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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 26

Aktuelle Debatte

Wettbewerbsfähige Strompreise sichern - Industriestrompreis einführen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/3224


Herr Meister, bitte.


Olaf Meister (GRÜNE): 

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Frage, ob wir einen Industriestrompreis fordern sollten, wird bei uns schon seit geraumer Zeit eifrig diskutiert. Er hat so seine Tücken und Probleme, aber eben auch Chancen.

Die Positionierung in den anderen Fraktionen, auch die Koalition, war bisher, zumindest was ich so gehört habe, uneinheitlich. Wir erhoffen uns von der Debatte durchaus eine Klärung der verschiedenen Positionen, vielleicht auch mit der Aussicht darauf, eine deutlichere Positionierung des Landes in der laufenden bundespolitischen Diskussion zum Industriestrompreis zu ermöglichen.

Zunächst einmal zur Ausgangslage: Das bundesdeutsche Wirtschaftsmodell der letzten Jahre, ja Jahrzehnte, beruhte auf der Idee, dass wir mit billigem, zuverlässig fließendem russischem Gas schlaue Dinge herstellen und diese dann international vor allem in China verkauften. Wir wissen, dass das Modell in letzter Zeit nicht so lief.

Unser Hauptenergielieferant fiel komplett aus und musste innerhalb kürzester Zeit ersetzt werden. Es ist jetzt müßig, diese bewusste Eingehung einer einseitigen Abhängigkeit nachträglich zu geißeln. Sie kennen die Debatten, wir haben sie oft hier geführt. Wir müssen für die Zukunft daraus lernen.

Die Umstellung des Energielieferanten klappte in ungeahnter Rekordzeit. Die Preise - wir hatten beim Strom schon vorher ein höheres Niveau, die Rücknahme der EEG-Umlage erfolgte erst unter der Ampel - stiegen aber noch deutlich an. Insbesondere die energieintensive, im internationalen Wettbewerb stehende Grundstoffindustrie hat ein ernstes Problem.

Schon Ende 2022 - unsere Fraktion war damals zu Gast in Leuna. also im Chemiedreieck - schilderten die dort Verantwortlichen deutlich die Problemlage, was es heißt, wenn auch nur ein einzelnes Unternehmen in der Kette der Chemiebetriebe ausfällt, weil es aus irgendwelchen Gründen das wirtschaftlich nicht mehr darstellen kann, was das für den gesamten Standort heißen kann, je nachdem, an welcher Stelle der Kette das passiert.

Zwar sind die Preise wieder weg von diesen Höchstständen, die Lage ist aber weiter angespannt. Rettung ist durchaus in Sicht. Die Gestehungskosten der erneuerbaren Energien schlagen fossile Kraftwerke und gar Atom deutlich aus dem Feld. Der zeitweise unter der CDU-Regierung im Bund faktisch zum Erliegen gekommene Ausbau der Erneuerbaren, die günstig sind, die unabhängigen Strom erzeugen und auch klimaneutral sind, hat wieder Fahrt aufgenommen.

Davon haben nur die energieintensiven Unternehmen erst einmal nichts oder nur wenig. Es droht die Situation, dass wir mit dem aufwendigen Umbau unseres Energienetzes für diesen Teil der Industrie zu spät kommen und die aktuelle Preissituation in dieser Branche negative Konsequenzen hat, die später nicht oder nur sehr schwer zurückzudrehen sind.

Es gibt unter Wirtschaftswissenschaftlern durchaus Stimmen, die sagen, man solle das passieren lassen; das würde sich dann irgendwie neu einsortieren. - Ja, das würde es sicherlich. Ich würde diese Industrie aber industriepolitisch gern an unserem Standort halten. Gerade in Sachsen-Anhalt ist sie prägend für unsere Wirtschaftsstruktur. Gerade für den Süden unseres Landes mit dem Chemiedreieck stellt sie den industriellen Kern dar. Ein Verlust wäre tatsächlich dramatisch.

Wie kann das gehen? - Wir müssten für den Übergangszeitraum - im Bund wird von sechs Jahren bis 2030 gesprochen - für die entsprechende Branche einen eigenen günstigen Stromtarif anbieten und bereitstellen. Die Ausgestaltung ist natürlich entschieden komplexer. So wäre die Wettbewerbsfähigkeit zunächst gesichert und Zeit gewonnen.

Es gibt aber einige Tücken. Vor allem stellt ein solches Vorgehen einen sehr starken Markteingriff dar. Wir subventionieren damit ein ganz zentrales Produktionsmittel. Das darf nicht zu einer dauerhaften Subventionierung werden.

Es ist nicht die Aufgabe der Allgemeinheit, bestimmten Unternehmen die Energie zu finanzieren. Insofern kann ich ein gewisses Unwohlsein in Teilen der politischen Landschaft verstehen. Ich meine aber, Hilfestellung beim Strukturwandel, also hier der Energieversorgung, kann tatsächlich ein legitimes Ziel von Förderung und Subventionierung sein, das ist es in anderen Bereichen auch.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Insofern kann man diesen Weg gehen, meine ich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein weiteres Problem: Durch so eine Festschreibung wird künstlich der Anreiz zum Sparen und eigenverantwortlicher Reduzierung der Energieausgaben gesenkt. Wir hatten als Fraktion letztens ein Gespräch mit einem größeren Magdeburger Energieversorger, der erneuerbare Anlagen aufbaut und verpachtet und der sehr davor warnte, tatsächlich diesen Weg zu gehen, weil er in Sorge ist, dass sein Geschäftsmodell damit beeinträchtigt wird.

So etwas wollen wir nicht. Das wäre kontraproduktiv.

Die Ausgestaltung des Industriestrompreises müsste das berücksichtigen. Dazu wird im Bund darüber diskutiert, nur 80 % zu übernehmen, sodass man ein Interesse im Unternehmen behält, darauf Rücksicht zu nehmen, Verpflichtungen in der Frage der Umstellung zu machen.

Ebenfalls ist schwierig ist die Frage, wer erhält den Preis und wer hält ihn nicht. Es darf nicht zu internen Wettbewerbsverzerrungen kommen. Die Abgrenzung muss geklärt werden und sie wird nicht konfliktfrei sein.

Selbstverständlich sind auch die beihilferechtlichen Fragen mit der EU zu klären. Das ist eine eigene Aufgabe. Und wir müssen uns über die Finanzierung klar sein. Das wird - so wird es im Bund eingeschätzt - 25 bis 30 Milliarden € kosten, die aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Verfügung gestellt werden müssten, also 25 bis 30 Milliarden € für die gesamte Laufzeit. Man sieht, der Industriestrompreis ist nicht gerade eine leichte Aufgabe.

Gibt es andere Möglichkeiten? In einer Sitzung unseres Wirtschaftsausschusses hatten sich jüngst CDU und FDP recht deutlich gegen die Aufnahme eines Industriestrompreises in eine Beschlussempfehlung ausgesprochen und hatten stattdessen eine Senkung der Stromsteuer gefordert. Die Kollegen werden sich erinnern.

Dabei sind zwei Dinge zu bedenken: Es macht zum einen lediglich einen Wert von 2 Cent aus. Gerade war die Ansage: 2 Cent ist auch wichtig. - Okay. Zum anderen sind aber energieintensive Unternehmen davon praktisch im Moment befreit. Also, für die hier eigentlich bedrohte Branche ist das kein sinnvoller Vorschlag. Der bringt uns nicht weiter.

So beliebt wie unsinnig - das möchte ich zumindest erwähnen - ist auch der Vorschlag, die letzten drei Atommeiler wieder ans Netz zu bringen. Ich will jetzt die Atomdiskussion nicht wieder führen, wage aber den Hinweis, dass nach deren Abschaltung der Strompreis sank und nicht stieg.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf: Na klar! Logisch!)

- Es war so.

(Zuruf: Ja ja!)

Man kann darunter einen Strich ziehen. Ich sehe letztendlich, wenn wir das Ziel erreichen wollen, die Industrie, die einen hohen Energiebedarf hat und die jetzt in Deutschland ist und die wir erhalten wollen, keinen anderen Weg, als diesen in Teilen tatsächlich schwierigen Weg zu gehen und jetzt diese Schritte zu machen. Wir sollten uns auf den Weg machen. Die Debatte hier soll das erstmal anstoßen und aufzeigen, wie die lieben Kolleginnen und Kollegen in der Sache gesonnen sind. - Danke schön.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke schön. - Ich sehe keine Wortmeldung, aber eine Intervention. Die habe ich bloß zwischenzeitlich auf dem Sitz geparkt. Alles gut.


Jan Scharfenort (AfD): 

Herr Meister, ich werde nicht aufhören, Ihnen noch mal das Prinzip der Gestehungskosten zu erklären; das Wort nennen Sie ja immer wieder. Das finden Sie weder in der Betriebswirtschaftslehre noch in der Volkswirtschaftslehre. Das zeichnet schon einmal den ökonomischen Laien aus.

Was Sie vielleicht meinen, sind die Anschaffungskosten; das könnte sein. Vielleicht meinen Sie die betriebswirtschaftlichen Kosten. Dazu gibt es verschiedene Berechnungen. In der Tat kann es je nach Berechnung zu dem Ergebnis kommen, dass die eine oder andere sogenannte erneuerbare Energie tatsächlich günstiger ist. Das ist aber nicht entscheidend. Das habe ich hier immer wieder und auch an anderer Stelle schon gesagt.

Entscheidend sind die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten oder auch die Vollkosten. Da schneiden die Erneuerbaren eben sehr schlecht ab. Warum ist das so? - Weil Sie eine komplette Doppelstruktur in der Energieversorgung brauchen. Das merken Sie auch ganz aktuell wieder, weil der Anteil der Erneuerbaren steigt, brauchen wir diese ganzen Back-up-Kraftwerke.

Jetzt setzen wir, weil es nicht anders geht, auf das Hochfahren von Kohlekraftwerken. In Zukunft wollen wir es dann vermehrt durch Gaskraftwerke leisten, woher auch immer die 30 bis 50 Gaskraftwerke in wenigen Jahren kommen sollen; darauf bin ich sehr gespannt. Wir brauchen das teure Frackinggas usw. usf. Also, das ist eine Mär, die kann man relativ einfach widerlegen. Wir haben also das Märchen von den Gestehungskosten.

Wenn denn die Erneuerbaren so erfolgreich wären, bräuchte man sie nicht subventionieren, dann würden sie sich am Markt allein durchsetzen. Dann hätten wir auch nicht die teuersten Stromkosten innerhalb Europas und in der Welt; denn - Sie können es jetzt wieder auf den Ukrainekrieg schieben - dann hätten die anderen europäischen Länder nicht das gleiche Problem wie wir, die immer auf einen anderen Energiemix setzen. - Nur so viel dazu.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke.


Olaf Meister (GRÜNE): 

Ja, die Gestehungskosten werden es in den energiepolitischen Diskussionen gern für die Kosten eingesetzt, die die Erzeugung verursacht. Dazu kommt tatsächlich - da haben Sie recht, dazu haben wir uns in der Vergangenheit hier auch schon ausgetauscht  , die Frage, welche Kosten ich darüber hinaus habe. Also, Energie muss man übertragen, muss man speichern. So etwas verursacht weitere Kosten, die hinzukommen.

Die Frage ist: Setzen die sich durch? - Ja, die werden sich durchsetzen. Das wird tatsächlich passieren, weil sie die anderen auf Dauer aus dem Markt drängen. Das glauben Sie immer nicht. Aber wenn Sie sehen, wenn wir Neuansiedlungen haben und die mit der Sache um die Ecke kommen und fragen: Wie ist denn das bei Ihnen mit den erneuerbaren Energien? Wie viel sind denn da? Die legen darauf Wert. Es kommt tatsächlich von wirtschaftlicher Seite.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich mache schon regelmäßig Unternehmensbesuche, wo wir auch fragen: Wie ist denn das für Sie mit Energiegeschichten? Ich erhalte dann oft die Reaktion, dass sie sagen, was sie selbst bauen, um tatsächlich unabhängig zu werden. Die sagen, dass sie da mit guten Kosten dabei sind. Insofern bin ich da ganz optimistisch.

(Beifall bei den GRÜNEN)