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Plenarsitzung

Transkript

Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Jugendstraffälligkeit zu verstehen und ihr durch geeignete Maßnahmen und Konzepte von vornherein entgegenzuwirken, ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und Querschnittsaufgabe für nahezu alle Bereiche staatlichen Handelns. In der langen Kette, die zur Entstehung von kriminellen Taten führt, kommt die Justiz regelmäßig erst am Ende der Entwicklung hinzu und ist daher vornehmlich restriktiv tätig.

Essenzielle Präventionsarbeit muss daher vorher beginnen und erfolgreich sein. Wertvolle Hilfe liefern im Bereich straffällig gewordener Jugendlicher Kriminologie und Sozialwissenschaften, deren Erkenntnisse sowohl von der Landesjustizverwaltung als auch von der gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis daraufhin überprüft werden, ob sie Handlungsempfehlungen und Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten bei Verfahrensabläufen enthalten. Aus diesem Grunde wurde in meinem Haus bereits mehrfach der Frage nachgegangen, ob auch in Sachsen-Anhalt Jugenddelinquenz nach dem sogenannten Neuköllner Modell begegnet werden sollte oder ob es Häuser des Jugendrechts geben sollte.

Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Ministerin Weidinger. Es gibt eine Frage. - Sprechen Sie als Fraktionsvorsitzender, Herr Silbersack? - Als Fraktionsvorsitzender. Herr Silbersack, bitte.


Andreas Silbersack (FDP):

Frau Ministerin, ich habe eine Frage. Können Sie eine Aussage treffen zu der durchschnittlichen Verfahrensdauer, insbesondere bei Gewaltdelikten im Bereich der Jugendkriminalität, angefangen vom Ermittlungsverfahren bis hin zu der Eröffnung bzw. zu der Einstellung des Strafverfahrens?


Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz):

Nein. Detaillierte Zahlen kann ich Ihnen aus dem Kopf jetzt nicht sagen. Ich möchte jetzt auch keine falschen Monate oder Ähnliches benennen. Ich kann die Antwort aber nachliefern.

(Marco Tullner, CDU: Sehr gut!)

Diese Konzepte stammen aus anderen Bundesländern und haben sich dort teils bewährt und sind teils aufgegeben worden. Mein Haus prüft diese Vorgehensweise, bewertet sie und wird bei Bedarf auf Sachsen-Anhalt zugeschnittene Überlegungen gemeinsam mit den für Prävention verantwortlichen Ressorts erarbeiten.

Dabei erscheint das angesprochene Neuköllner Modell nach Einschätzung der hiesigen staatsanwaltschaftlichen Praxis sowie des Bundes der Richter und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt nicht das probate Mittel zur Bekämpfung gehobener Jugendkriminalität zu sein. Insbesondere bei Verbrechenstatbeständen wie Raub oder schweren Sexualdelikten ist das vereinfachte Jugendverfahren nach dem Neuköllner Modell in der Regel mangels geeigneter Sanktionsmöglichkeiten überhaupt nicht angezeigt.

In Sachsen-Anhalt sind stattdessen sogenannte Intensivtäterrichtlinien erlassen worden, die sich in der Praxis auch in Verfahren gegen jugendliche und heranwachsende Mehrfachtatverdächtige, auch im Fall von schwerer Kriminalität, bewährt haben und regelmäßig zu der gebotenen Beschleunigung führen. Mit Einführung der Richtlinien im Jahr 2017 hat sich die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaften sowie der Jugendgerichtshilfe in Fällen von jugendlichen und heranwachsenden Mehrfachtatverdächtigen intensiviert.

Die rasche Zusammenarbeit der mit der Jugenddelinquenz befassten unterschiedlichen Professionen ist in Sachsen-Anhalt bereits heute Realität und für die Beteiligten auch eine Selbstverständlichkeit. Dessen unbeschadet werden fortlaufend auch in anderen Bundesländern eingeführte und dort bewährte Modellprojekte, wie etwa die Einrichtung von Häusern des Jugendrechts oder das Modell des Jugendvollzugs in freien Formen, unter Einbeziehung der Praxis daraufhin überprüft, ob ihre Einrichtung in Sachsen-Anhalt sinnvoll wäre. Es gab bereits neben einem Austausch mit anderen Bundesländern Gespräche mit der Stadt Halle im Hinblick auf eine noch engere Verzahnung aller Beteiligten.

Der Jugendvollzug in freien Formen etwa wird auch hier in Sachsen-Anhalt als Möglichkeit gesehen, die im Jugendstrafvollzug ohnehin bestehenden erzieherisch und präventiv wirkenden Maßnahmen zu erweitern. Die engere Betreuungsdichte könnte den straffällig gewordenen Jugendlichen des Landes Sachsen-Anhalt den Schritt in ein straffreies Leben erleichtern und damit auch der Verhinderung künftiger weiterer Straftaten dienen.

Der Antrag greift damit ein Justizvorhaben des aktuellen Koalitionsvertrages auf, an dem bei uns bereits gearbeitet wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)