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Plenarsitzung

Transkript

Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn dieser Woche hat der Weltklimarat, IPCC, seinen Bericht vorgestellt. Einmal mehr macht dieser auch deutlich, dass die Einhaltung des 1,5- bzw. 2-Grad-Ziels bei der Erderhitzung nur erreicht werden kann, wenn die Emissionen von Treibhausgasen drastisch und umgehend reduziert werden.

(Zuruf von der AfD: Uh!)

Dies setzt natürlich voraus, dass schnellstmöglich aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, also Kohle, Öl und Gas, ausgestiegen und auf erneuerbare Energien umgestiegen wird. Geschieht dies aber nicht, dann drohen Kipppunkte im Erdsystem, die die Klimakrise weiter beschleunigen werden.

(Ulrich Siegmund, AfD: Oh, Frau Eisenreich!)

Das müssen wir uns einmal vor Augen führen. Dabei muss natürlich auch betont werden, dass die Klimakrise gleichzeitig die größte soziale Krise unserer Zeit ist. Denn sie trifft eben nicht alle gleich. Ärmere Menschen sind national auch global viel stärker betroffen. Vor diesem Hintergrund müssen wir auch in Deutschland in allen Sektoren die energetische Wende beschleunigen. Der Gebäude- und insbesondere der Wohnungssektor gleichen dabei - das muss man ehrlich sagen - einem Pulverfass. Hier sind die aktuellen Krisen besonders spürbar. Mietenkrise, Energiekrise mit den Preisschocks und Auftragsrückgänge im Bausektor führen zu erheblichen Kostenbelastungen und zu Wohnungsnot besonders in Ballungsgebieten.

Aber gleichzeitig verfehlt der Gebäudesektor wiederholt die Klimaziele und verursacht ein Drittel der Treibhausgasemissionen um ca. 40 % des Endenergieverbrauchs. Hierbei sind übrigens seit Jahren in Ostdeutschland durchaus Verbesserungen sichtbar. Die energetische Sanierung der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbestände ist dabei nämlich beispielgebend. Trotzdem müssen die Anstrengungen fortgesetzt werden. Die Wärmewende darf weder aufgeschoben noch verschleppt werden. Das Zeitfenster, das uns nunmehr verbleibt, um den Gebäudesektor klimaneutral zu gestalten, liegt nach verschiedenen Untersuchungen - auch der Koalitionsvertrag auf Bundesebene wurde genannt - zwischen 15 bis maximal 20 Jahren, also spätestens bis 2045.

Dieses verbleibende Zeitfenster macht Folgendes deutlich: In den vergangenen Jahren wurde hierbei sehr viel kostbare Zeit vergeudet. Der Bedarf insbesondere bei den Heizungssystemen ist riesig. Aktuell - das wurde auch schon gesagt - werden ca. 75 % noch mit Erdgas und Heizöl und nur etwa 15 % mit erneuerbaren Energien betrieben.

Allerdings muss neben dem Austausch von Heizungssystemen auch die Gebäudehülle ertüchtigt werden. Wir brauchen mehr Gebäude, deren Restwärmebedarf möglichst niedrig ist. Dazu dient auch die von der EU nunmehr vorgesehene geänderte Gebäuderichtlinie für Energieeffizienzklassen, die im Übrigen aufgrund des Stadtumbaues in Sachsen-Anhalt nach Angaben des Verbandes der kommunalen genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen bei mehr als 90 % ihrer Bestände bereits erreicht sind. Also: einmal Fakten anschauen.

Übrigens: Dass ein solcher Umbau in kurzer Zeit gelingen kann, zeigt das Beispiel Dänemark. Bereits nach den Ölkrisen in den 1970er- und 1980er-Jahren machte man sich dort nämlich auf den Weg. Man entwickelte langfristige Strategien für eine nachhaltige und unabhängige Energieversorgung: effizient, systemintegriert, erneuerbare Energien ausbauen und Wärmenetze aufbauen.

Die Letzteren werden anstatt von großen, unflexiblen Kraftwerken von dezentralen Heizkraftwerken auf der Grundlage von Erdgas, Biomasse, Abfällen usw. gespeist. Diese werden inzwischen zunehmend zurückgefahren, weil Wind- und Solarstrom die Energie dafür liefern. Hierbei spielen Wärmespeicher in Form von großen Wassertanks eine entscheidende Rolle. Das Speichern von Wärme kostet entsprechend wenig. Es braucht keine seltenen Erden und keine wertvollen Grundstoffe.

Nun ja: Der Anlass der heutigen Debatte ist, dass Details eines Referentenentwurfs des Bundeswirtschaftsministeriums bekannt wurden, dass nämlich Öl- und Gasheizungen sehr kurzfristig überall zu ersetzen seien.

Ja, dieser Entwurf ist in seiner derzeitigen Form nicht bis zum Ende gedacht worden, weil er aus vielerlei Gründen so nicht umsetzbar ist. Wir finden aber, dass die Empörungsmaschinerie, die da jetzt in Gang gesetzt wird, grundfalsch ist, weil damit keine Diskussionen über die Umsetzbarkeit, die Kosten und insbesondere über die soziale Abfederung und über die Akzeptanz in Gang gesetzt werden. Wir befürchten, dass eher auf dem Status quo beharrt wird. Das finden wir nicht hilfreich.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Nach dem Vorschlag sollen also ab dem Jahr 2024 nur noch neue Heizungen installiert werden, die mindestens zu 65 % erneuerbare Energien verwenden. Wir als LINKE fordern übrigens, dass in Neubauten möglichst rasch gar keine Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen. Wir brauchen den schrittweisen Ausstieg aus dem fossilen Heizsystem.

(Zurufe von der AfD)

Deshalb sind also die Planungen für Bestandsbauten, bis zum Jahr 2030 Systeme zu installieren, die mindestens zu 65 % erneuerbare Energien verarbeiten, richtig. Aber es braucht natürlich Übergangsregelungen, Härtefallregelungen und eine kluge Planung, die besagt, wo welches System einsetzbar ist. Wärmepumpen sind dabei nur eine Option, auf die man sich hier gerade fokussiert, was ich absolut irre finde.

Ja, bei Einfamilienhäusern könnte das funktionieren. In vielen Bereichen sind sie aber gar nicht sinnvoll oder dürfen auch nach den geltenden gesetzlichen Regelungen momentan gar nicht errichtet werden. Außerdem müsste man ja in Gebäuden mit Hochtemperaturheizsystemen, was die mit Erdgas, Öl und Kohle betriebenen sind, sehr große Wärmepumpen zum Einsatz bringen. Das ist auch nicht immer sinnvoll.

Im städtischen Bereich ist die Fernwärmeversorgung dabei ein wesentlicher Baustein und Standortvorteil, wenn diese bereits besteht. Dem Großspeicher in Halle z. B. ist es eigentlich egal, wie er aufgeheizt wird. Insofern sind solche Speicher ideal, um Strom für die Wärme aus erneuerbaren Energien zu nutzen, anstatt z. B. Windkraftanlagen abzuregeln.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Was aber eben weitestgehend ausgeblendet wird, ist, dass auch im ländlichen Raum kommunale Wärmenetze eine sehr sinnvolle Alternative sind, bei denen nämlich erneuerbare Energie in Wärme umgewandelt und entsprechend in Wasserspeichern für die Wärmeversorgung bereitgestellt wird. Hierbei haben sich einige Kommunen, auch in Sachsen-Anhalt, längst auf den Weg gemacht. Es sind meistens Bioenergieanlagen.

Inzwischen gibt es aber auch andere interessante Projekte, z. B. im Landkreis Anhalt-Bitterfeld, die in Vorbereitung sind. Die dann dort bereitgestellte Wärme ist für die Haushalte wesentlich kostengünstiger als die zurzeit aufgerufenen Preise für fossile Brennstoffe.

Ja, bei all den dringenden Erfordernissen fordern wir als LINKE; dass diese Investitionen natürlich sozial ausgeglichen werden müssen. Da ist es auch aus unserer Sicht wenig hilfreich, dass Förderprogramme nach dem Gießkannenprinzip aufgelegt werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Entlastung und entsprechende Verteilung von Fördermitteln muss an der realen Bedürftigkeit der Haushalte ausgerichtet sein. Das betrifft sehr stark die Menschen im Osten und hier in Sachsen-Anhalt, deren Heizungssysteme in die Jahre gekommen sind und demnächst ausgetauscht werden müssen. Diese Menschen haben aber kaum finanzielle Spielräume für den Austausch.

Zudem leben 60 % der Haushalte in einem Mietverhältnis. Sie haben übrigens keinerlei Einfluss darauf, ob die Gebäude ausreichend gedämmt und nichtfossile Heizungssysteme eingebaut worden sind. Gerade im unteren Einkommensbereich leben sehr viele Menschen, vor allem Rentnerinnen, Alleinerziehende und Sozialleistungsempfängerinnen zur Miete und geben schon heute einen erheblich höheren Anteil ihres Einkommens für Energie und Wärme aus. Sie sind dadurch von Energiearmut bedroht. Das dürfen wir nicht vergessen. Deshalb müssen aus unserer Sicht dort energetische Sanierung und Umbau zielgenau von der öffentlichen Hand gefördert und an Mietpreis und Belegungsbindungen gekoppelt sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Politik hat also Werkzeug, mit dem sie Einfluss nehmen kann. Wir sind nicht dem Zustand, dass das dann automatisch alles umgelegt wird, bedingungslos ausgeliefert, sehr geehrter Herr Silbersack. Denn Luxussanierungen und Verdrängung dürfen nicht passieren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nun sage ich einmal: Wenn 300 Milliarden € für die Bundeswehr drin sind, dann sollte uns doch die bundesweite energetische Ertüchtigung mindestens genauso viel wert sein. Nach Angaben des VDW Sachsen-Anhalt sind die Bundesförderprogramme in Sachsen-Anhalt zurzeit nicht wirksam.

(Zuruf: Da sind wir doch mal in Sachsen-Anhalt! - Weitere Zurufe)

Nach einer verbandsinternen Umfrage werden mehr als 90 % der Unternehmen in diesem Jahr deshalb auch keine neuen Investitionen vornehmen. Die Gründe hierfür sind auch Zinsentwicklungen und die schlechte Bonitätsbewertung der Unternehmen. Hohe Leerstände und die Altschulden kommen hinzu. Das verschärft die Situation.

Deshalb stellt sich für uns die Frage, warum das Land kein eigenes Stadtumbauprogramm zur energischen Sanierung auflegt. Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Maßnahmen zum Klimaschutz sind teuer. Wesentlich teurer ist es aber, keinen Klimaschutz zu betreiben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aus der Sicht der LINKEN ist es deshalb überhaupt nicht hilfreich, sich einfach nur empört zurückzuziehen, anstatt endlich gemeinsam zu handeln und die Probleme, die übersehen worden sind, in die Debatte zu bringen und zu lösen. Ich glaube, das darf man von einer selbsternannten Fortschrittskoalition im Bund schon erwarten. Insofern finde ich es wohlfeil, dass ausgerechnet die Fraktion, die im Bund den Finanzminister stellt, heute hier diese Debatte angestoßen hat.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Die Wärmewende muss gerecht werden, damit der soziale Zusammenhalt nicht gefährdet wird. Aber sie darf auch nicht dem Markt überlassen werden. Der wird sie nämlich nicht regeln. - Danke schön.

(Zustimmung bei der LINKEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Eisenreich, es gibt noch eine Intervention, und zwar von Herrn Roi.

(Zurufe: Oh!)

- Herr Roi, Sie können Ihre Intervention vortragen.


Daniel Roi (AfD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Mir ist klar, dass die DIE LINKE nicht zu einer Debatte bereit ist, weil dann nämlich deutlich wird, wie weit entfernt DIE LINKE mittlerweile von unserer Bevölkerung in unserem Bundesland ist.

(Beifall bei der AfD)

Wenn Frau Eisenreich am Anfang Ihrer Rede über gefährliche Kipppunkte redet, die uns alle in Gefahr bringen, und hier Weltuntergangsszenarien beschreibt, dann erinnert mich das an einen Tweet Ihrer großen Chefideologin Greta Thunberg, die vor fünf Jahren Folgendes twitterte: Ein führender Klimawissenschaftler - das sind übrigens die gleichen Klimawissenschaftler, auf die Sie bei der LINKEN sich berufen - warnt davor, dass der Klimawandel die gesamte Menschheit auslöschen wird, wenn wir in den nächsten fünf Jahren nicht aufhören, fossile Brennstoffe zu verwenden. - Das ist jetzt mehr als fünf Jahre her.

Der Tweet ist inzwischen gelöscht worden, weil wir sehen, dass wir alle noch da sind.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Sie haben in Ihrer Rede gesagt, Sie wollen in Sachsen-Anhalt

(Zurufe von der AfD: Jawohl!)

keine Ölheizungen und keine Gasheizungen mehr.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Verstehendes Lesen ist nicht Ihre Stärke, Herr Roi!)

Sagen Sie den Leuten da draußen,

(Zurufe von der AfD: Jawohl!)

wie Sie das umsetzen wollen. Wir wollen hier keine Sanierungszwänge durch grünideologische und linke Vorbeter haben.

(Zustimmung bei der AfD)

Und vor allem: Eine Antwort geben Sie hier nicht. Es ist die Antwort auf die Frage, wie es von unseren Leuten hier in Sachsen-Anhalt mit niedrigen Einkommen, insbesondere von den Rentnern, die im ländlichen Raum wohnen, finanziert werden soll. Aber das kennen wir ja von Ihnen. Sie wollen die Autos verbieten und sagen nicht, wie die Leute sich bewegen sollen. Sie wollen alle in unser Land reinlassen und wundern sich dann, warum die Mieten steigen. Das, was Sie erzählen, hat mit der Lebensrealität der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt nichts zu tun.

(Zustimmung bei der AfD - Zurufe von der AfD: Jawohl! - Hendrik Lange, DIE LINKE: Was Sie da drüben brüllen, weil Sie einfach nicht zugehört haben!)