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Plenarsitzung

Transkript

Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rede von Herrn Gallert hätte Anlass dazu gegeben, um eine Redezeit von 20 bis 30 Minuten zu bitten. Ich glaube, das würde mir laut Ihren Regeln auch zugestanden werden.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Die Verfassung ist da eindeutig!)

Aber dann würden wir noch heute Abend um 23 Uhr hier sitzen, weil sich alles andere auch verschieben würde.

Ich will gar nicht auf einzelne Punkte eingehen, Herr Gallert. Zu dem Thema Klage beim Bundesverfassungsgericht. Heute wurden bereits mehrfach die „Mitteldeutsche Zeitung“ und die „Volksstimme“ zitiert, das sind zwei sehr gute Zeitungen in Sachsen-Anhalt. Es gibt noch ein paar mehr. Es gibt aber auch überregionale Zeitungen.

Ich habe gerade nachgeschaut, wann es genau war - ich habe es noch in Erinnerung gehabt, zumindest den Artikel. Am 20. November 2023 ist es gewesen. Da hat er ehemalige Bundesminister Jürgen Trittin gesagt: „Auch ich hätte gegen diesen Haushalt geklagt.“ Ich glaube, er ist noch Mitglied der GRÜNEN und der Bundeswirtschaftsminister ist auch ein Mitglied der GRÜNEN. Es ist schon etwas anders, als Sie es hier darstellen. 

Ich sage es einmal mit einfachen Worten. Es kann nicht sein: Wenn man irgendwo an einem Haus vorbeigeht; man sieht, es brennt lichterloh, man die Feuerwehr ruft, dass man dann dafür noch verklagt wird, weil es dort brennt und man die Feuerwehr gerufen hat. So ist es ja nun nicht.

(Zustimmung bei der CDU)

Hätte die Bundesregierung einen verfassungskonformen Haushalt vorgelegt, dann hätte das Bundesverfassungsgericht nicht so entscheiden müssen. Das ist einfach die Tatsache. Deswegen haben wir auch die Situation, wie sie ist.

Ich sage auch, dass ich es wirklich bemerkenswert finde, dass im Landtag immer versucht wird, die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt schlechtzureden. Ich habe bei Ihnen ein wenig Verständnis dafür, dass Sie Debatten aus dem Bundestag in die Landtage verlegen. Immerhin ist die Bundestagsfraktion nicht mehr existent. Daher muss man wahrscheinlich versuchen, über die Landesparlamente mehr Stimmung zu machen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP)

Ich will einmal sagen, dass die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt trotz aller Herausforderungen, über die wir hier mehrfach diskutiert haben - wir haben dazu auch im Ausschuss gute Debatten geführt  , gut dasteht. Das liegt nicht an den Investitionen, über die wir immer wieder reden und die - aus meiner Sicht manchmal zu Recht, manchmal zu Unrecht - immer auf der Seite 1 der Zeitung stehen, sondern das liegt an der mittelständischen Wirtschaft in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der CDU)

Diese ist nämlich verdammt gesund. Und diese Wirtschaft hat dafür gesorgt, dass das Land Sachsen-Anhalt heute dort steht, wo es steht. Sachsen-Anhalt ist heute ein richtig attraktives Land. 

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU) 

Ich sage das immer wieder: Als ich im Jahr 1998 Abitur gemacht habe, haben mir die Leute gesagt: „Sven, du musst dieses Land verlassen, wenn du eine richtig tolle Karriere machen willst. Es wird schwer für dich, in Sachsen-Anhalt einen Beruf zu finden, in dem du ganz viel erleben kannst, in dem du die große Welt sehen kannst und in dem du erfolgreich sein kannst.“ Das hat man nicht nur mir gesagt, sondern Tausenden anderen auch. Warum sind sie denn alle in Bayern, in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen gelandet? 

Heute ist genau das Gegenteil der Fall. Wenn ich heute mit Schülerinnen und Schülern spreche, dann sage ich: Ihr habt heute die beste Zeit, die ihr euch vorstellen könnt. Wir haben heute einen Arbeitnehmermarkt. Heute kann sich jeder den Beruf aussuchen, den er haben will. 

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn man jungen Leuten heute sagen kann „Egal ob ihr eine Ausbildung macht oder ob ihr eine Hochschule besucht, was auch immer ihr macht, ihr habt tolle Voraussetzungen, ihr müsst eure Heimat nicht mehr verlassen“, dann ist das auch ein Erfolg der aktuellen Landesregierung und vor allen Dingen der Landesregierungen der vergangenen Jahrzehnte mit den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff und Prof. Böhmer.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist richtig: Reiner Haseloff hat das im Deutschen Bundestag gesagt. Und es ist doch gut, dass wir einen Ministerpräsidenten haben, der schon damals Dinge angesprochen hat, die man vielleicht auch heute so sieht und die man damals möglicherweise auch aus der Sicht der Bundesregierung hätte so sehen sollen.

Ich will einmal ein paar Herausforderungen ansprechen. Natürlich haben wir einen massiven Wettbewerb aus dem Ausland. Im Übrigen kommt er nicht mehr nur, wie es viele Jahre lang diskutiert wurde, immer nur aus China. China ist im Moment nicht mehr ein Land, aus dem nur Billigprodukte kommen, sondern es hat mittlerweile hochqualitative Produkte. 

Ich komme aus der Automobilindustrie. Wenn man sich die Autos dort anschaut, dann stellt man fest, dass die mittlerweile ein hohes Level haben. Wenn man sich anschaut, was die im Windkraftbereich hinbekommen, dann stellt man fest, dass das mittlerweile weltweit wettbewerbsfähig ist. Wenn man sich die Dinge im Bereich der Solarindustrie anschaut, dann stellt man fest, dass das mittlerweile auch Qualität hat. Das heißt, das ist ein riesiger Wettbewerb. Parallel dazu stehen auf der anderen Seite die USA mit dem Inflation Reduction Act. Das ist auch ein Wettbewerb. 

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ja!)

Es gibt auch Unternehmen in Sachsen-Anhalt, die klare Angebote aus den USA bekommen. Sie bekommen die Information, wie sie ein Abschreibungsmodell in den USA aufbauen können, was bei uns nur schwer zu bieten ist.

Deswegen ist das eine Herausforderung, die man nicht kleinreden sollte. Deswegen ist es auch wichtig festzustellen, dass wir an manchen Stellen eben nicht darum herumkommen, mit finanziellen Mitteln zu unterstützen. Das machen wir beim Mittelstand. 

Ich habe vorhin auf die Frage des Abg. Silbersack Folgendes geantwortet: Das fängt an mit einem kleinen Investitionsprogramm, aus dem wir vielleicht 5 000 € oder 10 000 € geben können, und geht bis hin zu Mitteln, die wir und der Bund bis zu einer Höhe von round about 10 Millionen € zur Verfügung stellen können. 

Wir sind froh darüber, dass das Geld in Sachsen-Anhalt landet. Man sollte sich vielleicht auch einmal darüber freuen, dass die Investitionen hier getätigt werden und dass es nicht so ist wie vor 15 Jahren ist, als BMW nicht hierhergekommen ist und wir wieder sagen mussten, wir sind nur zweiter oder dritter Sieger.

(Zustimmung bei der CDU) 

Das sind Bundeslandgelder, die wir auch brauchen.

Ich sehe ein großes Thema, das in Zeiten knapper Kassen immer mehr in den Fokus rücken wird. Das ist tatsächlich weiterhin das Thema Bürokratie. 

(Sandra Hietel-Heuer, CDU: Ja!)

Ich glaube, wir müssen uns in den nächsten Jahren anders mit diesem Thema befassen. Es wird nicht ausreichen, nur zu sagen: Vielleicht kriegen wir es hin - „One in, one out“ oder was auch immer. 

Ich habe in den letzten Tagen in meinem Ministerium eine große Konferenz durchgeführt. Ich habe gesagt, ich möchte bis zum Sommer 2024 Maßnahmen sehen, die zeigen: Wo können wir sowohl im Wirtschafts- und im Landwirtschaftsbereich, aber auch darüber hinaus beim Thema Bürokratie entscheidende Akzente setzen? Das kann man im kleinen Bereich machen; das kann man auch im großen Bereich machen. Das wird mit Sicherheit viele Ressorts betreffen. Das wird vielleicht auch die kommunale Ebene betreffen. Aber das ist im Moment aus meiner Sicht der große Hebel, mit dem wir ansetzen können und der möglicherweise kein Geld kostet, sondern in den Unternehmen auch Geld spart. 

An der Stelle müssen wir als Landesregierung anfangen. Dabei ist auch die Opposition gefordert. Daran müssen auch der Bund und die kommunale Ebene beteiligt werden. Wir müssen gemeinsam versuchen, Lösungen zu finden.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Dann sagen Sie das Ihrer Bundestagsfraktion!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Energiepreise ist angesprochen worden. Das ist eine Herausforderung. Ich fand es immer ganz spannend, wenn gesagt wurde: Dann verbraucht doch weniger Gas. Verbraucht einfach weniger Gas, dann funktioniert das schon. 

Wenn man wie wir in Sachsen-Anhalt Gas stofflich verwertet, dann kann man nicht sagen, wir verbrauchen weniger Gas. Das wäre genau so, als wenn man einer Eiswürfelfabrik sagen würde, sie sollte weniger Wasser verbrauchen. Das funktioniert nicht. 

(Zustimmung bei der CDU)

Das heißt, wir sind darauf angewiesen, wettbewerbsfähige Energie geliefert zu bekommen. Die Bundesregierung hat ihre Ideen - möglicherweise gehen sie auf, möglicherweise auch nicht. Das weiß ich auch nicht. Fakt ist, dass wir im Moment die Herausforderung haben. Ich freue mich natürlich, wenn gesagt wird, die LNG-Belieferung funktioniert, die Gas-Terminals sind entsprechend funktionsfähig und die Gasspeicher sind voll. 

Aber Fakt ist auch Folgendes: Wir brauchen mittelfristig wettbewerbsfähige Preise. Und wie schwer es ist, sie zu bekommen, das sehen wir im Moment auch bei dem Thema Strompreis usw. Das sind keine einfachen Aufgaben. Das hat auch ein Stück weit mit dem Wettbewerbsrecht zu tun. Das hat auch ein Stück weit mit der EU zu tun. Das sind große Aufgaben.

Ein großes Thema, Herr Gallert, haben Sie nicht angesprochen. Das hat mich ein bisschen gewundert. Ich meine das Thema Fachkräfte und Löhne.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Doch!)

Ich hätte mir gewünscht, dass auch die Linkspartei vielleicht einmal ein paar Lösungen dazu bringt.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Dann haben Sie nicht zugehört; das habe ich gesagt!)

- Ja, aber ein Thema nicht; hören Sie mir bitte zu. Sie haben ein Thema nicht angesprochen. Ich meine die Frage, wie man die Menschen in Deutschland, die arbeitsfähig sind, auch in Arbeit bekommt.

(Zustimmung bei der CDU)

Das gilt im Übrigen - es ist wichtig, dass das hier einmal gesagt wird - für Menschen, die in Deutschland geboren worden sind, genauso wie für Menschen, die nach Deutschland einwandern. Wir müssen die Arbeitsfähigen, die im Moment aus verschiedenen Gründen nicht arbeiten, mehr in Arbeit bekommen. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. Dadurch spart der Sozialstaat am Ende einen Haufen Geld.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU) 

Dabei muss auch die Linkspartei über ihren Schatten springen. Wir können nicht alles alimentieren. Es wird eine Aufgabe sein, bei den Diskussionen darüber diese Themen entsprechend auch anzudiskutieren und Lösungen zu bringen. Anders kriegen wir diesen Sozialstaat, in dem mittlerweile zehnmal mehr in Sozialleistungen gezahlt wird als in Wirtschaftsleistungen, in der Zukunft nicht finanziert.

Wir haben in dieser Woche ausführlich Zeit, um über die finanzielle Lage des Landes und des Bundes zu diskutieren. Wir werden das auch machen. Ich vertraue dem Finanzminister, dass wir in den nächsten Jahren Haushalte hinbekommen, die dafür Sorge tragen werden, dass wir die Wirtschaft vernünftig unterstützen können. Wenn wir die Wirtschaft vernünftig unterstützen, dann haben auch die Menschen etwas davon. 

Mir ist eines wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen: Lasst uns dieses Land nicht immer schlechtreden! 

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Guido Heuer, CDU: Jawohl!)

Lasst uns darüber reden, welche Erfolge wir hier haben. Lasst uns darüber reden, welche Zukunftsperspektive die Menschen hier haben. Und lasst uns gemeinsam, parteiübergreifend dafür sorgen, dass sich dieses Land weiterentwickelt. Wir haben im Moment die besten Chancen seit Langem. Wenn wir die Chancen, die wir jetzt haben, nicht nutzen, dann sind wir selbst daran schuld. Dieses Land Sachsen-Anhalt wird sich sehr gut entwickeln, wenn wir das gemeinsam wollen, in den Ausschüssen und hier im Landtag. Ich bin dazu bereit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Minister, Ihnen ist bestimmt aufgefallen, dass es ein paar Fragen gibt. - Herr Gallert, bitte zuerst.


Wulf Gallert (DIE LINKE): 

Herr Minister, Sie sprachen an, dass wir kritisieren würden, dass die Bundestagsfraktion diese Klage eingereicht hat. Sie hat von vornherein gesagt, dass Sie die Forderung, die Herr Haseloff aufgestellt hat, nie und nimmer erfüllen werden, dass Sie z. B. auch sofort - das hat Herr Merz gleich gesagt - gegen eine Notlagenerklärung im Bundeshaushalt gerichtlich vorgehen werden. Also die Differenz, die hier offensichtlich ganz wird, könnten Sie als Landesvorsitzender der CDU ja auch einmal aufklären. 

Aber mein Problem ist sozusagen gar nicht das Bundesverfassungsgerichtsurteil. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil hat nämlich klar und deutlich gemacht, wie widersinnig eine Verfassungsregelung, nämlich die Schuldenbremse, ist.

(Zuruf von der CDU: Nein!)

Das würde in der Konsequenz übrigens auch bei uns dazu führen, dass wir diesen High-Tech-Park gar nicht machen könnten. Das wissen Sie auch. 

Meine direkte Frage an Sie ist aber eine andere. Wenn Sie an der einen Stelle so stark auf die Einhaltung eines Bundesverfassungsgerichtsurteils drängen, was halten Sie davon, dass Ihr Bundesvorsitzender die Bundesregierung dezidiert auffordert, das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Existenzminimum beim Bürgergeld zu ignorieren? 

(Ulrich Thomas, CDU: Es geht nur um die Erhöhung! - Zuruf von der CDU. Also! - Wulf Gallert, DIE LINKE: Die Erhöhung ist die Konsequenz des Urteils!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Gallert, Sie haben Ihre Frage gestellt. - Bitte, Herr Minister.


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Es ist spannend, wie man jetzt vom Haushalt zum Bürgergeld kommt. Ich weiß, dass ich hier für Antworten immer nur zwei, drei Minuten Zeit habe. Das Spannende ist doch, wenn     Oder anders: Für die Aufstellung des Bundeshaushaltes ist die Bundesregierung verantwortlich.

(Ulrich Thomas, CDU: Richtig!)

Aus der Bundesregierung kommen entsprechende Stimmen. Ich bin, ehrlich gesagt, den GRÜNEN einmal sehr dankbar, weil sie mit die Ersten waren, die gesagt haben: Na ja, wir haben damals ein Stück weit geguckt; es hätte gut gehen oder nicht gut gehen können. Ich will keinem in der Bundesregierung unterstellen, dass man das bewusst macht, um Deutschland in diese Situation zu bringen. Aber Fakt ist: Die Bundesregierung ist dafür zuständig. Fakt ist: Wir haben jetzt diese Situation. Wir können jetzt noch zehn Mal über das Gerichtsurteil reden. Wir müssen alle gemeinsam nach vorn schauen und sagen, wie wir diese Probleme lösen können. Das ist doch jetzt das Wichtige.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Am Ende des Tages, Herr Gallert, werden wir es nicht hinkriegen, wenn wir im Landtag über Dinge diskutieren, über die wir hier nicht zu entscheiden haben. Fakt ist: Es geht um die Erhöhung des Bürgergeldes. Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Die sollte man auch zulassen und die sollte man auch haben. Vielleicht sollte man auch einmal auf die Bevölkerung hören. Sie haben doch vorhin die Löhne angesprochen. Der normal arbeitende Bürger bekommt eben nicht eine Lohnerhöhung um 10 %. Das ist die Wahrheit. Das muss man auch einmal andiskutieren können und darüber muss man auch einmal bis zum Ende diskutieren. Man muss auch akzeptieren, dass es dazu unterschiedliche Meinungen gibt. 

(Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. Die Beantwortung ist innerhalb der zwei Minuten geblieben, sehr schön. - Die nächste Frage stellt Herr Striegel.


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Herr Minister, vielen herzlichen Dank. Ich finde, Ihr Angebot, das Land nicht weiter schlechtzureden, nach vorn zu schauen und gemeinsam zu gucken, wie wir vorankommen, ist eines, das man annehmen kann und annehmen muss. Das sollten wir uns tatsächlich miteinander vornehmen. Ich wünsche mir allerdings auch, dass wir nicht permanent die Deindustriealisierung an die Wand malen und Ähnliches. Es soll Leute in Ihrer Partei geben, die das tun.

Aber ich will mit Ihnen über ein Thema sprechen und habe dazu die Frage an Sie, wie wir das Land weiter nach vorn bringen. Sie haben die chinesischen Exporte auch in die EU erwähnt, z. B. im Bereich der Fotovoltaik. Im Gespräch ist der sogenannte Resilienzbonus. Der CEO der Firma Meyer Burger - - Ich meine, wir teilen das Ziel, dass es in Bitterfeld zukünftig eine große Fabrik des Firma Meyer Burger geben sollte. Aber das braucht Grundlagen. 

Meine Frage an Sie ist: Setzen Sie, setzt die Landesregierung sich für einen solchen Resilienzbonus für Solarmodule, die tatsächlich in der EU, in Deutschland hergestellt werden, ein? Und sorgen Sie damit dafür, dass es gute Bedingungen gibt für eine entsprechende Ansiedlung der Firma Meyer Burger bei uns im Land?


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Minister. 


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Zum Glück, lieber Kollege Striegel, müssen sie sich nicht erst ansiedeln, sondern sie sind schon da. Die Leute, die das machen, machen einen guten Job.

Fakt ist eines: Ich bin überzeugt davon, dass gewisse Produkte, die weltweit produziert werden könnten, in Europa produziert werden müssen. Wir reden dabei über Arzneimittel, über Chips, über Solarmodule und über all solche Dinge. Fakt ist im umgedrehten Fall: Es muss am Ende aber auch finanzierbar sein. Wir reden in gewissen Bereichen über Summen, die, wenn man dafür die Kofinanzierung des Landes nehmen müsste, meinen eigenen Wirtschaftshaushalt komplett übersteigen, nur für einen Bereich. Das ist die Herausforderung, die wir dabei haben. 

Das heißt, wenn wir es schaffen wollen, bspw. auch die Solarbranche stärker zu unterstützen, dann muss das - das sage ich hier auch ganz offen - besser zwischen Bund und Land koordiniert sein. Es kann nicht sein, dass der Bund sagt „Wir können das machen, aber die Hälfte davon muss das Land bezahlen, wohlwissend, dass das bei uns nicht möglich ist.“, sondern wir müssen dabei fair miteinander umgehen. 

Meyer Burger ist ein tolles Unternehmen. Meyer Burger ist ein Unternehmen, das wir gern in Sachsen-Anhalt haben wollen. Aber - das sage ich auch - es ist kein Unternehmen, das ausschließlich dem Land Sachsen-Anhalt dient, sondern Deutschland. Deswegen müssen wir da ein faires Verhältnis haben zwischen dem, was ein Land wie Sachsen-Anhalt leisten kann, und dem, was der Bund leisten kann. Unsere Aufgabe besteht darin zu moderieren. Das machen wir auch mit der Firma Meyer Burger sehr eng. Das machen wir auch mit anderen sehr eng. Ich glaube, wenn man das auch vonseiten Berlins möchte, findet man dafür Lösungen.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Eine Nachfrage? 


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Ich habe eine Nachfrage, denn eure Rede ist: Ja, ja und nein, nein. Also, was ist denn nun? Wird die Landesregierung sich für einen Resilienzbonus, der im Übrigen mit der EU abzustimmen wäre, einsetzen: ja oder nein, Herr Wirtschaftsminister?


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Herr Striegel, das Problem ist, dass Ihr Wirtschaftsminister mir gar keine Grundlage gibt, über die ich reden kann.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ob Sie sich dafür einsetzen?)

Ich habe doch gar keine Basis. Ich kann Ihnen doch nicht sagen, wir setzen uns für etwas ein, bei dem ich noch nicht weiß, wie die Daten aussehen. 

(Zurufe von der AfD) 

Wenn ich einmal einen Wirtschaftsminister in Berlin hätte, mit dem man verantwortungsvoll reden kann, dann ginge dies besser. 

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Lachen bei der CDU und bei der AfD - Zurufe von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Ich habe ihn - das müssen Sie jetzt aushalten; Armin Willingmann saß neben mir   gefragt am Montag früh um 8 Uhr, als wir alle dort waren - pünktlich um 8 Uhr haben wir bei Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Habeck gesessen  : Herr Habeck, wie geht es weiter mit den GRW-Zahlungen? - Darauf kam keine Antwort.

(Zurufe von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Und drei Tage später kam der Stopp aus Berlin. Wenn man mit Ihrem Wirtschaftsminister besser zusammenarbeiten könnte, dann könnte ich Ihnen auch auf diese Frage besser antworten.

(Zustimmung bei CDU - Zurufe von der AfD)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Es gibt eine Frage von Herrn Meister. Wir sind schon in der Beantwortung der Fragen; daher gibt es keine neuen Fragemöglichkeiten. Das bloß einmal kurz zur Erinnerung. Das ist also keine Willkür von mir. - Bitte.


Olaf Meister (GRÜNE): 

Danke, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie sprachen das US-Inflationsbekämpfungsgesetz an, auf dessen Grundlage 738 Milliarden $ sehr breit ausgegeben werden für diverse Dinge klimaschutzbedingt, aber letztlich industriepolitisch motiviert. In China wird es Ähnliches geben. 

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, würden Sie europäische Antworten und deutsche Antworten auf solche Dinge begrüßen. Es stellt sich folgende finanzpolitische Frage: Wie kann man eine solche riesige Summe bewegen, ohne das mit Krediten zu machen? Sind Sie ernsthaft der Meinung, dass man eine solche Summe aus einem Haushalt, also aus einer Jahresscheibe, herauskriegt?

(Zuruf von der CDU: Wo kommen die Steuergelder her?


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Fakt ist: Warum spreche ich das an? - Weil ich versucht habe zu erklären, wie die Weltlage ist, also dass wir eine Situation haben

(Olaf Meister, GRÜNE: Ja!)

- lieber Olaf Meister, darin sind wir uns, glaube ich, auch einig  , die uns in einen Wettbewerb bringt. Punkt 1.

(Olaf Meister, GRÜNE: Ja!) 

Jetzt will ich einmal Folgendes sagen. Das hat Herr Gallert in seinem Vortrag falsch herübergebracht. 

Wir hatten, Herr Gallert und lieber Olaf Meister, am Anfang die Zusage von Bundeskanzlerin Merkel und später auch von Bundeskanzler Scholz, dass wir die Summe - knapp 6,8 Milliarden € - für Intel im Bundeshaushalt wiederfinden. Mittlerweile ist alles im Klima- und Transformationsfonds. 

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Nein!)

- Doch, selbstverständlich! - Wir haben natürlich in Berlin nachgefragt, wie die Situation ist. Ich schicke Ihnen das, Herr Gallert, gleich zu; dann haben Sie auch die nötigen Unterlagen dazu. 

Das ist für uns auch neu gewesen. Das heißt, es muss doch möglich sein, wenn man einen mehrere Hundert Milliarden € umfassenden großen Haushalt hat, in einem gewissen Rahmen Möglichkeiten zu finden, um die Wirtschaft zu unterstützen. 

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Guido Kosmehl, FDP) 

Das ist ja das, was ich immer ein Stück weit kritisiere. Diesbezüglich haben wir vielleicht alle Fehler gemacht. Schauen wir uns eines an: Die Differenz zwischen investiven Ausgaben und konsumtiven Ausgaben wächst jedes Jahr. 

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Ulrich Thomas, CDU)

Das ist das Problem. Wenn wir als Land Sachsen-Anhalt einen Haushalt von round about 14,7 Milliarden € haben und der Wirtschaftsanteil darin 200 Millionen € beträgt, dann ist das kein vernünftiges Verhältnis; das muss man einfach sagen. 

Das Gleiche haben wir auf der Bundesebene noch stärker. Das ist der Punkt. Sie wissen ja, dass ich sieben Jahr in Brüssel gearbeitet habe. 50 % aller Sozialausgaben europaweit in der EU werden in Deutschland ausgegeben. Wir können auch stolz darauf sein, dass wir uns das leisten können. Wir können es in Zukunft aber nur dann leisten, wenn es eine starke Wirtschaft gibt,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

weil die Wirtschaft am Ende für die Jobs sorgen muss. Das ist doch der Punkt. Deshalb, um zurück zu Ihrer Frage zu kommen: Ich bin überzeugt, dass man, wenn man will, solche Leistungen in einem gewissen Rahmen auch ohne neue Schulden machen kann.

(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)