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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Andreas Schmidt (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir verlassen jetzt Lügenland 

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der AfD)

und kommen zur Haushaltsdebatte über das reale Sachsen-Anhalt. 

„Ein Staatshaushalt“, hat der Kabarettist Werner Finck einmal gesagt, „ist ein Haushalt, in dem alle mitessen wollen, aber keiner das Geschirr spülen möchte.“ Nun, die Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitiker haben, mit ganz viel Hilfe aus dem Finanzministerium und von Frau M., die Hände tief ins Palmolive gesenkt und gespült. 

(Tobias Krull, CDU: Fit! - Guido Kosmehl, FDP: Das ist aber Werbung!)

Der Ausschussvorsitzende hat den Dank für die umfangreiche Hilfe, die wir auf dem Weg dieser Haushaltsberatung erfahren haben, bereits ausgerichtet; dem kann ich mich nur anschließen. 

Im Ergebnis ist festzuhalten: Diese Koalition hält Kurs. Diese Koalition hält Wort, auch in schwierigen Zeiten, bei hohem Seegang. Damit könnte meine Haushaltsrede zu Ende sein. Denn darauf kommt es schließlich an. Das ist das Wesentliche. Dass hinter dieser Aussage unendlich viel Arbeit, ausgetragene Zielkonflikte und die Kraft, Krisen zu managen, stehen, muss gar nicht wichtig sein, denn schließlich zählt das Ergebnis. 

Aber ich will über die Bedeutung des Zahlenwerks, das uns heute vorliegt, für das reale Sachsen-Anhalt und das richtige Leben, für die richtigen Menschen, für die Sie sich nicht interessieren, etwas sagen. 

(Zuruf von Dr. Jan Moldenhauer, AfD)

Wir erleben in diesen Jahren die zweite wirtschaftliche Neugründung Sachsen-Anhalts nach den 90er-Jahren. Damals ging es darum, die Schrumpfung aufzuhalten, industrielle Kerne festzuhalten, möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen. Heute erleben wir   das ist erfreulich  , dass die Ansiedlungen, auf die wir vor 30 Jahren so gehofft haben, uns heute in einer Zahl und Geschwindigkeit erreichen, dass wir das Mitfinanzieren der Infrastruktur gar nicht so leicht schaffen können, und dass es in diesem Land nicht mehr das große Problem ist, dass ganz viele Hände und Köpfe nach Arbeit suchen, sondern dass ganz viele Hände und Köpfe gebraucht werden.

(Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD)

In Magdeburg beginnt Intel, diese große Ansiedlung, Form anzunehmen. Obwohl es eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, bin ich dankbar dafür, dass die Bundesregierung klargestellt hat, dass an der Förderung dieser Ansiedlung bundesseitig nicht gerüttelt wird, und dass die Dinge weiter auf der Schiene bleiben. 

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

In meinem Wahlkreis liegt der größte Chemiepark Deutschlands. Früher wurde von dort aus die Landwirtschaft revolutioniert: „Ammoniak-Synthese“, „Brot aus Luft“ waren die Worte. Heute könnte man sagen: Energie aus Wasser. Wir erleben dort gerade den Beginn eines neuen Wirtschaftens auf der Basis von grünem Wasserstoff. Trotz schwieriger Zeiten, gerade für die chemische Industrie, wird im Raum Halle-Leipzig so viel investiert wie seit einem Jahrhundert nicht mehr. 

Diese Entwicklungen müssen mit Infrastrukturaufbau, mit Hilfen zur Fachkräftegewinnung, mit Forschungs- und Technologieförderung begleitet werden. Die Tür dafür steht jetzt offen. Sie wird nicht für immer offen stehen. Ob diese Entwicklungen gelingen, liegt bei uns. 

Spitzenlastwasserwerk in Halle-Beesen, CTC-Forschungszentrum in Merseburg, Algenforschung in Köthen, High-Tech-Park Magdeburg, IPCEI-Wasserstoffförderung sind einige der Stichworte für die finanziellen Anstrengungen, die das Land unternimmt, um diese Aufgabe zu lösen. Allein im Bereich Wasserstoffleitungen werden in den nächsten Jahren Mittel in Höhe von fast 60 Millionen € aus dem Landeshaushalt in den Bau solcher Leitungen fließen. 

Es ist noch nicht bei allen angekommen - bei manchen, bei denen die Bretter vor den Köpfen zu dick sind, wird das auch nicht geschehen  , aber dieses Land braucht den Zuzug von Köpfen und Händen. Im Jahr 2000 waren in Sachsen-Anhalt 1,2 Millionen Menschen erwerbstätig. Die Arbeitslosenquote lag bei 20 %. Im Jahr 2022 hat das Land noch 860 000 Erwerbstätige gehabt; die Arbeitslosenquote lag bei ca. 8 %. Ein Schulabsolvent pro Altersjahrgang steht drei Beschäftigten gegenüber, die in den Ruhestand eintreten. 

Wenn Wertschöpfung und Wohlstand in Sachsen-Anhalt nicht dramatisch sinken sollen, brauchen wir Köpfe und Hände. Viele Unternehmen dieses Landes sind schlicht zu klein und zu regional aufgestellt, um im Ausland Fachkräfte, die sie brauchen, zu rekrutieren und um die Berufsanerkennung, den Aufenthalt und alles, was für die Menschen zum Ankommen dazu gehört, regeln zu können. 

Welcome Center und Jobbuddies sind deshalb genauso wichtig wie Ansiedlungs- und Infrastrukturförderung. Denn die schönste Ansiedlungsförderung nützt nichts, wenn niemand am Computer oder an der Maschine steht. 

(Zustimmung bei der SPD)

Ein Land, sehr geehrte Damen und Herren, das so dringend Hände und Köpfe braucht wie unseres, kann es sich nicht leisten, junge Menschen an den Chancen für Schulabschluss und Berufsausbildung vorbeischlittern zu lassen. 

Deswegen unternimmt die Koalition alles, um die Unterrichtsversorgung zu sichern, Schülerinnen und Schülern das Aufholen nach der Coronapandemie zu ermöglichen, das Berufsschulnetz zu sichern und eine schulische Berufsorientierung zu finanzieren, die den jungen Menschen zeigt, was es alles für Chancen im Leben gibt. Für das Jahr 2024 stellen wir - allein für das Aufholen nach Corona - über das Corona-Sondervermögen Mittel in Höhe von 32,6 Millionen € zur Verfügung. 

Schulsozialarbeit ist, unserem Schulgesetz folgend, integraler Bestandteil von Schule. Schulsozialarbeit ist zugleich - darüber haben wir uns gelegentlich unterhalten - Teil der Jugendarbeit nach SGB VIII. Das hat sich bereits seit vielen Jahren mit der Finanzierung der Schulsozialarbeit im Land ausgedrückt.

Das Land hat aus ESF-Mitteln und eigenen Mitteln 380 Stellen kofinanziert. Die Landkreise haben darüber hinaus in unterschiedlichem Umfang eigene Stellen geschaffen. Das haben wir auf Initiative meiner Fraktion auch in der neuen Förderperiode nach dem Jahr 2021 so beibehalten und sogar 14 zusätzliche Stellen für den ländlichen Raum geschaffen, damit er nicht durch die Umverteilung nach Schülerzahlen verliert.

Diese 14 Stellen für den ländlichen Raum werden bis zum Jahr 2028 Bestand haben. Aber ab dem Schuljahr 2024/2025, also ab August 2024, werden die Landkreise diese Stellen, wie auch die ESF-Stellen, mit einem Anteil von 10 % mitfinanzieren müssen. 

Damit es nicht weiter in den Köpfen herumgeht - weil wir die eine oder andere systematische Unterhaltung darüber auch in der Koalition hatten  : Die Kreise werden mit dieser Regelung nicht neu an der Finanzierung der Schulsozialarbeit beteiligt. 

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Sie waren längst beteiligt, nämlich über die eigenen kreislichen Schulsozialarbeitsstellen, die die meisten geschaffen haben, zum Teil in einem ziemlich erheblichen Umfang. 

Die Beteiligung der Kreise wird jetzt - das muss man nicht unbedingt gutheißen  , umverteilt. Denn viele Landkreise werden den Anteil von 10 %, den sie in Zukunft stemmen müssen, damit kompensieren, dass sie die eigenen Stellen reduzieren, die sie bisher aus eigenen Mitteln finanziert haben. Im Ergebnis werden wir nach dem Jahr 2024 wahrscheinlich weniger Schulsozialarbeit im Land haben, als wir vorher hatten. 

Mit dem Kompromiss, den wir erreicht haben - der Haushaltsplanentwurf sah eine Beteiligung der Landkreise und der kreisfreien Städte von 20 % vor  , werden immerhin Mittel in Höhe von 3 Millionen € auf der kommunalen Seite eingespart. Sie werden verstehen, dass ich diesen Kompromiss als Erfolg meiner Fraktion reklamiere. Denn dafür haben wir gekämpft. Sie werden auch verstehen, dass wir uns im Interesse von Schülerinnen und Schülern mehr gewünscht hätten. 

(Zustimmung bei der SPD)

Ich habe in diesen Tagen gehört, dass der eine oder andere Kollege der Koalition die Vaterschaft für diese Lösung für sich beansprucht hat. Das ist möglich, vielleicht auch legitim. 

(Sven Czekalla, CDU: Wir sind eine große Familie! - Olaf Meister, GRÜNE, lacht - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Eine streitbare Familie!)

- Ja, wir sind eine große Familie. - Ich sage nur, Vaterschaft bringt Unterhalt mit sich. Ich werde genau hinschauen, dass diejenigen, die gerade draußen im Land „Ich habe daran auch mitgewirkt“ sagen, ihre Vaterschaft einlösen, wenn wir die nächsten Verhandlungen über die Frage, wie es mit der Schulsozialarbeit weitergeht, führen werden. 

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Stefan Ruland, CDU)

Wir erleben, sehr geehrte Damen und Herren, dass es ein Gefälle bei der Berufswahl der jungen Menschen gibt. Das Handwerk leidet gegenüber der Industrie und soziale Berufe leiden gegenüber gewerblichen und kaufmännischen Berufen. Aber Erzieherinnen und Erzieher und Pflegekräfte sind nicht minder wichtig als Installateure oder Chemikanten. Ergotherapeutinnen und -therapeuten, medizinische Bademeisterinnen und Bademeister und eben auch Podologen sind im Zweifelsfall diejenigen, deren Arbeit den Unterschied zwischen einem selbstbestimmten und lebenswerten Leben im Alter und bei Krankheit oder Leid und Siechtum ausmacht.

Ich finde, es zählt zu den großen Erfolgen, dass diese Koalition in den sozialen Fachschulberufen Stück für Stück das Schulgeld abgeschafft und damit eine irrsinnige Hürde bei der Wahl dieser Berufe beseitigt hat.

(Zustimmung bei der SPD)

Nun ist das auch für die Podologen erfolgt. 

Die Hochschulen in Sachsen-Anhalt erhalten ab dem kommenden Jahr eine höhere Grundfinanzierung. Sie steigt um 6 Millionen € auf insgesamt 431 Millionen € pro Jahr. Die Studentenwerke erhalten mehr Unterstützung für die Hochschulgastronomie. Wir haben wiederum die Möglichkeit eingeräumt, dass die Studentenwerke vergünstigt Grundstücke vom Land erwerben können. Das Wissenschaftsministerium wird die Universitäten mit 8 Millionen € pro Jahr im Rahmen der Exzellenzförderung unterstützen.

Der Klimawandel hat zwei Seiten. Die eine drückt sich in der Notwendigkeit aus, Energiegewinnung, Heizen und Mobilität auf eine neue Basis zu stellen. Dass das Energieministerium bis zum Jahr 2027 kommunale Wärmeplanungen mit 2 Millionen € unterstützen wird, ist dabei mehr als ein Signal. Das ist eine praktische Hilfe für die Kommunen. Der Klimawandel ist im Land aber auch längst angekommen. 90 Millionen € für den Hochwasserschutz bedeuten für alle an Elbe, Saale, Mulde, Helme, Bode 

(Rüdiger Erben, SPD: Wipper!)

oder auch Holtemme Sicherheit und Schutz für Leben und Eigentum.

(Zustimmung von Juliane Kleemann, SPD) 

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben unter Anspannung aller Kräfte - das ist nicht zu Unrecht auch kritisch gewürdigt worden - einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt mit einer ziemlich happigen GMA. Wir haben einen Haushalt vorgelegt,

(Olaf Meister, GRÜNE: Hört!)

der ein verfassungssicheres Sondervermögen vorsieht. Wir werden auch erleben, dass beim Haushaltsvollzug die Anspannung aller Kräfte notwendig sein wird, um in schweren Zeiten, in denen wir die eine oder andere Veränderung sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite im Verlauf des Jahres erleben werden, die Aufgaben bewältigen zu können. 

Aber es lohnt sich, sich dieser Aufgabe zu unterziehen; denn jetzt, in diesen Jahren, macht dieses Land den großen Schritt nach vorn, auf den wir viele Jahre lang hingearbeitet haben.

(Christian Hecht, AfD, lacht) 

Es bietet sich also die Chance, auf die wir viele Jahre lang gewartet haben. Da sind natürlich die 

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Nur Versprechen! - Eva von Angern, DIE LINKE, lacht) 

Umvolkungsfantasten mit ihrer Häme. Sie freuen sich ja nur, wenn es dem Land schlecht geht, 

(Zurufe von der AfD: Nein! - Uh!) 

weil es Ihnen nur dann gut geht. Wir wollen diesen großen Schritt machen, damit es dem Land besser geht. 

(Unruhe bei und Zurufe von der AfD - Zuruf von der AfD: Genau!) 

Dafür steht diese Koalition. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Haushaltsplan. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der AfD)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Schmidt, die letzten 20 Sekunden Ihrer Redezeit haben den Herrn Roi noch auf die Tagesordnung gerufen. - Das sieht aus wie eine Intervention. 

(Daniel Roi, AfD: Will ich machen!) 

- Das ist eine Intervention.


Daniel Roi (AfD):

Ja. - Ich wollte einfach einmal Danke sagen. Ich ziehe den Hut vor Ihnen, Herr Dr. Schmidt. Sie sind für mich jetzt schon eine historische Persönlichkeit, weil es für mich feststeht, dass Sie der Landesvorsitzende der SPD sind, der die SPD aus diesem Landtag herausführen wird. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei und Zurufe von der AfD - Guido Kosmehl, FDP: Das Einzige ist, dass Sie sich benehmen! - Eva von Angern, DIE LINKE: Das war es jetzt, oder? - Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Was für ein Brüller!)


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Herr Roi, wissen Sie, ich arbeite 

(Zuruf von der AfD: Gar nicht!)

für die Interessen von Leuten. 

(Zurufe von der AfD: Ei! - Lassen wir ihn doch mal!)

Ich werde an dem Tag, an dem Sie Ihre Kartons aus diesem Landtag hinaustragen, 

(Unruhe bei der AfD - Zuruf von der AfD: Das kann doch nicht wahr sein!) 

ganz sicher nicht weinen. 

(Unruhe bei der AfD - Zuruf von der AfD: Sind Sie dann an der Macht? - Nadine Koppehel, AfD: Wir werden es testen!) 

Ganz sicherlich werde ich da keine Träne vergießen. 

(Zurufe von der AfD) 

Aber für parteipolitische Spielchen, für Populismus und für die Frage, wie viel habe ich gerade in den Umfragen, die Sie ja so unendlich stark beschäftigen, dass keine Rede hier vergeht, in der Sie nicht darauf hinweisen, arbeite ich nicht. Ich arbeite für die richtigen Interessen von richtigen Menschen. Davon können Sie sich was abgucken. 

(Beifall bei der SPD - Unruhe bei der AfD)