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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 17

Beratung

Längerfristig an Hochschulen arbeiten - Mehr Dauerstellen an den Hochschulen schaffen und Personalstellen entfristen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/3430


Einbringen wird den Antrag der Abg. Herr Meister. - Herr Meister, bitte schön. 


Olaf Meister (GRÜNE): 

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Ich bin Hanna“ ist nicht nur ein bundesweites Bündnis oder eine Kampagne. Hinter „Ich bin Hanna“ stehen unzählige Menschen, Menschen, die in der Wissenschaft arbeiten, die an unseren Hochschulen und Universitäten tätig sind, Menschen, die mit dem Hashtag #IchBinHanna darauf aufmerksam machen, unter welchen schlechten Arbeitsbedingungen sie arbeiten. Diese Menschen haben das Gefühl, dass die Politik ihnen nicht zuhört. 

Die Bewegung begann mit einem Erklärvideo des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Juni 2021. Darin wurde anhand einer fiktiven wissenschaftlichen Mitarbeiterin an einer Hochschule namens Hanna das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erklärt. Mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz wird unter anderem geregelt, wie lange wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befristet an einer Universität oder Hochschule arbeiten können. 

Viele der Menschen, die an den Hochschulen und Universitäten arbeiten, reagierten empört. Sebastian Kubon, der später die Initiative „Ich bin Hanna“ gründete, postete auf Twitter: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung verschleißt befristete Wissenschaftlerinnen und verhöhnt sie auch noch. Zur Erinnerung, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz sich gegen Menschen richtet, gebe ich dem wissenschaftlichen Prekariat ein Gesicht: #IchBinHanna. 

Unzählige weitere Angestellte von Universitäten und Hochschulen beteiligten sich daraufhin und nutzten ebenfalls diesen Hashtag, um über die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu berichten und ihrem Frust Luft zu machen. 

Ihr Hauptanliegen war und ist die hohe Anzahl an befristeten Personalstellen, in denen in der Wissenschaft gearbeitet wird.

Zum Beispiel berichtet eine wissenschaftliche Mitarbeiterin: Diese Woche musste ich zwei Anfragen, ob ich bei Lehrveranstaltungen mitwirken würde, so beantworten: Sehr gern, aber ich weiß aktuell nicht, ob ich zum Zeitpunkt der Lehrveranstaltung noch hier arbeiten werde. #IchBinHanna und ich bin es so leid.

Eine andere Userin schrieb: #IchBinHanna, das bin ich, 29 Jahre alt, Neurowissenschaftlerin, promoviert mit Summa cum laude, vier Arbeitsverträge in den letzten zwölf Monaten, werdende Mutter, geringe Perspektive und keine Sicherheit.

Resümierend schreibt bspw. Amrei Bahr, eine Mitgründerin der Initiative: Das deutsche Wissenschaftssystem hat lange darauf gesetzt, dass wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter prekäre Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen, weil Wissenschaft eine Tätigkeit ist, die Freude macht. Das Problem: Nichts zerstört die Freude an dieser Tätigkeit so effizient wie Existenzangst und Perspektivlosigkeit.

(Zuruf von Marco Tullner, CDU)

Sie haben alle Recht; denn die Arbeit in der Wissenschaft ist derzeit unattraktiv. Nach aktuellem Stand des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hat man zwölf Jahre Zeit. In dieser Zeit oder danach bekommt man mit etwas Glück eine Professur und hat endlich eine unbefristete Anstellung.

Warum braucht man dafür Glück? - Die Anzahl der Professuren ist an den Hochschulen naturgemäß stark begrenz und somit auch die Möglichkeit, in eine unbefristete Anstellung zu kommen, und das hat natürlich Auswirkungen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist katastrophal. In der Wissenschaft herrscht ständig Unsicherheit, und es fehlt Planbarkeit für den eigenen Lebensentwurf.

Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen unter einem immensen Leistungsdruck arbeiten. Das Ganze ist nicht nur schlecht für die Lehre an unseren Hochschulen und Universitäten, sondern auch für die Forschung. Spätestens wenn man mit heutigen Studierenden spricht, sollte uns allen klar sein, dass es dringenden Handlungsbedarf in der Wissenschaft gibt.

(Zuruf von Marco Tullner, CDU)

Viele der Studierenden sagen, dass ihnen von ihren Dozentinnen und Dozenten davon abgeraten wird, in der Wissenschaft zu arbeiten; eben wegen der Arbeitsbedingungen und weil sie in der Wirtschaft viel mehr verdienen. Es ist kein Wunder, dass der wissenschaftliche Nachwuchs scharenweise die Wissenschaft für die freie Wirtschaft verlässt. Die Stärke in Wissenschaft und Forschung ist aber ein Grundpfeiler unserer Wirtschaft.

(Zuruf von Marco Tullner, CDU)

Wie wollen wir unser Land ohne wissenschaftlichen Nachwuchs zukunftsfest aufstellen? Wie wollen wir im Wettbewerb mit anderen Bundesländern bzw. anderen Staaten bestehen? Andere Bundesländer haben die Problematik erkannt und ändern ihr Hochschulgesetz entsprechend, um die Entfristungsquoten an den Hochschulen und Universitäten zu erhöhen. Denn auch wenn das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ein Bundesgesetz ist, ist die Ausstattung der Hochschulen und Universitäten sehr wohl Landesaufgabe, auch beim Personal.

Sowohl Berlin als auch Brandenburg sitzen an dem Thema. Beide Bundesländer wollen im Hochschulgesetz Regelungen festschreiben, die die Zahlen an Dauerstellen an den Universitäten und Hochschulen in ihrem Landesgebiet erhöhen. Für Studierende in Sachsen-Anhalt, die nach ihrem Studium in der Wissenschaft arbeiten wollen, ist der Weg nach Berlin und Brandenburg kurz. Wenn wir also im Wettbewerb um kluge Köpfe für unsere Hochschulen und Universitäten nicht verlieren wollen, dann brauchen auch wir mehr Dauerstellen.

(Zustimmung von Henriette Quade, DIE LINKE)

Die prekären Arbeitsbedingungen treffen nicht nur auf wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu. Wie uns die Personalräte der Hochschulen berichtet haben, sind auch viele Stellen in der Hochschulverwaltung befristet, obwohl diese nicht selten Daueraufgaben erfüllen. Auch das ist eine nicht hinnehmbare Situation. Eine funktionierende Universität oder Hochschule braucht eine funktionierende Verwaltung.

Deshalb fordern wir Bündnisgrünen, dass sich die Landesregierung bei der anstehenden Verhandlung zu den Zielvereinbarungen mit den Universitäten und Hochschulen des Landes für die Erhöhung des Anteils unbefristeter Stellen einsetzt. Dazu braucht es konkrete Vereinbarungen z. B. zu Quoten, wie viele Stellen nach einer gewissen Zeit entfristet werden sollen. Auch die Festlegung von Befristungshöchstquoten an Hochschulen und Universitäten ist gesetzlich möglich, wie letztens der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages feststellte. Und sie sind eine sinnvolle Maßnahme.

Wir Bündnisgrünen wollen Dauerstellen für Daueraufgaben. Wir wollen mehr Entfristungen für das Personal an unseren Hochschulen und Universitäten im Land. Denn wir alle brauchen attraktive und leistungsfähige Universitäten und Hochschulen. - Wir bitten um Zustimmung zum Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN - Marco Tullner, CDU: Nein!)