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Plenarsitzung

Transkript

Katrin Gensecke (SPD): 

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die bundesweite polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnete für das Jahr 2022, dass 101 Kinder Opfer eines Tötungsdelikts wurden und hierbei der überwiegende Teil weit jünger als sechs Jahre alt war. Das sind pro Woche zwei tote Kinder. Pro Tag wurden 48 Kinder Opfer von sexueller Gewalt. Auch der Anstieg von Missbrauchsdarstellungen von Kindern im Netz hat sich deutlich erhöht.

Dabei handelt es sich um die entdeckten, die gemeldeten Missbrauchsfälle. Wir alle sollten davon ausgehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Wir alle wissen noch genau, gerade während der Coronapandemie hat sich die Zahl der Meldungen zu Kindeswohlgefährdung enorm erhöht, was einerseits der gestiegenen Gewalt in den Häuslichkeiten, andererseits aber ganz einfach auch der ihr beigemessenen Aufmerksamkeit geschuldet war.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die von mir gerade genannten Zahlen lassen erschauern. Die Misshandlung von Kindern und Jugendlichen löst nicht nur Empörung in uns aus, sondern auch laute Wut. Denn unseren Jüngsten gegenüber wird körperliche, sexuelle, psychische und emotionale Gewalt ausgeübt, gegen die sich unsere Kleinsten, unsere Jüngsten in unserer Gesellschaft nicht wehren können.

Vielmehr noch: Sie können ihr nicht entkommen. Denn die Täter sind oft die eigenen Eltern, die Erziehungs-, die Sorgeberechtigten, deren Angehörige, Bekannte, Freunde. Oft passiert es in der eigenen Häuslichkeit oder in der vertrauten Umgebung.

Die gezielte Anwendung von körperlicher Gewalt gegen Kinder und Jugendliche führt zu körperlichen, aber auch zu psychischen Verletzungen. Daraus folgt mit ziemlicher Sicherheit, dass die zukünftige Entwicklung jeder kleinen Persönlichkeit ins Stocken gerät und von weiterer emotionaler und psychischer Gewalt beeinträchtigt wird.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen zur Novellierung des Gesetzes über die Kammern der Heilberufe in Sachsen-Anhalt soll zukünftig die Möglichkeit eines interkollegialen Ärzteaustausches zur Verbesserung des Kinderschutzes enthalten. Mit der Gesetzesänderung soll es den Ärztinnen und Ärzten zukünftig ermöglicht werden, sich kollegial darüber austauschen zu können, wenn es Anzeichen oder bereits einen Verdacht auf Kindesmisshandlung gibt.

Die Gesetzesänderung bedeutet dann für Ärzte und Ärztinnen Rechtssicherheit; denn bisher unterliegt der kollegiale Austausch der ärztlichen Schweigepflicht. Eine Entbindung von dieser Schweigepflicht kann nur durch die Eltern oder die Erziehungs- bzw. die Sorgeberechtigten erfolgen. Was aber tun, wenn die Eltern mögliche Täter sind? - Genau das wollen wir ändern.

Oft werden Kinder einem Arzt oder eine Ärztin vorgestellt und nicht in jedem Fall ist medizinisch diagnostisch genau absehbar, ob es sich bei einem Kind mit einer auffällig bunten Palette von Abschürfungen, möglicherweise Hämatomen um ein Kind handelt, das körperlich misshandelt wurde, oder ob es sich hierbei eher um ein Kind handelt, das sehr aktiv unterwegs ist, das sich rauft, das sich balgt, das viel Fußball spielt und mit blauen Flecken verziert ist, weil es einfach empfindlich auf Stürze reagiert, oder ob möglicherweise eine chronische Erkrankung vorliegt.

Hinzu kommen die stillen Symptome, wie Verhaltensauffälligkeiten, plötzliche Nahrungsverweigerung, Kommunikationsabbau und Gewichtsabnahme etc. Die Täter, meist die Erziehungsberechtigten, wechseln - das haben wir schon mehrfach gehört - die Ärzte, die Fachärzte - man spricht vom sogenannten Doktorhopping  , damit die von ihnen hinterlassenen Spuren von Misshandlungen nicht das Tageslicht erblicken. Den behandelnden Ärzten fehlt dann oft vor allem die soziale Anamnese.

Bisher gibt es keine Rechtsgrundlage, die es Ärztinnen und Ärzten im Sinne des Kinderschutzes ermöglicht, sich interkollegial auszutauschen, ohne strafrechtlich belangt zu werden. Dies wollen wir mit diesem Antrag ändern. Mit der angestrebten Gesetzesänderung wird dies rechtlich klar geregelt werden. Das ist eine wichtige Weichenstellung, damit Kindesmisshandlung viel früher erkannt und zukünftig möglicherweise schneller verhindert werden kann. 

Wir als SPD begrüßen diesen Antrag und die damit verbundene Änderung im Heilberufegesetz ausdrücklich. Deshalb bitte ich um die Zustimmung zu diesem Antrag. - Vielen Dank. 

(Beifall bei der SPD)