Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 4

Aktuelle Debatte

Schulsozialarbeit in Gefahr - Ein echtes Landesprogramm jetzt umsetzen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/3065


In der Aktuellen Debatte beträgt die Redezeit zehn Minuten pro Fraktion. Folgende Reihenfolge ist vorgesehen: GRÜNE SPD, AfD; FDP, DIE LINKE, CDU. Antragsteller ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Frau Sziborra-Seidlitz, Sie haben das Wort.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele Schulen, die ich in den letzten Monaten besucht habe, haben eine Schulsozialarbeiterin oder einen Schulsozialarbeiter. Sie gestalten dort das Schulklima, unterstützen bei kleinen Nöten oder große Probleme, sind ansprechbar für Schülerinnen, Lehrerinnen und Eltern. Sie sichern den Schulerfolg im besten, nämlich in jedem Sinne.

Das ist ein Erfolg für die Schülerinnen und ein Erfolg für die Schulen. Das merke ich besonders an den Schulen, die eben keine Schulsozialarbeiterin haben, weil sie an ihrer Schule nicht vorgesehen ist oder die Stelle gerade unbesetzt ist; auch das ist keine Seltenheit mehr. Man wünscht sich vieles, aber eben unbedingt auch Schulsozialarbeit. An den Schulen, an denen es Schulsozialarbeit gibt, fürchtet man, die Sozialarbeiterinnen zu verlieren.

Denn die Sozialarbeit ist in Sachsen-Anhalt in Gefahr. Das ist in unserem Bundesland leider nichts Neues. Alle Jahre wieder stehen wir hier und führen immer wieder dieselbe Debatte. Kern dieser Debatte ist die Frage, ob wir uns in Sachsen-Anhalt bedarfsgerechte Schulsozialarbeit leisten wollen und können oder nicht.

Die Antwort der CDU in unserem Bundesland lautet: Nur so viel Schulsozialarbeit, wie es sein muss, aber definitiv nicht so viel, wie eigentlich notwendig wäre, und nicht soviel, wie unsere Schülerinnen eigentlich bräuchten.

Eigentlich fühlt sich die Bildungsministerin nicht so richtig zuständig. Anders lässt sich das bildhaft gesprochene Schulterzucken, Frau Feußner, nicht erklären, mit dem Sie auf die Tatsache reagierten, dass einige Kommunen in unserem Land mit Blick auf die nächste Förderperiode - ich will daran erinnern, dass die Antragsfrist Ende dieses Monats endet - erklären, dass sie sich den vorgesehenen Eigenanteil von 20 % für die weitere Förderung der Schulsozialarbeit nicht werden leisten können. Das bedeutet dann das Ende von Schulsozialarbeit z. B. in Stendal.

(Zuruf von Ministerin Eva Feußner)

Es ist ein Skandal, wie gleichgültig das Thema der zuständigen Ministerin zu sein scheint. Frau Feußner, als man Sie im Bildungsausschuss darauf ansprach, dass sich einige Kommunen den 20-prozentigen Finanzierungsanteil für Schulsozialarbeit nicht werden leisten können, haben Sie erwidert, dass die Kommunen die Schulsozialarbeit von den Mitteln zahlen können, die sie für die offene Jugendhilfe erhalten.

Einmal davon abgesehen, dass Sie offenbar dem weitverbreiteten Irrglauben unterliegen, Jugendarbeit wäre eine freiwillige und damit im Zweifelsfall obsolete Aufgabe, sollen sich also betroffene Kommunen in Ihren Augen genau entscheiden, ob sie z. B. einen Jugendclub schließen, um die Schulsozialarbeit zu finanzieren, oder es eben nicht tun und keine Schulsozialarbeit anbieten.

(Zuruf von Matthias Redlich, CDU)

Frau Feußner, halten Sie das für eine akzeptable Lösung? Das kann man sich kaum ausmalen. Wie egal können einem denn die Bedürfnisse von jungen Menschen in unserem Bundesland eigentlich sein?

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Matthias Redlich, CDU)

Im Koalitionsvertrag haben die Koalitionsfraktion versprochen, sich für eine Verstetigung der Schulsozialarbeit einzusetzen. Es wurde oft davon gesprochen, den Status quo in Sachsen-Anhalt zu erhalten. Ja, Frau Feußner, auch Ihre CDU-Fraktion hat diesen Koalitionsvertrag unterschrieben: Verstetigung der Schulsozialarbeit.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP - Zuruf von Matthias Redlich, CDU)

Mittlerweile können wir, wenn wir z. B. den Blick nach Stendal richten, sagen, dass das eine Worthülse war.

Schulsozialarbeit ist für unsere Schullandschaft von immenser Bedeutung und eine schulgesetzlich verankerte Landesaufgabe. Sie ist eine wichtige Maßnahme gegen hohe Schulabbruchquoten und Teil der Lösung des Lehrkräftemangels. Denn Schulsozialarbeiterinnen unterstützen die Schülerinnen bei der Bewältigung von Schul- und Lebensproblemen und sind wichtige Ansprechpartnerinnen für die Eltern. Gleichzeitig entlasten sie auch Lehrkräfte von unterrichtsfernen Aufgaben.

Nicht zuletzt hat die Coronapandemie uns allen vor Augen geführt, wie wichtig die Sozialarbeit für unsere Schulen ist. Die Pandemieerfahrungen haben die seelische Stabilität vieler Kinder und Jugendlicher negativ beeinflusst. Ihre Sorgen und Ängste können sie bei Schulsozialarbeiterinnen in einem vertraulichen Umfeld ansprechen.

Gleichzeitig haben viele Schulsozialarbeiterinnen auch den Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen aufrechterhalten, die nicht die technische Ausstattung hatten, um am digitalen Unterricht, wenn er denn stattfand, teilzunehmen. Sie haben auch den Kontakt zu denen aufrechterhalten, bei denen die Kommunikation mit der Schule aus irgendwelchen anderen Gründen abgebrochen ist.

Wir Bündnisgrüne sind den Schulsozialarbeiterinnen für ihr Engagement in unseren Schulen unendlich dankbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nicht erst seit der Pandemie leisten sie Großartiges für unsere Schülerinnen und damit für die Zukunft unseres Landes. Deswegen muss jede einzelne Stelle in der Schulsozialarbeit erhalten bleiben. Gleichzeitig müssen wir als Politik dafür sorgen, dass es mehr Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt gibt und nicht weniger, und zwar mindestens eine Stelle an jeder Schule.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Und nicht nur für die Schulen und ist die aktuelle unsichere Situation eine missliche Lage; denn die verließen sich darauf, eben eine Schulsozialarbeiterin zu haben und sie dann auch behalten zu können. Auch für die Schulsozialarbeiterinnen selbst ist die Situation äußerst schwierig. Sie müssen eh in jedem Jahr damit rechnen, ihre Anstellung zu verlieren und sich neue Jobs zu suchen. Und viele von ihnen tun das inzwischen auch. Das führt zu der Situation, die ich gerade beschrieben habe mit den unbesetzten Stellen.

Es mag eine Binse sein; aber und zu muss man das dann offenbar doch aussprechen: Hinter jeder Schulsozialarbeiterstelle steckt auch eine Existenz, und zwar die Existenz einer qualifizierten Fachkraft in Zeiten des Fachkräftemangels. Sie alle haben in schwierigen Bedingungen einen guten und hoch relevanten Job gemacht und werden nun von der Landesregierung mit Ignoranz bestraft.

Und was sollen denn die Kommunen machen, die sich den Eigenanteil in Höhe von 20 % bei der Finanzierung tatsächlich einfach nicht leisten können? Auf die Frage, wie die hoch verschuldeten Kommunen in unserem Land - ich sage nicht, dass das alle sind, aber es gibt diese Kommunen - diese Kosten tragen sollen, konnte uns Bildungsministerin Frau Feußner bis heute keine Antwort geben. Und es war ihr scheinbar egal.

Sozialarbeit ist Beziehungsarbeit. Und insbesondere die Schulsozialarbeit lebt von Vertrauen und von Verlässlichkeit. Das haben Sie, Frau Bildungsministerin, mit Ihrer desinteressierten Haltung in Bezug auf die kommunale Beteiligung in der neuen Förderperiode einmal mehr zerstört.

(Oh! bei der CDU)

Wir GRÜNEN wollen verhindern, dass Schulsozialarbeit abgebaut wird. Die Schulsozialarbeit ist Prävention. Alles, was hier investiert wird, spart das Land bei den Folgekosten wegen fehlender Schulabschlüsse, Schulabstinenz, Mobbingopfern, überlasteter Lehrerinnen, überforderter Eltern und so viel mehr. Die Schulsozialarbeit ist Prävention. Wir sagen deshalb deutlich: Sachsen-Anhalt braucht ein Landesprogramm Schulsozialarbeit, in welchem die Schulsozialarbeit dauerhaft und verlässlich vom Land finanziert wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Und sehr schnell brauchen wir mindestens einen Notfallfonds, ein Notfallprogramm für alle Kommunen, die sich den Eigenanteil auf keinen Fall leisten können. Wir werden bei den Verhandlungen über den Landeshaushalt entsprechende Anträge einreichen; denn es ist eben keine Lösung für die Kommunen, bei der offenen Jugendarbeit zu sparen, um die Schulsozialarbeit finanzieren zu können.

(Oh! bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Schulsozialarbeit in unserem Bundesland ist in Gefahr, weil die Bildungspolitikerinnen dieser Koalition für dieses wichtige Thema nicht vehement kämpfen und im Zweifelsfall bei Finanzminister Richter einknicken. Entweder fehlt ihnen das Rückgrat oder der notwendige politische Wille. Beides wäre ein schlechtes Zeichen für die Bildungspolitik unseres Landes.

Wir Bündnisgrünen kämpfen dafür, dass die Schulsozialarbeit ein fester Bestand aller Schulen wird, dauerhaft, verlässlich, überall im Land und an jeder Schule. Das ist unser Ziel. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)