwardt, CDU: Was?)

Allein in den letzten 40 Jahren wurde das Bundeslandwirtschaftsministerium in drei Vierteln der Zeit von der CDU oder der CSU geleitet. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es wurden Probleme verschoben statt gelöst. Ich erinnere nur an die unzureichende Düngeverordnung der früheren Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Sie wurde nicht nur von der EU-Kommission moniert, sondern es gab auch heftigste Kritik von den Landwirtinnen und Landwirten. Um die von der EU angedrohten Strafzahlungen in Milliardenhöhe abzuwenden, musste die neu gewählte Ampelregierung im Hauruckverfahren eine Korrektur vornehmen.

(Zuruf von Stephen Gerhard Stehli, CDU)

Es sind über die Jahre hinweg Fehlentwicklungen in ein Fass gelaufen. Der Stopp der Rückerstattung der Agrardieselsteuer hat dieses Fass nun zum Überlaufen gebracht. Allein in den 16 Jahren unter der CDU-Bundeskanzlerin Merkel ist die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe und Bauernhöfe in Deutschland von 396 000 auf 257 000 gesunken. Das heißt also, 140 000 Betriebe haben die Landwirtschaft aufgegeben. 

(Hagen Kohl, AfD: Dank CDU!)

Wir wollen, dass das Prinzip „Wachse oder weiche“ zum Ende kommt. Für uns GRÜNEN zählt jeder Hof. Wir möchten der Landwirtschaft eine Zukunft geben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Was sind nun unsere Lösungsansätze? - Wenn der Boden in den Besitz derjenigen kommt, die vor Ort regional verankert sind, dann verbessert das ihre wirtschaftliche Basis. Wir meinen, es muss ein Agrarstrukturgesetz her. Eine Vielzahl von E Mails erreichte uns in den letzten Wochen, in denen genau das gefordert wird. 

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Wenn Höfe sterben, dann werden die verbleibenden Betriebe nicht nur größer, auch überregionales und außerlandwirtschaftliches Kapital steigt ein. Von dieser Entwicklung sind insbesondere die alten Bundesländer betroffen, in den nächsten Jahren auch Ostdeutschland, weil die Betriebsnachfolgen nicht gesichert sind. Insbesondere die Anteilskäufe an landwirtschaftlichen Unternehmen werden in Zukunft noch weiter zunehmen. Damit wird ohne jegliche restliche Regulierung mittelbar auch Land erworben. Das wird die Situation verschärfen; denn bereits seit Jahren setzen hohe Kauf- und Pachtpreise der Landwirtschaft zu. So haben regional verankerte Bäuerinnen und Landwirtinnen oft keinen Zugang mehr zum Boden, weil sie bei den hohen Preisen nicht mithalten können.

Im Ausschuss wurde im Rahmen der Anhörungen bestätigt, dass Sachsen-Anhalt die Gesetzgebungskompetenz hat, um dem Ausverkauf des Bodens einen Riegel vorzuschieben. Von dieser Regulierungsmöglichkeit muss die jetzt regierende Koalition endlich Gebrauch machen, nachdem die CDU in der letzten Legislaturperiode aufgrund des Drucks des Bauernverbandes den bereits erarbeiteten Gesetzentwurf blockiert hat. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Denn wir brauchen ein Bodenrecht, das Weiterentwicklungen ermöglicht und das jungen Menschen Neugründungen ermöglicht. 

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Wenn Landwirtinnen und Landwirte weniger Energiekosten zu tragen haben, dann verbessert das ihre wirtschaftliche Basis. 

(Jan Scharfenort, AfD: Ja, so ist es!)

Seit dem letzten Jahr sind hofnahe Agri-Fotovoltaikanlagen mit einer Fläche von bis zu 2,5 ha privilegiert. Das heißt, es ist kein aufwendiges Bebauungsplanverfahren erforderlich. Die Landbewirtschaftung findet dann weiterhin auf mindestens 85 % der Fläche statt. Die Energie wird dann für 6 ct/kWh bis 12 ct/kWh auch kostengünstig erzeugt. Auf einer Fläche findet beides statt, das ist also eine Win-win-Situation. Es lohnt sich also, wenn das Land hierzu qualifizierte Beratungen zur Konzeption und Errichtung von Agri-PV ermöglicht. 

Wenn die Landwirtinnen und Landwirte sichtbar machen können, wie sie ihre Tiere halten, dann bekommen sie an der Ladentheke für mehr Tierwohl faire Preise. Das verbessert ihre wirtschaftliche Basis. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Mit der verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung, die der grüne Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir im August 2023 auf den Weg gebracht hat, wird die seit Jahren überfällige Transparenz geschaffen. Die Betriebe können nun den Wunsch der Verbraucherinnen nach mehr Tierwohl zum Geschäftsmodell machen und dafür am Markt mehr Geld erzielen. 

(Kathrin Tarricone, FDP: Wenn der Kunde bereit ist dazu!)

- Wenn der Kunde bereit dazu ist, wenn der Kunde sieht, was in dem Produkt enthalten ist, dann kann er sich bewusst entscheiden. Er kann sich bewusst für mehr Tierwohl entscheiden. 

(Kathrin Tarricone, FDP: Ja, aber er wird es nicht tun!)

Er kann bewusst Politik mit dem Einkaufskorb machen. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Angela Gorr, CDU: Wenn er auch mehr Geld hat!)

Die schweinehaltenden Betriebe, die in die Haltungsform „Frischluftstall“ und höher umbauen wollen, sind seit dem vorangegangenen Jahr baurechtlich privilegiert und können in Kürze aus dem Bundesprogramm gefördert werden, sowohl für die Investitionen als auch für laufende Mehrkosten. Das Kompetenzzentrum für art- und umweltgerechte Tierhaltung in Iden ist vermutlich die richtige Stelle, die die schweinehaltenden Betriebe mit den entsprechenden Informationen versorgen wird. 

Wenn darüber hinaus die dauerhafte Finanzierung zum Umbau der Tierhaltung für alle tierhaltenden Betriebe gesichert ist, dann verbessert das ihre wirtschaftliche Basis. Deshalb ist die Einführung des Tierschutzcent - entsprechend den Empfehlungen der Borchert-Kommission, der Zukunftskommission Landwirtschaft und des Bürgerrats Ernährung, die sich dafür ausgesprochen haben - genau richtig. Bitte unterstützen Sie dieses Vorhaben. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Mit dem Tierschutzcent wird der Umbau der Tierhaltung an Fahrt aufnehmen; denn das Geld kommt auf den Höfen an. Das schafft Planungssicherheit und das schafft für die Tiere mehr Platz, mehr Licht, mehr Luft. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir haben den Leitgedanken, dass mehr Geld über den Markt an die Betriebe geht; so sollen langfristig stabile wirtschaftliche Strukturen entstehen. Wir wollen, dass anständige Erzeugerpreise gezahlt werden. Das verbessert die wirtschaftliche Basis der Erzeugerinnen und Erzeuger. 

Gerade beim Milchmarkt muss an der Preisschraube gedreht werden; denn regelmäßig liegen die Erzeugerpreise unter den Herstellungskosten. Aktuell wird darüber beraten, Artikel 148 der Verordnung über eine gemeinsame Marktorganisation in bundesdeutsches Recht umzusetzen. Damit sollen schriftliche Verträge zwischen den Milchviehbetrieben und den Molkereien vorgeschrieben werden, und zwar unter Angabe von Menge, Preis und Lieferzeitraum. Das schafft Planbarkeit und Sicherheit für beide Seiten. Auch hierzu meine Bitte: Unterstützen Sie diesen Vorstoß, der ein Baustein ist, um ruinöse, niedrige Erzeugerpreise und das Sterben der Milchviehbetriebe zu verhindern. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wenn unlautere Handelspraktiken des Lebensmittelhandels wirksam unterbunden werden, dann bleiben mehr Einnahmen bei den landwirtschaftlichen Betrieben hängen. Das verbessert ihre wirtschaftliche Basis. Deshalb möchte die Ampelkoalition in Berlin das Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz novellieren, um die landwirtschaftlichen Betriebe in der Wertschöpfungskette im Verhältnis zu dem übermächtigen Lebensmittelhandel zu stärken. So soll z. B. die Regalpflege verboten werden, bei der die Lieferanten an der Bestückung der Regale beteiligt werden müssen. 

Wir wollen, dass mehr Geld bei der landwirtschaftlichen Urproduktion bleibt und ankommt. Steigen die Verbraucherpreise im Supermarkt, muss davon ein bedeutsamer Teil auch bei der Landwirtschaft ankommen. Das verbessert die wirtschaftliche Basis.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es kann nicht sein, dass der Lebensmittelhandel absahnt und Konzerngewinne einfährt, und die Landwirtschaft geht leer aus, zumal ihre Betriebskosten stetig gestiegen sind, und zwar überproportional zu den Erzeugerpreisen. 

(Zuruf von der AfD: Dank der Altparteien! - Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Glücklicherweise hat sich das in den letzten beiden Jahren anders dargestellt. Laut dem Präsidenten des Bundesbauernverbandes, Joachim Rukwied, haben die Bauern im Wirtschaftsjahr 2022/2023 von den hohen Lebensmittelpreisen profitiert, und zwar mit einem Plus von durchschnittlich 45 %. 

(Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Diese Entwicklung, lieber Herr Heuer, muss verstetigt werden. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Im Gegenzug muss auch der Einfluss von Landwirtinnen und Landwirten auf die Bildung der Verbraucherpreise erhöht werden. 

Ihre höheren Produktionskosten müssen sind im Endverbraucherpreis widerspiegeln, und dann natürlich in den Erzeugungspreisen. Dabei müssen sie gehört werden. Sie sehen also, 

(Guido Heuer, CDU: Ein Wahnsinn!) 

es gibt einige Ansatzpunkte, die die Anliegen der Bauernproteste aufgreifen. 

Wir haben Verständnis für die Bauernproteste. Allerdings kritisieren wir manche Form der Auseinandersetzung. Gewalt und Bedrohungen lehnen wir ab. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von Guido Heuer, CDU) 

Mit ihren Demonstrationen und Aktionen haben die Menschen aus der Landwirtschaft das Licht auf ihre schwierige Situation gelenkt. Mit der großen Mobilisierung eröffnet sich nun ein günstiges Zeitfenster, um endlich gemeinsam das zu vereinbaren, was der Landwirtschaft wirklich hilft. Dafür erwarten wir Offenheit bei den berufsständischen Vertretungen zu Vorschlägen und Angeboten, die vorliegen. Blockadehaltungen helfen uns nicht weiter. Ein reflexartiges Ablehnen, wie es leider allzu oft beim Bauernverband zu erleben ist, bringt uns nicht weiter. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Verschärfend kommt hinzu, dass Herr Feuerborn, Präsident des Landesbauernverbandes, den ich persönlich sehr schätze, 

(Zuruf von der CDU: Oh!) 

gleichzeitig auch der agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion ist. 

(Sven Rosomkiewicz, CDU: Gott sei Dank!) 

Merklich verschmelzen diese Positionen zu einer. Ich habe Zweifel daran, dass das der Beweglichkeit sowohl der CDU 

(Guido Kosmehl, FDP: Das ist ja nicht Ihre Entscheidung! - Unruhe bei der CDU) 

als auch des Bauernverbandes zuträglich ist. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Guido Heuer, CDU: Das ist unfassbar! Das ist doch unglaublich! - Zurufe von den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Sie spinnen ja!)

Und Reaktionen wie: 

(Guido Kosmehl, FDP: Sie wollten doch auch mal was vorlegen!) 

„Das funktioniert nicht, das geht nicht“, Herr Kosmehl, 

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Der Thüringer Kollege wird das anders machen!) 

sind nicht zielführend. Ich möchte hören, was geht. 

(Jörg Bernstein, FDP: Aber Sie haben doch auch nichts, was geht!) 

Und wenn wir alle zusammen nach vorn schauen und dann gemeinsam effiziente Lösungen für die Korrekturen an der jahrzehntelang verfehlten Agrarpolitik aushandeln, verbessert das die wirtschaftliche Basis der Bäuerinnen und Bauern, der Landwirtinnen und Landwirte. - Vielen Dank.