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Plenarsitzung

Transkript

Eva von Angern (DIE LINKE): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Potsdam hat gezeigt, so machen Menschenjäger Politik - Menschenjäger, denen nicht an Recht und Gesetz gelegen ist, Menschenjäger, die Angst und Schrecken verbreiten wollen.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Sie als AfD präsentieren stets und ständig zwei Schuldige. Das sind zum einen die parteipolitischen Gegner und zum anderen die Menschen, die nach der Meinung der AfD nicht in unser Land passen. Wer das alles ist, das wollen Sie festlegen. Bei der Definition dieser Menschen ist die AfD gern frei: Alle möglichen Menschen passen hinein. 

Der Fraktionsvorsitzende der AfD, wie wir jetzt wissen, hat keine Furcht vor großen Zahlen. Für viele Millionen Menschen wurde vorgeplant. Allerdings - so viel Zeit muss sein - war Herr Sigmund als Privatmann dort. - So behaupten Sie zumindest. Wir wissen nun, Sie arbeiten mit den Stichworten der sogenannten Identitären. Vor Partnern wie Martin Sellner kann man nicht genug warnen, meine Damen und Herren, nicht nur moralisch, sondern auch politisch.

Ich sage Ihnen: Auch wenn Sie lateinische Begriffe in die AfD-Anträge schreiben - wir wissen, Rassismus bleibt Rassismus, Deportation bleibt Deportation, Vertreibung bleibt Vertreibung.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Tobias Krull, CDU)

Ob bei Menschen mit oder ohne Abitur, mit oder ohne Latinum, bei allen ist angekommen, dass Sie Menschen wieder nach Herkunft und Abstammung sortieren oder - ich formuliere es treffender - aussortieren wollen. Herr Siegmund, Sie bekommen das nie wieder zurück in die Tube. Das Ausmaß Ihrer Radikalität und Gefährlichkeit ist spätestens jetzt öffentlich.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Mehr als ein Viertel der Menschen in der Bundesrepublik haben einen Migrationshintergrund. Das sind fast 24 Millionen Menschen. Das sind die Unternehmer in Sachsen-Anhalt mit israelischen Wurzeln, das sind die Kellnerinnen und Köchinnen beim Spanier, beim Griechen oder beim Italiener nebenan, das sind die Lieferanten von Abertausenden Paketen jeden Tag. Das sind übrigens auch der Chef der Frauenklinik in Magdeburg und auch sein Stellvertreter.

Ich nenne gern zwei konkrete Namen: Baris Atik und Amara Conde, starke Spieler vom 1. FCM. Lax könnte ich sagen: Sie sind für den Abstieg des 1. FCM.

(Zuruf von der AfD: So ein Müll!)

Übrigens auch der Chef von Daimler-Benz. Diese fast 24 Millionen Menschen sind unsere Nachbarn, Arbeitskolleginnen und unsere Freunde. Das sind sehr, sehr viele Menschen, über die Sie entscheiden und verfügen wollen.

Es ist nun nicht überliefert, dass Sie, Herr Siegmund, beim Potsdamer Treffen Bedenken geäußert haben. Im Gegenteil: Überliefert ist vielmehr von Herrn Siegmund, dass sich die AfD darum kümmern wird, Sachsen-Anhalt möglichst unattraktiv für Ausländer zu machen. - Herr Siegmund, was genau haben Sie denn vor, um es unattraktiv zu machen?

(Oliver Kirchner, AfD: Für illegale Zuwanderer! Sie verwechseln da etwas!)

Oder soll ich jemanden fragen, der auch ganz privat in Potsdam dabei war? - Gewalttäter, die dort berichtet haben, wie man Menschen einschüchtert und bedroht.

Was passiert eigentlich mit diesen Menschen, die die Sie und Ihre Freunde es hier unattraktiv machen wollen? Was soll eigentlich passieren, damit bis zu 24 Millionen Menschen nicht mehr in diesem Land leben können? Was soll mit den Paketzustellern, den Ärztinnen, den Sportlern, mit unseren Nachbarn, Arbeitskollegen und Freunden passieren, damit sie nicht mehr in diesem Land leben?

(Oliver Kirchner, AfD: Sie bleiben hier! Das hat niemand gesagt!)

Meine Damen und Herren! Dieses Treffen in Potsdam hat niemanden in unserer Republik kalt gelassen. Das alles interessiert mittlerweile viel mehr Menschen als noch vor wenigen Wochen. Alle haben begriffen, dass die AfD Menschen in unserem Land entrechten will.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Oh! bei der AfD)

Die Menschen in unserem Land haben sehr wohl begriffen, dass es um sie selbst geht, dass es um ihre Nachbarn geht, ihre Freunde, ihre Arbeitskollegen, ihre Mitschülerinnen und Mitschüler. Nehmen Sie zur Kenntnis: Diese Menschen haben Angst vor Ihnen!

(Beifall bei der LINKEN)

Für mich, für die Linksfraktion zeigt dieses Treffen einen politischen Abgrund, vor dem wir jeden Menschen in diesem Land schützen müssen. Wir wollen, dass jeder Mensch ohne Angst in Deutschland leben kann, dass niemand Opfer von Gewalt und Vertreibung wird. Die Linke steht an der Seite derer, die im Angesicht der irren Pläne der AfD in Sorge und Unruhe sind.

Fast 1 Million Menschen haben in den letzten Tagen gegen die AfD demonstriert. Sie haben gegen die AfD Gesicht und Flagge gezeigt. Es werden täglich mehr, und zwar auch in Sachsen-Anhalt von der Altmark bis nach Zeitz.

Gustav Seibt schrieb vor Kurzem in der „Süddeutschen Zeitung“: 

„Der Sinn des Wochenendes war es, eine Grenze zu ziehen. Jenseits dieser Grenze drohen Wahnsinn, Reinheitsfantasien, am Ende Gewalt.“

Recht hat er. 

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Überall im Land gehen Menschen auf die Straße. Die größten Proteste seit 1989 richten sich gegen die AfD. Dass Menschen aufstehen, dass das Volk gegen nationalsozialistische Gedankenspiele aufsteht, ist gut so.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diese Proteste sind die so wichtige Brandmauer in unserem Land, die Zivilgesellschaft, die sich vor unsere Demokratie und vor die Grund- und Freiheitsrechte stellt. Gemeinsam verteidigen wir dieses Land gegen die Umsturzpläne der AfD, gegen ihren rassistischen und politischen Größenwahn. - Ich danke Ihnen allen aus tiefstem Herzen.

Meine Damen und Herren! Wir haben so viel zu verlieren: unsere Demokratie und unsere Grund- und Freiheitsrechte.

(Zuruf von der AfD) 

Seit 1945 werkelt die extreme Rechte am Comeback. Sie profitiert jetzt, und zwar nicht nur hier, sondern weltweit, von einer massiven Verunsicherung, einer neuen Unsicherheit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung.

Liebe Kolleginnen aus den demokratischen Fraktionen! Lassen Sie uns gemeinsam wieder für einen sozialen Zusammenhalt kämpfen. Machen wir es ihnen gemeinsam schwerer, mit ihrer Hetze durchzukommen. - Nie wieder ist jetzt!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Ich sehe zwei Interventionen. Als Erster spricht Herr Mertens. - Sie haben das Wort.


Christian Mertens (AfD): 

Vielen Dank. - Werte Frau von Angern, es war jetzt viel dabei. Für Sie, aber auch für alle Fraktionen, weil der Name Martin Sellner immer wieder in der gesamten Diskussion aufraucht, möchte ich sagen: Ich wette, niemand von Ihnen hat irgendetwas Substanzielles von Herrn Sellner gelesen.

(Zuruf von der SPD)

Deshalb möchte ich Ihnen eine Einschätzung von Herrn Bernhard Heinzlmaier aus Wien, der nun wahrlich nicht in dem Ruf stehen sollte, uns nahezustehen, vorlesen. Er ist ein Sozialwissenschaftler, der in Hamburg tätig ist. Ich möchte aus seinem gestrigen Blog zitieren:

    „Reformistisch, ja fast humanitär sind die Vorstellungen von Sellner zur Praxis der Remigration. Von Deportation, wie die linken Spitzel zu insinuieren versuchen, ist bei Sellner nie die Rede, im Gegenteil, an erster Stelle stehen ‚Rückwanderungsanreize‘, gefolgt von Strategien der Deislamisierung und erst danach werden Assimilations- und Remigrationsdruck ins Spiel gebracht. Nicht einmal ein Anklang an die nationalsozialistische Vernichtungspolitik gegenüber Minderheiten wie Juden, Roma, Sinti und Homosexuelle, wie es das Wort ‚Deportation‘ signalisiert, findet man.“

Wer an seinen Wissenslücken etwas ändern möchte: Ich habe ein Buch von ihm dabei. Sie könnten hineinschauen. Ich gebe es Ihnen gern. Ein weiteres Buch mit dem Titel „Remigration“ wird bald erscheinen. Darin können Sie nachlesen. Aber ich nehme an, das wird dann so laufen wie bei Frau Merkel damals, als es um das Buch von Thilo Sarrazin ging. Ungelesen einfach in die Öffentlichkeit posaunt: Dieses Buch sei nicht hilfreich. Genauso läuft das an dieser Stelle auch ab. - Danke.

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Herr Scharfenort, Sie haben das Wort.



Jan Scharfenort (AfD): 

Ich will kurz auf den Begriff der Zivilgesellschaft eingehen. Wer ist denn die Zivilgesellschaft?

(Zuruf von der SPD: Sie nicht!)

Die Zivilgesellschaft sind fast immer die gleichen. Es sind immer, wie bei der Klimabewegung auch, die Antisemiten, die Antifa und vor allen Dingen Angehörige der unproduktiven Klasse, Angehörige von NGO usw.

(Dr. Katja Pähle, SPD: 16 000 Menschen in Halle!)

Das ist die alte Leier. Warum wurden Demonstrationen zum Teil abgebrochen? - Weil zu viele Antisemiten teilgenommen haben, und zwar vor allen Dingen in München. Lesen Sie in der Presse nach, was dort los war.

(Zuruf von der SPD)

Zu den Anreizen und der Frage, was wir mit Anreizen meinen. - Natürlich wollen wir die Anreize möglichst niedrig halten, damit keine illegale Einwanderung stattfindet. Ein Beispiel dafür, dass es geht, liefert die CDU-Landrätin, und zwar mit einer einfachen Maßnahme wie der Bezahlkarte.

So etwas wollen wir neben anderen Faktoren auch. Wir wollen die Pull-Faktoren abschaffen. Natürlich wollen wir Anreize abschaffen, was denn sonst, und zwar so wie es in anderen Ländern, also in fast ganz Europa, jetzt gemacht wird. Wir sind die Letzten, die Blinden, die Autofahrer auf der falschen Seite. So ist es doch.

(Beifall bei der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Ich will darauf hinweisen, dass das Instrument der Intervention dazu gedacht ist, zu etwas zu intervenieren, das in der Rede des Redners vorgekommen ist. Insofern würde ich darum bitten, dass die Debattenbeiträge, die praktisch Co-Beiträge sind, nicht als Intervention getarnt werden. Eine Intervention muss sich auf den Redner beziehen.

(Jan Scharfenort, AfD: Zivilgesellschaft!)