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Plenarsitzung

Transkript

Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich male mir die Welt, wie sie mir gefällt. Das scheint der Hintergrund gewesen zu sein, mit dem die sogenannte Vorgriffsstunde eingeführt wurde; denn die mittels Zwang angeordnete Mehrarbeit von einer Stunde

(Zurufe von der CDU: Oh, nee!)

für alle Lehrkräfte schafft zwar auf dem Papier mehr Arbeitsvolumen. Aber was nützt es in der Schule, wenn die Mathematik-Lehrerin zwar auf dem Papier eine Stunde mehr unterrichtet, die Kinder aber dann trotzdem keinen Mathematik-Unterricht haben, weil die Lehrkraft krank ist? 

(Oliver Kirchner, AfD, lacht)

Und was bringt es, wenn die Deutsch-Lehrerin mehr arbeitet, 

(Unruhe) 

aber es für Chemie halt immer noch keine Lehrkraft gibt? Letztlich ist der einzige Erfolg an dieser Stelle ein statistischer - ganz egal, dass es an der Realität im Schulalltag, also an dem drückenden Lehrkräftemangel, kaum etwas ändert. Und das erlebe ich auch als Mutter in diesem Schuljahr genauso wie im letzten.

Frau Feußner, Sie haben sich mit der Einführung der Mehrarbeit für Lehrkräfte an der Stelle wirklich die Welt so gemalt, wie Sie Ihnen gefällt. Rund 1 000 Lehrkräfte fehlen derzeit in Sachsen-Anhalt. Die Unterrichtsausfälle insbesondere an Sekundar- und Grundschulen sind in Sachsen-Anhalt weiterhin erschreckend hoch. 

Und nun wird Lehrkräften, die sich gegen die verordnete Extrastunde wehren, gekündigt. Wir haben sie heute früh alle - zumindest trifft das auf diejenigen zu, die den Mut hatten, sich mit ihr zu unterhalten - gesehen. Ich meine die Lehrkraft aus der Altmark, der gekündigt worden ist, weil sie nicht mehr konnte, weil der Schultag belastend ist und weil sie eben diese eine Extrastunde nicht leisten konnte und wollte.

Wie können wir es uns bei dem eklatanten Lehrkräftemangel in unserem Bundesland leisten, auch nur auf eine einzige ausgebildete Lehrkraft, die bei uns arbeitet und arbeiten möchte, verzichten? Das will mir nicht in den Kopf gehen. Wie kann das eine sinnvolle Maßnahme gegen den Lehrkräftemangel sein?

Und wenn Sie schon unbedingt die Mehrarbeit für Lehrkräfte einführen mussten: Warum haben Sie die Finanzierung der Vorgriffsstunde für diejenigen, die sich die auszahlen lassen wollen, nicht davor geklärt? Warum müssen Lehrkräfte jetzt für die Entlohnung der Extrastunde vor Gericht ziehen? Es kann doch nicht sein, dass Sie die Lehrkräfte zu Mehrarbeit verpflichten und dann bekommen Sie es nicht einmal ordentlich und pünktlich bezahlt. Das würde in keinem Unternehmen in Sachsen-Anhalt funktionieren.

(Sven Rosomkiewicz, CDU: Das ist doch alles in Arbeit; nun hören Sie auf!) 

Unter diesen Voraussetzungen braucht sich niemand darüber zu wundern, dass der Lehrberuf in Sachsen-Anhalt nicht mehr besonders attraktiv für junge Menschen ist.

(Sven Rosomkiewicz, CDU: Leute, nee!) 

Wenn ich mir die Welt so malen könnte, wie sie mir gefällt, 

(Zurufe von der CDU) 

dann würde ich eine Welt malen, in der der Lehrberuf in unserer Gesellschaft wieder wertgeschätzt wird, in der Lehrkräfte gern an den Schulen in Sachsen-Anhalt arbeiten,

(Sven Rosomkiewicz, CDU: Warum setzen Sie sich nicht hin und malen!) 

in der die Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte so gestaltet sind, dass sie sich auf das konzentrieren können, für das sie ausgebildet wurden, nämlich für das Unterrichten.

Wir Bündnisgrünen kämpfen dafür, dass die Schule als Arbeitsort besser organisiert und damit attraktiver wird; denn nur so kann die Schule auch als Lernort funktionieren und bestmöglich unsere Schülerinnen bilden und auf die Zukunft vorbereiten. Und das soll das Ziel sein. 

Die Vorgriffsstunde muss abgeschafft werden. Die Entlassung muss zurückgenommen werden. Deswegen stimmen wir dem Antrag zu. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Feußner - das war gerade so mit dem letzten Satz - möchte eine Frage stellen. - Frau Sziborra-Seidlitz lässt sie zu. 


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Gern. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Frau Feußner, bitte. 

(Zuruf von der AfD: Oh, Leute!)


Eva Feußner (CDU): 

Frau Sziborra-Seidlitz, vielleicht haben Sie es den Medien schon entnehmen können. Es gibt eine neue IQB-Studie zum 9. Schuljahrgang in den Fächern Englisch und Deutsch. Diese ist für das Fach Englisch sehr gut, für das Fach Deutsch für die ganze Bundesrepublik nicht ganz so gut. Also wir als Land Sachsen-Anhalt schneiden einigermaßen gut ab. Aber das ist nicht meine Frage. 

Meine Frage geht dahin: Es sind auch die Lehrkräfte befragt worden, auch im Land Sachsen-Anhalt. Im Land Sachsen-Anhalt waren an dieser Studie 91 Schulen beteiligt. Dort sind die Lehrkräfte gefragt worden zur Zufriedenheit, also wie gern sie ihren Beruf ausüben usw. Ist Ihnen bekannt, dass dort die Lehrkräfte einhellig geantwortet haben, dass sie sehr zufrieden sind, dass sie gern in die Schule gehen und dass sie auch ihren Beruf gern ausüben. Ist Ihnen das bekannt?


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Ich habe die Studie tatsächlich noch nicht gelesen. Ich glaube Ihnen das aber, wenn Sie das sagen. Das ist eine gute Nachricht, weil wir natürlich die Lehrkräfte brauchen, die motiviert zur Schule gehen und die gern zur Schule gehen. Aber ich erlebe eben auch Lehrkräfte, die mir und anderen Abgeordneten - sie schreiben bei Weitem nicht nur den Abgeordneten der Opposition - Briefe schreiben, weil sie angesichts dieses Umgangs und angesichts dieser Vorgriffsstunde frustriert sind.


Eva Feußner (CDU): 

Darf ich noch eine Intervention machen? - Wenn wir natürlich jeden Tag davon reden, wie frustriert die Lehrkräfte sind, dann motiviert man Lehrkräfte auch nicht.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Also für mich persönlich kann ich sagen - ich bin keine Gewerkschaftsfunktionärin oder Ähnliches gewesen  , ich habe begonnen, darüber zu reden, nachdem mich Lehrkräfte angesprochen und mir geschrieben haben. Nicht davor!

(Eva Feußner, CDU: Ja, Einzelfälle gibt es immer!)