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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 23

Beratung

S-Bahn Leipzig-Zeitz-Gera muss umgehend kommen!

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/2667

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/2715


Für die AfD bringt Herr Waehler ein. Bitte.

(Beifall bei der AfD)


Lothar Waehler (AfD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Bevor ich auf die aktuellen Entwicklungen und Probleme des Leuchtturmprojekts des Strukturwandels, der Schnellbahnlinie Gera   Leipzig   Zeitz, eingehe, ist ein Rückblick auf den ersten Strukturwandel in Ostdeutschland unumgänglich.

Viele hier in diesem Haus werden ihn sicher noch in Erinnerung haben, wenn vielleicht auch aus anderer Perspektive und Lebenssituation, was aber bei gesellschaftlichen Umbrüchen diesen Ausmaßes mit 17 Millionen Probanden, die sich von heute auf morgen in einer völlig neuen Lebensumwelt orientieren mussten, die einigen noch nicht einmal aus dem Fernsehen bekannt war, verständlich ist.

Bereits im Geografieunterricht in der DDR wurde vermittelt, dass unabhängig von den Bezirksgrenzen das Chemiedreieck Leipzig-Halle-Bitterfeld als zusammenhängende Industrieregion auszubauen und weiterzuentwickeln ist. Eine Grundvoraussetzung für dieses Entwicklungskonzept war allerdings die Einrichtung eines Schnellbahnnetzes, das die einzelnen Industriestädte verbinden sollte.

In dieses DDR-Chemiedreieck war auch die Stadt Zeitz mit ihrem Hydrierwerk eingebunden. Hinzu kamen die Schwer- und Nahrungsmittelindustrie sowie die Konsumgüterproduktion.

(Zuruf: Zekiwa!)

Die Zeitzer Kinderwagenproduktion war geradezu legendär. Dort habe ich vor 45 Jahren gelernt. Allerdings waren bereits damals die Städte Naumburg, Zeitz und Weißenfels durch ein Bahnstreckennetz miteinander verbunden. Die strukturelle Grundvoraussetzung für einen schnellen Güter- und Personenverkehr war gegeben.

Der flächendeckende Rückbau, die Stilllegungen der sogenannten Nebenstrecken der DDR-Reichsbahn nach der Wende, wurden bereits damals - wie auch heute - von vielen Experten als überhastet und fehlerhaft kritisiert. Außerdem wurde der gesamte Güterverkehr von der Schiene auf die neuen Autobahnen und Straßen verlagert. Die vorher in der Stadt vorhandene Anbindung der Industriebetriebe an die Bahn wurde eliminiert. Die Lagerhaltung erfolgte just in time. Die Auswirkungen dieser Fehlentwicklungen spüren wir heute jeden Tag auf den Autobahnen.

In Zeitz überlebte keiner der ortsansässigen Großbetriebe die Wende - und wenn, blieben oft nur Fragmente als einzige erkennbare Zeugen ehemaliger Industriegröße, oft mit Altlasten belastet, erhalten. So entwickelte sich Zeitz langsam zu dem, was in Ostdeutschland nun als Kult vermarktet wird - zu einer Ansammlung sogenannter Lost Places. In englischer Sprache klingt dieser Begriff eher harmlos. Tatsächlich ist es einfach ein nicht lebenswerter Ort, der aufgrund seiner Eigenschaften vergessen wurde. Ein Ort, in dem die Menschen weder eine Zukunft sehen noch eine Perspektive finden.

Nur wenige arbeitsintensive Industriezweige wie die Braunkohleindustrie als Energielieferant - der letzte große Arbeitgeber und Garant für Stabilität und Wohlstand   blieben in der Region erhalten. Nun soll auch die Braunkohle und mit ihr das Revier getilgt werden. Ein neuer Strukturwandel wird verordnet und erneut müssen sich die betroffenen Menschen umorientieren und müssen umschulen.

Boshaft könnte man sagen: In die ehemals versprochenen blühenden Landschaften werden nun Leuchttürme hineinversprochen. Aber nein, meine Damen und Herren, ich will hier doch keine schlechte Stimmung verbreiten. Wir haben diesmal ein Netz von Stabsstellen geschaffen, die diesen Strukturwandel zum Wohle aller lenken und leiten sollen.

Im Süden Sachsen-Anhalts soll eine 40-köpfige Mannschaft, bestehend aus Wirtschaftsexperten, mit Zukunftsprojekten den Strukturwandel lenken und leiten, um für die ehemaligen Kohlekumpel nun Arbeitsplätze und Möglichkeiten für den Erhalt ihres Lebensunterhaltes zu erschließen und um sie somit weiter an die Region und auch an ihr Heimatland zu binden.

Neben Denkfabriken, Forschungsinstituten und Denkmalsanierungen zählen auch Infrastrukturprojekte wie die S-Bahnstrecke Gera - Leipzig   Zeitz dazu, über die sich Bund und Länder bereits am 4. Juni 2021 einigten. Eingeplant wurden damals Mittel in Höhe von 342 Millionen €. Eine S-Bahn auf dieser Strecke würde die Verbindung tatsächlich viel schneller, umweltfreundlicher, wirtschaftlicher und deutlich komfortabler für die Menschen gestalten.

Weiterhin erschließt sich für die gesamte Region um Zeitz die Möglichkeit, besser an das weiter wirtschaftlich wachsende Ballungsgebiet Leipzig angeschlossen zu werden. Profitieren könnten beide Regionen; denn Leipzig bietet Arbeitsplätze und Zeitz Bauland und Wohnraum. Diesen durch Infrastrukturausbau möglichen Attraktivitätsgewinn für Wirtschaft und Wissenschaft in der Region Merseburg-Zeitz hat Frau Ministerin Hüskens bei der Wiedereröffnung des Zeitzer Bahnhofs am 6. Mai 2023 erneut deutlich zum Ausdruck gebracht.

Fazit: Die S-Bahn-Anbindung an ein wirtschaftlich starkes Ballungsgebiet stellt eine vorrangige Aufgabe in einem Strukturwandelprogramm dar - wie es einst bereits den Schulkindern von der Partei- und Staatsführung versprochen wurde.

(Kathrin Tarricone, FDP: Was?)

Nun durften wir jedoch am 13. April 2023 im Umweltausschuss erfahren, allerdings erst auf Nachfrage, dass das Signal für den Ausbau der S-Bahnstrecke Gera   Leipzig   Zeitz eben nicht auf Grün, sondern auf Rot steht, und zwar bis zum Jahr 2036.

(Zuruf: Das gibt es doch nicht!)

Das Land Thüringen, das den Hauptanteil an der Strecke trägt, definiert S-Bahn anders und will keine S-Bahn-Taktung umsetzen. Was für ein Nackenschlag für die Bevölkerung im Süden Sachsen-Anhalts? Was für ein Versagen der Landesregierung, dass nach zwei Jahren Leuchtturmprojektplanung das Vorhaben undurchführbar wird? Wieder werden Versprechen nicht eingehalten, erneut wiederholt sich die Geschichte.

Und es geht noch weiter: Auch die Finanzierung des Projektes und des neuen Strukturwandels sind vakant; denn das neue grüne Habeck‘sche Wirtschaftswunder, definiert als Energiekrise und Inflation, führt zu einer deutlichen Kostensteigerung bei jeder Planung, wenn man den Inflationsausgleich nicht eingeplant hat. Auch dazu bekamen wir im Umweltausschuss von der zuständigen Stabsstelle nur das Konzept Ratlosigkeit serviert. Der Bund wolle nicht nachverhandeln und man müsste wahrscheinlich oder vielleicht Projekte streichen.

Diese Vorgehensweise ist nicht akzeptabel. Und so kann man mit der Bevölkerung doch nicht umgehen. Ich stelle hier und heute der Landesregierung die Fragen: Seit wann sind Ihnen denn die Probleme beim Strukturwandel wieder einmal bekannt? Also seit wann wissen Sie, dass es klemmt? Und wann wollten Sie das Parlament und die Bevölkerung darüber überhaupt informieren?

Deshalb fordere ich den Ministerpräsidenten Herrn Haseloff auf     Wo ist er? Frau Ministerin Hüskens, Sie sind da, dann übermitteln Sie das. Ich fordere die Landesregierung auf: Schaffen Sie umgehend Klarheit, setzen Sie die geplanten und im Vorfeld bejubelten Projekte vollumfänglich um. Kommen Sie Ihrer Verantwortung für das Land nach und machen Sie gegenüber dem Bund klar, dass politisch verordneter Arbeitsplatzabbau in Ostdeutschland ausschließlich eins zu eins zu kompensieren ist, und zwar ohne Wenn und Aber.

Unser Antrag bietet Ihnen hier und jetzt die einmalige Gelegenheit, sich für die Menschen in diesem Land einzusetzen. Mit der Umsetzung können Sie aus Worten und Versprechungen einen fairen Strukturwandel gestalten, der für unsere Bevölkerung eine deutlich höhere Lebensqualität und nicht erneuten Verlust bedeutet. - Glück auf.

(Zustimmung bei der AfD)