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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Jetzt kann ich verstehen, wieso dieser Antrag vorgelegt wurde. Die AfD muss noch verkraften, dass sie eine Bürgermeisterwahl nach der anderen im Land verliert. 

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN - Oliver Kirchner, AfD: Warten Sie ab!)

Es ist behauptet worden, dass die Briefwahl vor allem von Menschen genutzt wird, die in Altersheimen und ähnlichen Einrichtungen leben. Ich glaube, wir alle wissen, dass sich die Briefwahl in der Breite der Wählerschaft zunehmend an Beliebtheit erfreut.

(Daniel Rausch, AfD: Das soll eine Ausnahme sein! - Unruhe)

Insofern zitieren Sie Dinge aus der Vergangenheit, die mitnichten die aktuelle Realität widerspiegeln.

Wenn Sie sagen, dass ältere Menschen vorwiegend die CDU wählen, dann erinnere ich mich an Helmut Kohl, der auf einer Versammlung, auf der ein Jugendlicher dazwischen rief, einfach nur sagte: Spätestens wenn Sie arbeiten, werden auch Sie CDU wählen. 

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Daniel Rausch, AfD - Unruhe)

Sie haben des Weiteren gesagt, dass Sie in den sozialen Medien überwiegend präsent seien und deswegen angeblich die Wähler, die soziale Medien besser nutzten, ansprächen. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Das habe ich nicht gesagt!)

Wenn Sie in der Begründung zu Ihrem Antrag schreiben „Partei ist gleich Partei“, dann müsste das im Umkehrschluss heißen, dass wir soziale Medien ähnlich behandeln wie Sendezeiten im öffentlichen Fernsehen. Dort werden die Sendezeiten jeweils zugeteilt. Ich glaube nicht, dass Sie in Bezug auf die sozialen Medien wollen, dass zugeteilt wird, wie viele Posts und Nachrichten einzelne Parteien absetzen können. 

(Zuruf von der AfD: So ein Blödsinn! - Unruhe)

Der letzte Punkt betrifft den von Ihnen angesprochenen Kindergarten. Hierbei kommt es darauf an, ob es sich um einen kommunalen Kindergarten handelt oder nicht. Ein kommunaler Kindergarten unterliegt natürlich der Neutralitätsverpflichtung und damit unterliegt ein kommunaler Kindergarten auch immer dem Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber politischen Parteien. 

Ich empfehle diesbezüglich einen Blick ins Gesetz; denn ein Blick ins Gesetz schützt vor Geschwätz. 

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Darin steht, dass die Pflicht zur Gleichbehandlung allein die Träger der öffentlichen Gewalt trifft. Anspruchsverpflichtet sind gerade nicht Private. Das wiederum ist Ausdruck des verfassungsrechtlich ebenfalls garantierten Schutzes des Privateigentums. 

Um ein anderes Beispiel zu nennen: Ein privater Gaststätteninhaber wird immer selbst entscheiden können und selbst entscheiden, wem er seine Räumlichkeiten überlässt und wem er die Räumlichkeiten nicht überlässt. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass er vielleicht ein einziges Mal in seinem Leben eine staatliche Förderung für eine Weiterbildungsmaßnahme seiner Mitarbeiter erhalten hat. 

(Zustimmung bei der CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Frau Ministerin. Es gibt eine Frage. - Bitte, Herr Roi. 


Daniel Roi (AfD): 

Vielen Dank. - Zunächst einmal ist eine Gaststätte nicht mit einem Pflegeheim gleichzusetzen, weil in einer Gaststätte für gewöhnlich nicht gewählt wird. In einem Pflege- oder Altenheim wird sehr wohl sehr oft gewählt, und zwar per Briefwahl. Es gibt Wahlgrundsätze, die Ihnen als Innenministerin bekannt sind. Die Problematik, die Herr Siegmund beschrieben hat, ist die, dass das Hausrecht natürlich gilt, aber wenn es in einer Stadt Einrichtungen in Größenordnungen gibt und dann ein sogenanntes Informationsmonopol entsteht, weil bestimmte Kandidaten nicht eingelassen werden, dann stellt sich die Frage, ob Sie das nicht vor dem Hintergrund der Chancengleichheit für problematisch halten. Das ist meine erste Frage. 

Meine zweite Frage bezieht sich auf weitere Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft bzw. auf kommunale Einrichtungen, nämlich auf Feuerwehren. Wie sehen Sie das, wenn ein Bewerber, der Bürgermeister gewesen ist, den Feuerwehren richtigerweise mit auf den Weg gibt, dass dies kein Ort der politischen Betätigung ist, dann aber unmittelbar vor der Wahl in jeder Ortsfeuerwehr Grillfeste mit Parteifahne und entsprechender Wahlwerbung für die Bürgermeisterwahl abhält? Halten Sie das für gerechtfertigt? Dazu würde mich Ihre Einschätzung interessieren. - Danke. 


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Wie schon gesagt, die Gleichbehandlungsverpflichtung trifft die Träger der öffentlichen Gewalt und damit den Bund, die Länder und die Kommunen, und zwar egal, ob die Kommune selbst eine Einrichtung betreibt oder ob es in privatrechtlicher Form der Fall ist. Wenn die Kommune Mehrheitsgesellschafter ist, dann muss sie diese Gleichbehandlungspflicht durchsetzen, auch in einer privatrechtlich organisierten Betriebsgesellschaft. Dies ist bundesverfassungsgerichtlich bereits festgelegt worden. 

In dem ersten Punkt, den Sie angesprochen haben, gehen Sie eher auf ein Informationsmonopol ein. Das betrifft weniger die Frage der Nutzung von Einrichtungen. Ich will es einmal anders formulieren: Mit dieser Argumentation treffen Sie jeden Privaten gleichermaßen. Das heißt, jeder Private müsste jeden in sein privates Haus lassen. Wo ist der Unterschied? 

Sie können eine Wahlkampfveranstaltung in einer Gaststätte durchführen. Sie können zu einer Wahlkampfveranstaltung in Ihren privaten Garten einladen. An dieser Stelle trifft niemanden eine Gleichbehandlungspflicht. Aber in dem Augenblick, in dem es um öffentliche Einrichtungen oder Einrichtungen, deren Eigentümer öffentliche Träger sind, geht, sind sie dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet, der auch dahin gehend ausgeübt werden kann, dass sie keiner Partei den Zugang ermöglichen. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Es gibt eine weitere Frage. 


Daniel Roi (AfD): 

Ja, vielen Dank. - Das Hausrecht gilt; das will ich nicht in Abrede stellen. Ich nähere mich der Frage von der anderen Seite. Wenn es dazu führt, dass bei Wahlen nur bestimmte Kandidaten hineingelassen werden, und zwar in der Phase, in der Briefwahlen stattfinden, dann halte ich persönlich dies für schwierig, weil das für mich keine Chancengleichheit ist. 

Das heißt, an der Stelle ist eigentlich der Gesetzgeber gefragt, wie wir uns an diese Sache herantasten, um auch noch einen anderen Wahlgrundsatz einzuhalten, nämlich sicherzustellen, dass jeder Bewohner seine Entscheidung selbst trifft. Auch das ist ein Wahlgrundsatz.

Ein letzter Punkt, weil Sie die kommunale Kita angesprochen haben. Bei den privaten Kitas ist aus meiner Sicht auch ein Neutralitätsgebot gegeben; denn ich möchte keine parteipolitische Propaganda in Kitas haben.

Im Übrigen - das gebe ich Ihnen zuletzt mit auf den Weg, wenn der Präsident mich lässt  : Der Stadtrat von Bitterfeld-Wolfen hat dem Stadtverband der CDU in Bitterfeld-Wolfen seine Missbilligung ausgesprochen, weil er zu Weihnachten im letzten Jahr Kekse mit CDU-Logo in sämtlichen Kitas verteilt hat. Genau das ist es, was wir nicht wollen. Parteipropaganda hat weder in Kitas noch vor Wahlen in Pflegeheimen etwas zu suchen.

(Beifall bei der AfD)


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Wie gesagt, das ist immer die Entscheidung des Trägers, das ist immer die Entscheidung des Eigentümers. Wenn eine normale Kita sagt - ob man es jetzt gut findet oder nicht  , wir wollen hier frühzeitig - es kann auch sein, dass es eine Veranstaltung für die Eltern ist - auch über politische Themen diskutieren, dann ist nur entscheidend, dass sie das neutral tun und allen Parteien den Zugang ermöglichen. 

In dem Augenblick, in dem es ein privater Träger ist, kann er sich völlig anders entscheiden und kann sagen, ich lasse niemanden rein. Insofern: Sie müssen schon streng trennen zwischen öffentlichem oder privatem Träger.

Um bei dem Beispiel der Briefwahl zu bleiben: Nur weil ich zu Hause bei mir Briefwahl mache, muss ich noch nicht alle Parteien bei mir hereinlassen, weil ich weiterhin sozusagen Privateigentümer bin, Hausrecht habe. Das gilt natürlich auch dann, wenn ich eine Einrichtung betreibe und hundertprozentiger Eigentümer bin. Dann kann ich darüber entscheiden, wer bei mir hereinkommt oder nicht.