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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 10

Beratung

Für die Schule von morgen: Die Lehramtsausbildung in Sachsen-Anhalt neu strukturieren

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/2685

Alternativantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2703


Die Einbringung realisiert Frau Sziborra-Seidlitz, bitte.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Etwa 1 000 junge Menschen entscheiden sich jedes Jahr in Sachsen-Anhalt für ein Lehramtsstudium. Aber sie müssen sich in unserem Bundesland nicht nur entscheiden, Lehrerin werden zu wollen, sondern auch, was für ein Lehrer sie werden wollen.

Jungen Menschen mit dem frischen Abitur in der Tasche   die meisten von ihnen haben in ihren eigenen Bildungsbiografien nur die Grundschule und das Gymnasium erlebt   und vor Beginn des Studiums vor die Wahl gestellt, erscheint der Weg ans Gymnasium selbstverständlich sicherer, vertrauter und attraktiver.

Die meisten von ihnen entscheiden sich für diesen Weg und daran ist an sich auch erst einmal nichts verkehrt. Aber diese frühe Wahl muss nicht sein. Sie ist nicht nur unnötig, sie raubt den jungen Studentinnen und Studenten, den Schulen Sachsen-Anhalt und damit uns allen Flexibilität und Möglichkeiten.

Lehrerinnen unterrichten Schülerinnen und keine Schulformen. Deswegen ist es unsinnig, dass die Lehrkräfteausbildung anhand der Schulform strukturiert ist. Stattdessen streiten wir mit unserem Antrag dafür, dass die Ausbildung der Lehrerinnen sich an den Bedürfnissen derer orientiert, die im Mittelpunkt unseres Schulsystems stehen; an den Bedürfnissen der Schülerinnen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deswegen fordern wir mit unserem Antrag, dass statt einer schulformbezogenen Ausbildung, das Lehramtsstudium in Sachsen-Anhalt zu einer schulstufenbezogenen Ausbildung umstrukturiert wird; dass es sich also, statt nach den Schulformen, nach den Altersstufen der Schülerinnen richtet.

Wenn sich angehende Lehrerinnen in unserem Land zu Beginn des Studiums entscheiden müssen, ob sie gerne für die Grundschule, Förderschule, Sekundarschule oder für das Gymnasium studieren, dann finden auch die Schulpraktika, die sie während ihres Studiums absolvieren, um erste Praxiserfahrungen als zukünftige Lehrerinnen zu sammeln, in den Schulformen statt, für die sie sich entschieden haben.

Erfahrungen an anderen Schulformen, die diese als zukünftigen Arbeitsort attraktiver machen könnten, die manchmal einfach nur Berührungsängste verringern oder das Arbeiten z. B. an einer Sekundarschule überhaupt erst vorstellbar machen können, finden beim schulformbezogenen Lehramtsstudium gar nicht statt.

Dabei sind es gerade diese Schulen   Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen, Grundschulen  , die in unserem Land am allernötigsten Verstärkung brauchen. Das Stufenlehramt schafft an dieser Stelle mehr Erfahrungen in der Ausbildung und mehr Flexibilität nach dem Abschluss. Das ist gut für die Schülerinnen. Das ist gut für unser Land. Das ist gut für die Lehrkräfte.

Wenn wir in Sachsen-Anhalt die Lehrkräfteausbildung hin zum Stufenlehramt weiterentwickeln, dann bietet dies viele Chancen im Kampf gegen den Lehrkräftemangel; besonders an den Schulformen, an den Lehrerinnen am meisten gebraucht werden; an den Gemeinschaftsschulen, an den Sekundarschulen   das habe ich bereits gesagt.

Denn das Stufenlehramt ermöglicht es den Studierenden, im Laufe des Studiums zu entscheiden, an welcher Schulform sich später unterrichten wollen. Sie können gemeinsame Praxisphasen absolvieren, die die Möglichkeit bieten, Ängste und Vorbehalte vor dem Unterrichten an Sekundarschule oder Gemeinschaftsschulen abzubauen.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Auch für unsere Schülerinnen ist es sinnvoll, dass Stufenlehramt in Sachsen-Anhalt einzuführen. Denn wir wollen, dass alle Schülerinnen unseres Bundeslandes die individuell bestmögliche Bildung erhalten.

Wenn angehende Lehrkräfte für den Umgang mit Schülerinnen mit unterschiedlichen Kompetenzprofilen ausgebildet werden, sich allein auf deren Altersgruppe spezialisieren und nicht mehr auf die Schulform, dann kann auch Binnendifferenzierung in allen Schulformen viel besser gelingen, dann können die Kinder und Jugendlichen an allen unseren Schulen individuell besser gefördert werden.

Auch für mehr Inklusion an unseren Schulen, zu der wir nach der EU-Behindertenrechtskonvention verpflichtet sind und die wir seit Jahren versäumen, wäre die Reform der Lehrkräfteausbildung hin zum Stufenlehramt ein wichtiger Schritt. Wenn nämlich im Stufenlehramtsstudium die Sonderpädagogik zu einer von mehreren möglichen Spezialisierungen wird, wenn wir die exkludierende Beschulung endlich weitestgehend überwinden wollen, wozu wir uns verpflichtet haben, dann müssen wir mit der Überwindung der exkludierenden Lehramtsausbildung beginnen.

Auch die Realität des Schulalltags zeigt, warum das Stufenlehramt der richtige Schritt in der Neustrukturierung der Lehrkräfteausbildung ist. Schon jetzt unterrichten Lehrerinnen aufgrund des Lehrkräftemangels durch Abordnung an anderen Schulen und schulformenübergreifend. Arbeitsbiografien sind heute eben oft weit weniger linear als noch vor Jahren. Menschen wechseln aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Arbeitsstellen und Arbeitsorte, auch Lehrerinnen. Angesichts dessen ist es die logische Konsequenz, dass die Ausbildung von Lehrerinnen in Zeiten des anhaltenden Lehrkräftemangels und höherer Arbeitsplatzflexibilität für den flexiblen Einsatz in und zwischen den Schulen ertüchtigt wird.

Für die beiden Universitäten in unserem Bundesland, an denen die Lehrkräfteausbildung stattfindet, wäre die Neustrukturierung    


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Einen Augenblick bitte. - Frau von Angern, das geht schon eine Viertelstunde lang. Ich glaube, das ist nicht angemessen.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Entschuldigung!)


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Für die beiden Universitäten in unserem Bundesland, an denen die Lehrkräfteausbildung stattfindet, wäre die Neustrukturierung des Lehramtsstudiums zum Stufenlehramt kein Problem. Denn schon jetzt überschneiden sich insbesondere die Lehrämter für das Gymnasium und die Sekundarschule stark in der Ausbildung. Insbesondere die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, an der ein Großteil der Lehrkräfteausbildung in unserem Bundesland stattfindet, hat mehrfach in verschiedenen Formaten zum Ausdruck gebracht, dass sie sich diese Reform des Lehramtsstudiums wünscht und diese zügig umsetzen könnte.

Da es verschiedene Möglichkeiten gibt, das Stufenlehramt an den beiden Universitäten unseres Landes umzusetzen, plädieren wir dafür, den Unis den Auftrag zu erteilen, zu prüfen und uns vorzustellen, wie und in welcher Weise sie diese Reform der Lehrkräfteausbildung am besten umsetzen können.

Das Einzige, was gerade fehlt, damit das Stufenlehramt in unserem Bundesland eingeführt wird, ist der politische Wille der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen, aber vielleicht auch nicht. Überraschend Sie uns. Ja, Veränderung braucht Mut, vor allem, wenn es darum geht, alte Strukturen neu zu denken. Für nachhaltige Veränderungen müssen wir langfristig denken und aufhören, immer nur von Legislaturperiode zu Legislaturperiode zu agieren. Das betrifft besonders unser Schulsystem und das trifft auch auf die Lehrkräfteausbildung zu. Es macht langfristig Sinn, die Lehrkräfteausbildung den Herausforderungen der Zukunft anzupassen. Vor allem macht es Sinn, die Bedürfnisse unserer Schülerinnen in den Mittelpunkt der Lehramtsausbildung zu stellen.

Wir Bündnisgrüne haben den Mut, die notwendigen Veränderungen zu fordern. Wir wollen, dass die Bildungspolitik unseres Bundeslandes über den dauerhaften Krisenmodus des Lehrkräftemangels hinaus gedacht wird. Wir wollen, dass die Bildungspolitik langfristiger geplant wird als nur bis zur nächsten Landtagswahl. Wir kämpfen für die Schulen von morgen, für Schulen, an denen alle Schülerinnen in Sachsen-Anhalt die bestmögliche Bildung erhalten, egal aus welchem sozialen Umfeld sie kommen, egal welche finanziellen Mittel ihre Eltern haben und egal wie ihr persönliches Kompetenzprofil aussieht.

Um das zu erreichen, muss auch die Lehrkräfteausbildung neu strukturiert werden. Die Einführung des Stufenlehramtes, also des schulstufenbezogenen Lehramts ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg, die Schule von morgen zu ermöglichen.

Deshalb, liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen,

(Hannes Loth, AfD: Ha, da haben wir es wieder! - Christian Hecht, AfD, lacht)

haben Sie mit uns gemeinsam den Mut, gemeinsam die Veränderungen zu gestalten. Stimmen Sie unserem Antrag zur Umstrukturierung der Lehrkräfteausbildung hin zum Stufenlehramt zu. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Schluss sei mir eine Anmerkung erlaubt. Ich finde es mittelmäßig irritierend, dass die zuständige Ministerin erst das letzte Drittel dieser Rede mitbekommt und es nicht für nötig hält, zum Tagesordnungspunkt anwesend zu sein.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ministerin Eva Feußner: Ich bin ja nicht zuständig!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Die Bemerkung war     Das klärt sich gleich auf. Für die Landesregierung spricht der Minister Willingmann.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Wer macht nochmal das Schulgesetz? - Guido Kosmehl, FDP: Nee, nee, nee, das ist wieder Popanz, was Sie aufführen! Es geht um die Lehramtsausbildung, Herr Lange! Da ist er zuständig! - Frank Bommersbach, CDU: Ausbildung! - Weitere Zurufe von der CDU - Unruhe)