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Plenarsitzung

Transkript

Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Herzlichen Dank. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der demografische Wandel wird die Pflege in den kommenden Jahren vor weiter wachsende Herausforderungen stellen. Nicht nur, dass immer mehr Menschen auf Pflege angewiesen sind, auch viele Pflegekräfte werden in naher Zukunft in den Ruhestand gehen. Aber nicht alle alten Menschen benötigen Pflege oder Betreuung in einer stationären Einrichtung. Viele von ihnen wollen weiter selbstständig in ihrer eigenen Häuslichkeit leben und aktiv sein. Diese Menschen dürfen wir bei der Diskussion des vorliegenden Antrages nicht vergessen.

Darüber, dass die Kosten in der Pflege steigen, und zwar erheblich, sind wir uns alle einig. Dies zeigt sich insbesondere am steigenden Eigenanteil für die Pflege in Pflegeheimen. Diese Steigerung ergibt sich zu großen Teilen aus der 2022 eingeführten Tariftreuepflicht, aus der 2020 eingeführten Ausbildungsumlage nach dem Pflegeberufegesetz - dabei handelt es sich um zwei notwendige Maßnahmen zur Fachkräftesicherung  , aber auch aus den inflationsbedingten Kostenerhöhungen und dem gestiegenen Investitionsbedarf in den Pflegeeinrichtungen.

Meine Damen und Herren! Für den Fall, dass die Kosten in der stationären Pflegeeinrichtung nicht mehr eigenständig finanziert werden können, haben die Pflegebedürftigen die Möglichkeit, Hilfe zur Pflege zu beantragen. Die Zahl derjenigen, die seit 2021 Hilfe zur Pflege in vollstationären Einrichtungen erhalten, bewegt sich in Wellenform. So ist die Anzahl der Leistungsberechtigten in unserem Land mit vollstationärer Hilfe zur Pflege von 2021 zu 2022 von 8 044 auf 6 931 gesunken und im Jahr 2023 wieder auf 7 889 gestiegen.

Diese Entwicklung ist zunächst auf die 2022 eingeführten einkommensunabhängigen Leistungszuschläge nach § 43c SGB XI zurückzuführen. Zum 1. Januar 2024 steigen diese nochmals, sodass aktuell zu vermuten ist, dass mit dieser Regelung die Zahl derjenigen, die sich die Pflege nicht mehr aus eigenem Einkommen leisten können, zumindest nicht zu stark ansteigen wird. Längerfristig wird die Erhöhung der Leistungszuschläge von weiteren zukünftigen Kostensteigerungen aufgezehrt, sodass dies keine dauerhafte Lösung darstellen kann; das weiß der Bund auch. 

In der Diskussion über Lösungsmöglichkeiten möchte ich auf zwei Punkte eingehen. Einerseits wäre es kurzfristig hilfreich und ein Signal, wenn die Ausbildungsumlage nach dem Pflegeberufegesetz aus den Eigenanteilen herausgelöst werden würde, wie es die Länder bereits mehrfach vom Bund gefordert haben. 

Andererseits erscheint die Einführung eines Landespflegegeldes auf den ersten Blick als eine gute Idee. Auf den zweiten Blick hin möchte ich an dieser Stelle meine Bedenken äußern und sie Ihnen auch gern darlegen. 

Nehmen wir an, dass wir ein Landespflegegeld in Höhe von 1 000 € pro Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2 einführen würden - so wird es in Bayern praktiziert  ,

(Nicole Anger, DIE LINKE: Pro Jahr!)

dann müssten wir ca. 140 000 Pflegebedürftige unterstützen. Das wären im Jahr Aufwendungen in Höhe von rund 140 Millionen €.

Bei einer einkommensabhängigen Förderung würden wir von den Pflegebedürftigen ausgehen, die Hilfe zur Pflege in stationären Einrichtungen erhalten, und müssten dafür zwischen 6 Millionen € und 7 Millionen € jährlich aufwenden. Hinzu käme der große bürokratische und administrative Aufwand. 

Auf den Monat umgerechnet, kann man daher von einem Betrag in Höhe von etwas mehr als 80 € ausgehen, den die Pflegebedürftigen zur Finanzierung ihres Eigenanteils nutzen könnten. Aber diesen konnten wir bereits fast zu zwei Drittel durch die oben beschriebene Herauslösung der Ausbildungsumlage ohne großen zusätzlichen Verwaltungsaufwand erreichen; eigentlich würde dieser sogar noch reduziert.

Ein weiter Punkt darf nicht unerwähnt bleiben. Bei der genannten Berechnung sind die Pflegebedürftigen nicht einbezogen worden, die zu Hause leben und ambulant versorgt werden. Diese Menschen würden keine zusätzliche Unterstützung erhalten. Auch unter ihnen gibt es Menschen, die finanzielle Unterstützung benötigten. Die meisten von ihnen scheuen sich davor - das ist eines der größten Probleme  , Hilfe zur Pflege in Anspruch zu nehmen, und versuchen eher mit ihren Alterseinkünften und dem Pflegegeld auszukommen. Wenn das nicht auskömmlich ist, dann verzichtet man auf Tagespflege und auf notwendige ambulante Dienste, um es auszugleichen.

Was wir machen müssen - das habe ich die ganze Zeit über bereits gesagt  : Wir müssen uns auf der Bundesebene dafür einsetzen, dass der Eigenanteil gesenkt wird. Ich werde mich aber auch immer - das habe ich bereits gesagt - für eine zukünftige Finanzierung der Pflegeversicherung engagieren, in der alle Pflegesettings berücksichtigt werden und die eine qualitativ hochwertige personenzentrierte Pflege ermöglicht.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nach dem, was der Bundesgesundheitsminister ausgeführt hat, möchte man das auch angehen. 

Gestern haben viele von Ihnen am parlamentarischen Abend beim DRK teilgenommen. Dort ist ja auch über die Begrenzung der Eigenanteile gesprochen worden. Ich kann zum Stichwort Sockel-Spitze-Tausch nur sagen: Das ist zwischen den einzelnen Bundesländern hoch umstritten. 

Es zeichnet sich im Augenblick noch nicht ab, ob man darüber eine Einigung erzielen kann. Möglicherweise wird es eher so sein, wie im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, nämlich dass es einen festen Betrag in der Pflegeversicherung gibt und dass man sagt   es ist ja nicht Teilkasko, aber Vollkasko  : Bei einer bestimmten Summe ist Schluss und alles andere muss staatlich finanziert werden. Das liegt auf dem Tisch. Das muss schnellstmöglich gelöst werden. Es ist auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz im Dezember auch wieder auf der Tagesordnung. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Danke. - Warten Sie einmal, Frau Grimm-Benne. Frau Hohmann hat eine Frage. - Dann kann Frau Hohmann ihre Frage stellen. Frau Hohmann, Sie können der Ministerin immer eine Frage stellen. Das ist in Ordnung.


Monika Hohmann (DIE LINKE):

Recht schönen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, ich habe nur eine Frage. Sie sprachen davon, dass das Land Leistungen in Höhe von 7 Millionen € aufbringen müsste, um an dieser Stelle Unterstützung zu geben. Wir wissen, dass in den letzten Jahren der Anteil der Pflegebedürftigen, die Anträge beim Sozialamt stellen müssen, sehr stark gestiegen ist, weil sie es nicht mehr finanzieren können. 

Meine Frage ist: Haben Sie eine Vorstellung davon, in welcher Größenordnung sich die Aufwendungen bewegen, welche die Kommune bzw. das Land dafür praktisch aufbringen müssen?


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Sie müssten in den Haushaltsplanentwurf für das Haushaltsjahr 2024 schauen. Darin haben wir aufgelistet, wie viele Menschen Hilfe zur Pflege in Anspruch nehmen müssen.

Der Bund hat das für die Jahre 2023 und 2024 - das habe ich Ihnen bereits vorhin im Schnellgalopp nähergebracht - zu dämpfen versucht, damit nicht so viele in den Bereich Hilfe zur Pflege geraten. Das sind die Zahlen, die ich Ihnen vorhin genannt habe.

Aber das große Problem ist im Augenblick, dass die Menschen darauf reagieren. Sie werden zu einem immer späteren Zeitpunkt in ein Altenpflegeheim wechseln, also erst dann, wenn es zu Hause überhaupt nicht mehr möglich ist. Wir bemerken, dass im ambulanten Pflegebereich die Menschen das, was sie an notwendiger Pflege zu Hause benötigen, im Grunde genommen wegsparen; indem Opa und Oma eben nur drei Tage in die Tagespflege geschickt werden, obwohl sie eigentlich fünf Tage benötigen würden, oder aber andere Leistungen weggespart werden.

Es wird so lange gewartet, bis sie hochbetagt und in einem Zustand sind, in dem es ganz schwierig wird, und sie eine sehr komplexe Pflegeleistung benötigen. Dann setzt man den Antrag auf, dann sagt man: Jetzt ist es egal, dann nehmen wir auch die Hilfe zur Pflege in Anspruch.