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Plenarsitzung

Transkript

Tobias Rausch (AfD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Frage geht an den Ministerpräsidenten. Wir wissen alle, das Intel nach Magdeburg kommt. 10 Milliarden € Subvention soll es vom Bund geben, 30 Milliarden € sollen insgesamt investiert werden. Das ist historisch für unser Land. Wir begrüßen das. Es entstehen 3 000 Arbeitsplätze. Es können Folgewirtschaften entstehen. Das ist alles sehr lobenswert. Nun konnten wir aber lesen, dass Sie, Herr Ministerpräsident Haseloff, zugesichert haben, dass Intel einen gedeckelten Strompreis von 10 ct je Kilowattstunde bekommt. Daraus ergeben sich für uns folgende Fragen:

Wie hoch ist der Strombedarf, den Intel ungefähr angemeldet hat? Um wie viel Subvention durch den gedeckelten Strompreis handelt es sich? Welche Töpfe sollen dafür genommen werden? Wie hoch ist der Eigenanteil des Landes Sachsen-Anhalt? Wie ist das mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz für andere Unternehmenszweige vereinbar?

Ich konnte gestern beim Sparkassentreffen hören, dass viele Unternehmen, die bei uns im Kreis ansässig sind, Sorge haben, dass sie abwandern müssen. In Bitterfeld Wolfen ist jetzt eine Firma abgewandert. Die Firma ALMECO Salzgitter hat sehr hohe Stromkosten. Sie fragen sich, wie das weitergehen soll, wenn das so weitergeht. Ist für Sie eine Subvention von Stromkosten in Ordnung, und die anderen Firmen werden im Stich gelassen und wandern ab? Oder wie wollen Sie gewährleisten, dass alle am fairen Wettbewerb teilnehmen können?


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Bevor der Ministerpräsident am Mikro ist, begrüßen wir Damen und Herren des Sozialverbandes Deutschland, Kreisverband Mittelelbe. - Herzlich willkommen bei uns im Haus!

(Beifall im ganzen Hause)


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens. Die grundsätzliche Vereinbarung und die entscheidenden Verhandlungen mit Intel hat nicht die Landesregierung geführt, sondern die Bundesregierung im Kanzleramt unter Hinzuziehung der Bundesministerien, weil es sich, wie Sie wissen, um ein europarelevantes Gesamtprojekt handelt. Europa hat die entsprechenden Konzerne aus den strategischen Bereichen eingeladen, sich an diesem Standort zu etablieren. Dem ist nicht nur Intel, sondern sind auch andere gefolgt bzw. diese Prozesse laufen.

Es ist klar, dass dafür bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten sein müssen, wenn Europa und damit heruntergebrochen Deutschland und ein Land in Deutschland - das sind Gott sei Dank an der Stelle wir und die Stadt Magdeburg - den Zuschlag erteilt bekommen soll. Das heißt vor allen Dingen im Bereich der Energiepreise Wettbewerbsfähigkeit. Wir wissen, wie das im Rahmen der Energiewende, aber generell auch im europäischen Preisbildungsrahmen in diesem Sektor aussieht und dass dazu die verschiedensten allgemeinen und schon konkreter gewordenen Überlegungen sowohl der 27 EU-Länder als auch der entsprechenden Wirtschafts- und Energieministerinnen und  minister existieren, die versuchen, mit der Bundesregierung die Rahmenbedingungen zu stricken.

Das ist ein allgemeines Thema. Das wäre der Punkt, an dem ich den Staffelstab unter dem Stichwort Industriestromdiskussion gern an Kollegen Willingmann weitergeben möchte. Was ist das eigentlich, bzw. was ist dort derzeit die Linie der Bundesregierung im Einvernehmen bzw. in der Abstimmung mit den einzelnen Bundesländern?

Zu Intel ist klar zu sagen, dass es eine entsprechende Orientierungsgröße gibt, die der Bund mit dem Konzern verhandelt hat. Diese heißt dem Grunde nach kleiner/gleich 10 ct pro Kilowattstunde. Das ist immer noch mehr als das, was in Amerika oder an anderen Standorten realisiert wurde. Das heißt, die Vorteile, die Intel für den europäischen Markt, von hier aus dann auch für den Weltmarkt, am Standort Magdeburg und in Sachsen-Anhalt sieht, müssen an der Stelle vieles überkompensieren, sodass man innerhalb der hiesigen Wirtschaftsnetzwerke für sich als Konzern versucht, strategische Optionen zu eröffnen und Möglichkeiten zu entwickeln.

Die entsprechenden Vereinbarungen gehen darauf hinaus, dass mit der Wirtschaft Lösungen gefunden werden, die an anderer Stelle ebenfalls Großverbraucher für sich versuchen, zu organisieren. Das hat erst einmal mit dem, was mit dem Gesichtspunkt Wirtschaftspolitik, Mittelstandspolitik und generell Energiepolitik, auch für die privaten Haushalte, im Zusammenhang steht, nichts zu tun, sondern hierbei geht es darum, dass Lösungen entwickelt werden sollen, wie es BASF derzeit macht, indem sie versuchen, einen Offshorepark für die Verbräuche ihrer Chemieunternehmen entlang der Rheinschiene zu entwickeln. So soll hier unter Nutzung der Wirtschaft, nicht des Landes und nicht der Kommune, sondern der Wirtschaft eine entsprechende Direktversorgung für diesen Standort entwickelt werden, um diese Preise, die international wettbewerbsfähig sein sollen, zu erreichen.

Dieser Prozess ist seit dem Montag der letzten Woche in Gang gesetzt. Bis dahin sind die entsprechenden Grundsätze ausgetauscht worden, auch unter Einbeziehung von Wirtschaftsunternehmen, die bereit sind, dabei mitzuwirken, dies zu entwickeln, ähnlich wie es, wie gesagt, das Beispiel BASF vor Augen führt. Es ist jetzt die Aufgabe, nachdem wir das Go seitens der Bundesregierung haben, dieses hier in Gang zu setzen. Dazu gibt es Arbeitsgruppen, dazu gibt es bei uns die entsprechenden Personalia, die versuchen, das mit der Stadt und der zu gründenden Entwicklungs- bzw. Betreiber-GmbH zu koordinieren.

Das Entscheidende ist, dass wir das alles noch unter der Vorkehrung tun, dass die abschließende Genehmigung dessen, was der Kanzler bzw. sein Staatssekretär Kukies in der letzten Woche am Montag im Bundeskanzleramt ratifiziert bzw. parafiert haben, durch die Europäische Union erfolgen muss. Dann haben wir auch rechtlich die Grundlage dafür, ins Obligo zu gehen. Bis dahin laufen die Vorbereitungen weiter, wie ich es im Groben beschrieben habe. Wir können gern in zukünftigen Landtagssitzungen darüber berichten.

Aber jetzt zu dem Stichwort Industriestrom, weil es die gesamte Gesellschaft und nicht nur die Insellösung für Intel betrifft, die nicht in Konkurrenz zu dem steht, was ansonsten energiepolitisch als Energiewende in Deutschland und in Europa läuft. Vielmehr ist das ein Selbstversorgungssystem, das entwickelt werden soll, das übrigens im kommunalen Bereich, wenn ich an Deersheim denke, oder in vielen anderen Bereichen durchaus üblich ist, das bis in die privaten Haushalte gespiegelt ebenfalls existent ist, nämlich dass man versucht, Strom mit eigenen technischen Möglichkeiten und Investitionen zu erzeugen und sich zum Selbstverbrauch sozusagen eine gewissen Autarkie zu organisieren; bis hin zur entsprechenden Preiswürdigkeit, die doch deutlich zu dem im Unterschied steht, was man an den Börsen kaufen kann. - Herr Willingmann würde dann weitermachen.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke.


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Abg. Rausch, ich darf kurz ergänzen: Hinter dem Wort „Industriestrompreis“ verbirgt sich eine ganze Fülle an unterschiedlichen Lösungen, die in den letzten Monaten entwickelt wurden. Wir haben sie auch in Merseburg bei der Energieministerkonferenz diskutiert.

Allen Modellen ist gemein, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft im internationalen Energiepreiswettbewerb erhalten wollen. Wir alle wissen, dass es den Versuch, den Energiestrompreis zu erzeugen, auf unterschiedlichen Wegen gibt. Der Ministerpräsident hat ein Modell angesprochen, das vom Rechtsrahmen her bereits durch den Bund ermöglicht wurde, das wir in unserem Land forcieren wollen, nämlich die Eigenstromversorgung durch Erneuerbare, durch Windmühlen sozusagen im Umfeld der jeweiligen Industriebetriebe. Das an sich wird schon dazu beitragen, dass es einen sehr viel günstigeren Strompreis gibt als im Moment. Aber das ist noch nicht das, was man möglicherweise in Sachen Intel erreichen möchte.

Ich will zu den einzelnen Intel-Verhandlungen nichts sagen - wir waren nicht dabei  , sondern ich möchte auf einen anderen Aspekt kommen. Wir müssen schauen, dass wir einen Transformationsstrompreis bekommen. Dieser Strompreis muss in den nächsten Jahren, in der Zeit, in der wir die Erneuerbaren noch ausbauen, dazu beitragen, dass wir wettbewerbsfähig bleiben. Es werden immer wieder Centpreise in den Raum gestellt; 10 ct waren einmal im Gespräch, ich glaube, der bayerische Wirtschaftsminister hat einmal von 5 ct gesprochen. Das ist alles durchaus möglich. Das Entscheidende ist, wenn Sie das als klassische Subvention aufziehen, wenn Sie sagen, wir deckeln den einfach und zahlen eine Subvention, dann muss das beihilfekonform stattfinden, und das ist nicht so einfach.

Jetzt werden Sie mit dem Beispiel Frankreich kommen. Die machen das, das stimmt. Sie haben allerdings auch eine sehr viel stärker staatlich fokussierte Energieversorgung, als wir sie mit unserem sehr dezentralen Modell haben.

Richtig ist, wir werden in den nächsten Monaten weiter darüber reden müssen. Es ist im Moment das Interesse der Bundesregierung, einen Industriestrompreis zu entwickeln, um damit ein Stück weit Wettbewerbsfähigkeit zu erzeugen. Ich sage Ihnen als Energieminister aber auch, wir haben noch andere Stellschrauben bei der Energiepreisentwicklung, die dazu beitragen, dass bei diesem Preis weiter entlastet werden kann. Darüber haben wir hier an anderer Stelle schon diskutiert. Ich stehe Ihnen gern auch weiter für Fragen zur Verfügung.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Es gibt eine Nachfrage von Herrn Rausch.


Tobias Rausch (AfD):

Ja. Vielen Dank, Herr Präsident. - Es wäre einmal eine Nachfrage an den Ministerpräsidenten und einmal an Herrn Minister Willingmann. - Herr Willingmann, Sie haben gesagt, dann soll der Versorgungsstrom z. B. durch ein Windrad am Unternehmensstandort erfolgen. Ein Windrad erzeugt ungefähr 1,3 GW. Intel hat laut Oberbürgermeister Lutz Trümper damals einen Strombedarf von 1 500 GW. Das heißt, wir müssten in Magdeburg ungefähr 1 600, 1 700 Windräder bauen, damit der Strombedarf für die Firma gedeckt wäre. Die Frage ist: Wie wollen Sie das gewährleisten? Wie wollen Sie dafür Sorge tragen, dass man die Einspeisevergütungen, die Netzentgelte usw., die bei erneuerbaren Energien anfallen, nicht mehr entrichten muss? Dann müsste das Bundesgesetz geändert werden.

Die zweite Frage an Herrn Ministerpräsident Haseloff. Er sagte, dass der Strompreis herunter soll. Er hat selbst zugegeben, in anderen, wettbewerbsfähigen Ländern wie den USA ist der Strompreis unter 10 ct. Das heißt, unsere Politik der letzten Jahre hat dafür gesorgt, dass wir nicht mehr wettbewerbsfähig sind, dass wir die teuersten Strompreise in Europa haben, dass Firmen abwandern wollen.

BASF wurde als lobendes Beispiel genannt. Ich will nur mitteilen, dass BASF einen massiven Stellenabbau in Deutschland betreibt, Tausende Stellen werden gestrichen. Und BASF hat angekündigt, Milliarden in China zu investieren, weil der Standort Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Wie ist das mit Ihren Aussagen in Einklang zu bringen?

(Beifall bei der AfD)


Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):

Ich hatte den Eindruck, es sei eine Regierungsbefragung, aber wir können auch gern etwas Regierungspolemik betreiben.

(Tobias Rausch, AfD: Nein, Strombedarf! Wie wollen Sie das lösen?)

- Herr Rausch, das zeigt gerade, dass uns einfaches Umrechnen nicht weiterbringt. Sie haben völlig Recht, eine solche Anzahl von Windmühlen in einem Gürtel um Magdeburg herum ist völlig undenkbar. Das wird man so nicht erfüllen können. Aber ich werde jetzt mit Ihnen nicht darüber diskutieren können, was im Einzelnen    

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Weil Sie es nicht können!)

- Wollen Sie fragen, oder wollen Sie dazwischen blöken?

(Tobias Rausch, AfD: Nein, ich will die Antwort!)

Wir wollen doch weiterkommen. Ich weiß nicht, ob Sie weiterkommen wollen, aber der Rest der Partei hat den Eindruck, dass er in diesem Parlament weiterkommen möchte. Dazu gehört auch, dass wir uns mit diesem Thema seriös beschäftigen.

Wir wissen, dass die Energiepreise sehr hoch sind. Wundert es Sie nicht, dass wir immer noch die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt sind und dass wir trotz der hohen Strompreise in den vergangenen zehn Jahren durchgängig Konjunktur hatten? Man kann natürlich gern versuchen, das Thema zu perhorreszieren, aber wir haben in der Vergangenheit mit hohen Strompreisen noch relativ viel hinbekommen, oder um es anders herum zu sagen: Es war möglich, diese Hochleistungswirtschaft durchaus mit solchen Strompreisen zu konfrontieren, weil sie leistbar waren. Jetzt, wo wir im internationalen Wettbewerb damit Probleme bekommen, wird Politik reagieren. Sie tut es auf der Abgabenseite, auf der Steuerseite, und sie tut es auch mit dem Ausbau erneuerbarer Energien. Dann schauen Sie einmal, was wir in den nächsten Monaten und Jahren noch hinbekommen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zurufe von der AfD)