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Plenarsitzung

Transkript

Katrin Gensecke (SPD):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit der heutigen Aktuellen Debatte zu der Sozialagentur greift die Fraktion DIE LINKE ein Thema auf, das unheimlich kompliziert sowie sehr komplex und umfassend ist. Aber es ist   das haben die einzelnen Debattenbeiträge schon gezeigt   auch ein Stück weit sensibel. Denn es geht hierbei um Leistungen für eine unterrepräsentierte Zielgruppe: die Menschen mit Behinderung.

Es wurde gesagt: Es geht heute um 27 000 Betroffene in unserem Land, die mit der Eingliederungshilfe leben. Aber es gibt in Sachsen-Anhalt allein 174 140 Personen mit einer anerkannten Schwerbehinderung. Die Zahl darüber hinaus ist noch viel höher. Wenn ich höre, dass die Situation für all diese Menschen in Sachsen-Anhalt katastrophal ist, dann möchte ich das an dieser Stelle zurückweisen. Das finde ich einfach nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP, und von Andreas Silbersack, FDP)

Seit 2004 übernimmt die Sozialagentur Sachsen-Anhalt als zuständige Verwaltungsbehörde die Aufgaben der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe in unserem Land. Ja, die Eingliederungshilfe betrifft Menschen mit Behinderung, mit verschiedenen Beeinträchtigungen - den körperlichen, den geistigen, den psychischen, aber auch den physischen Beeinträchtigungen. Es gibt Hilfen für pflegebedürftige Menschen, teilstationäre und stationäre Hilfen für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten sowie die Blindenhilfe.

Sie sehen schon anhand dieses großen Portfolios, dass die Bearbeitung der Anträge für die genannten Leistungen nicht allein in der Sozialagentur, sondern in den Gebietskörperschaften der Landkreise und der kreisfreien Städte stattfindet. Dort wird gemeinsam mit den Betroffenen das sogenannte Teilhabeberatungsverfahren eingeleitet und zusammen aufgeschrieben, was wichtig ist - was personenzentriert wichtig ist für den einzelnen Menschen mit Behinderung. Die Sozialagentur koordiniert dabei als zentrale Behörde die Aufgabenerledigung durch die Landkreise und unterstützt die Sozialämter in ihrer Arbeit.

Wir wissen   das haben wir hier schon an vielen Stellen gehört; ich kann das auch nachvollziehen  , dass eine riesengroße Baustelle entstanden ist. Aber die Sozialagentur obliegt auch dem Abschluss von Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit den Trägern dieser Einrichtungen.

Die Kollegin Sziborra-Seidlitz hat es schon erwähnt: Die sogenannte GK 131   das Gremium einer Gemeinsamen Kommission   hat sich einen eigenen Rahmenvertrag geschrieben. In diesem ist das sogenannte Einstimmigkeitsprinzip verankert. Ich möchte es an der Stelle noch einmal ganz explizit sagen: Verhandlungen mit dem Land können nur einstimmig beschlossen werden. Wenn also auch nur ein einziges Mitglied aus dem neunköpfigen Gremium widerspricht, dann gibt es, ganz klar, hierzu keine Einigung. Deswegen ist die Einleitung der Schiedsstellenverfahren so häufig vorgekommen, was auch nicht zufriedenstellend ist. Im letzten Jahr hat aber die Mehrheit der Verbände der GK 31 für die Erhöhung des vom Land vorgeschlagenen Werts von 3,9 % gestimmt. Genau an diesem Punkt befinden wir uns jetzt.

Kurz noch einmal   dazu wurde auch schon etwas gesagt   zum Verständnis der Schiedsstellen. Die Schiedsstellen arbeiten ehrenamtlich. Sie sind nicht an Weisungen gebunden und sind nicht Teil des Sozialministeriums. Auf die Bearbeitungszeit als solche kann daher nicht unbedingt im Wesentlichen Einfluss genommen werden, weil sie unabhängig arbeiten. Im Übrigen werden Schiedsstellenverfahren aus Gründen der Fristwahrung eingeleitet. Einigungen sind auch während des Verfahrens noch möglich. Die Träger werden auch weiterhin zu den bisherigen Sätzen vergütet. Ich sage das, damit jetzt nicht der Eindruck entsteht, dass die Einrichtungen gänzlich nicht mehr finanziert werden.

Der Haushaltstitel für die Eingliederungshilfe   auch das wurde schon gesagt   macht mit 600 Millionen € den größten Teil des Einzelplans 05 aus. Wenn wir für die Menschen mit Behinderung, was auch richtig ist, Leistungen erhöhen wollen, dann müssen wir auch in den Einzelplan 05 viel mehr finanzielle Ressourcen einstellen. Sonst wird das nicht funktionieren.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind alle von Kostensteigerungen durch hohe Energiekosten betroffen, auch die Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Im letzten Jahr wurden die gestiegenen Kosten in zwei Schritten mit insgesamt 8,9 % pauschaler Sachkostensteigerung vom Land ausgeglichen. Es ist gut, dass es die Pauschalen und keine Einzelverhandlungen mehr gibt. Das war auch ein Wunsch der GK 31. In den Landeshaushalt wurden im Übrigen finanzielle Mittel für einen Härtefallfonds eingestellt, die auch die Einrichtungen der Eingliederungshilfe unterstützen sollten.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Kollegin Anger, in einem MDR-Beitrag in der letzten Woche sprachen Sie von einem fortgesetzten   ich zitiere   „Systemversagen, was durch die Sozialagentur hervorgerufen wird.“ Weiter sagten Sie: „Da werden Prozesse ausgesessen, da wird nicht kommuniziert, da fehlen Eingangsbestätigungen für Anträge usw.“

Ich muss ganz ehrlich sagen: Das hat mich sehr, sehr getroffen. Das ist starker Tobak, das ist ein starker Vorwurf. Ich möchte das auch im Namen der Mitarbeitenden der Sozialagentur, die auch nicht den riesengroßen personellen Aufwuchs haben, zurückweisen. Denn damit diskreditiert man diese Arbeit ein Stück weit. Auch dort sitzen Menschen, die ordentlich arbeiten, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU, von Guido Kosmehl, FDP, und von Andreas Silbersack, FDP)

Aber warum koordiniert die Sozialagentur die Leistungen im Land? Viele haben gar nicht mitbekommen, dass Sachsen-Anhalt auch diesbezüglich fast ein Alleinstellungsmerkmal hat. Eine ähnliche Struktur gibt es nur noch im Saarland. Aber das Saarland hat, denke ich, diese Probleme nicht. Warum haben wir das gemacht? - Weil genau diese Themen sonst auf der kommunalen Ebene verbleiben würden und die Gefahr bestünde, dass Leistungen für Menschen mit Behinderung möglicherweise von der Finanzkraft der jeweiligen Kommune abhängig werden. Denke ich an meine Kommune, möchte ich nicht wissen, was es heißen würde, wenn diese plötzlich sagen würde: Wir können Ihre zusätzlichen finanziellen Leistungen nicht bezahlen.

Ich möchte die Aktuelle Debatte aber auch zum Anlass nehmen, um über einen grundsätzlichen Gedanken zu der Eingliederungshilfe und überhaupt über das große Thema Inklusion zu diskutieren. Denn ich glaube, über dieses Thema wird viel zu viel geredet. Häufig wird es zerredet. Aber ich bin mir gar nicht sicher, ob eigentlich jeder das Thema Inklusion als solches und deren Umsetzung verstanden hat.

Was bedeutet das eigentlich? - Es muss doch erreicht werden, dass Menschen mit Behinderung nicht mehr gemieden, sondern anerkannt und fair behandelt werden, dass Diversität und Selbstbestimmung irgendwann endlich zum normalen Leben in unserer Gesellschaft gehören. Denn Menschen mit Behinderung gehören in die Mitte der Gesellschaft hinein. Inklusion bedeutet einen Prozess und nicht, wie das viele immer auffassen   auch Einrichtungen  , einen Zustand.

Eine wichtige Weichenstellung war daher die Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes im Jahr 2016. Dieses wurde im Einverständnis mit vielen Vereinen und Verbänden beschlossen. Dahinter stand der Gedanke, die Eingliederungshilfe heraus aus dem Fürsorgesystem hin zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln. In Sachsen-Anhalt wurde der Landesrahmenplan zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Leistungserbringern im August 2019 beschlossen. Er beinhaltet eine Übergangsregelung, ist aber leider bis heute   auch das wurde schon angesprochen   noch nicht abgeschlossen worden.

Mir scheint, auch wir befinden uns noch in einer Übergangsphase und haben diesen Paradigmenwechsel noch nicht vollständig vollzogen. Aber lassen Sie uns doch gemeinsam schauen, was Menschen mit Behinderung können. Lassen Sie uns nicht nur schauen, was sie nicht können. Denn auch das war wieder das Typische in dem MDR-Beitrag: Man hat nur geschaut, was alles nicht klappt, was alles nicht funktioniert in unserem Land. Vor wenigen Wochen wurde ähnlich geschaut, warum Sachsen-Anhalt nicht in der Lage ist, die Quote von Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt einzuhalten. Auch das war wieder nur Defizitdenken. Das finde ich nicht gut an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Alexander Räuscher, CDU)

Wir müssen doch schauen, dass wir in Sachsen-Anhalt viel mehr tun können. Wir haben sehr, sehr viele gute Instrumente. Schauen wir in die Kindergärten. Bei mir im Landkreis Börde in Oschersleben gibt es z. B. noch eine wunderbar funktionierende inklusive Kindertagesstätte. Wir haben angefangen   leider erst angefangen  , Inklusion und gemeinsames Lernen in vielen Schulen zu ermöglichen, sowohl bei den kommunalen als auch bei den sogenannten freien Schulträgern.

Es gibt   das dürfen wir nicht vergessen   viele, viele junge Menschen mit einer geistigen Behinderung. Es gibt viele junge Menschen mit Lernschwierigkeiten, die sozusagen ausgeschlossen werden. Denn von der Sonderschule ohne Abschluss einen Übergang in den ersten Arbeitsmarkt zu gewährleisten     Häufig findet noch immer der Automatismus statt: von der Schule in die anerkannte Werkstatt für Menschen mit Behinderung, wo es nicht möglich ist, ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu erhalten. Auffällig ist, dass wir in Sachsen-Anhalt bei Weitem die meisten stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe vorweisen. Genau dieser Punkt macht es uns manchmal so schwer und bremst uns aus.

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie uns zeigen, dass Inklusion geht und dass wir das gemeinsam schaffen können - mit mehr Offenheit, mit Gestaltungswillen, mit Optimismus. Denn es ist eine gewaltige Aufgabe. Aber es ist eine lohnende Investition in die Zukunft, auch für uns in Sachsen-Anhalt. Ja, wir sind davon noch ein gutes Stück entfernt. Aber   das hat die Debatte auch heute wieder gezeigt   wenn wir immer nur sagen, was nicht geht, dann kommen wir in dieser Richtung keinen Schritt weiter. Eine ganzheitliche inklusive Gesellschaft ist keine Utopie. Sie ist die Zukunft für unsere Menschen. Es lohnt sich. Wir müssen sie konkretisieren. Wir müssen gute gelingende Rahmenbedingungen schaffen. Das können wir am besten gemeinsam.

Ich und meine Fraktion werden uns für dieses Themengebiet sehr, sehr stark machen, damit wir nicht an gläserne Decken brechen, sondern damit wir diese Decken mit Strahlen zum Leuchten bringen. Denn die Vielfalt aller Unterschiede ist der Reichtum in unserer Gesellschaft und besonders in Sachsen-Anhalt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Gensecke, es gibt zwei Interventionen und eine Frage. - Bevor ich aber Frau Anger das Wort gebe, möchte ich besonders begrüßen Damen und Herren der Landsmannschaft der Pommern in Osterburg vom Bund der Vertriebenen, Landesverband Sachsen-Anhalt, die jetzt auf den beiden Tribünen Platz genommen haben. Wir sehen Sie und freuen uns über das Interesse.

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Anger hat sich als Erste gemeldet. Danach kommen Herr Tullner und Frau Schüßler mit einer Intervention an die Reihe.


Nicole Anger (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Da ich direkt angesprochen worden bin, möchte ich klarstellen, dass ich in dem MDR-Beitrag gesagt habe   ich wiederhole es gern, weil ich dazu stehe  , dass die mehr als 700 Schiedsstellenverfahren eine Folgesymptomatik des Systemversagens in der Sozialagentur sind. Das ist nach wie vor meine Position dazu. Es würden nicht 700 Verfahren in der Schiedsstelle liegen, es würden nicht zahlreiche Rechtsverfahren, Widersprüche und Klagen laufen, wenn die Sozialagentur vernünftig arbeiten und das tun würde, was ihre Aufgabe ist.

(Zustimmung von Stefan Gebhardt, DIE LINKE)

Sowohl die Träger als auch die Menschen mit Behinderung, mit denen ich regelmäßig im Gespräch bin, berichten immer wieder: Durch die Sozialagentur erfolgen unverhältnismäßige Nachforderungen; es wird von verschwundenen Akten, von einer Nichterreichbarkeit der Sozialagentur gesprochen; E-Mails bleiben unbeantwortet. Es gibt eine immense Zeitverzögerung. Es ist doch kein Wunder, dass wir so viele Schiedsstellenverfahren haben. Diese müssten wir alle nicht haben, wenn es an erster Stelle, und zwar in der Sozialagentur, vernünftig klappen würde.

Ein weiterer Punkt: Die Beschäftigungsquote mit Schwerbehinderung im Land Sachsen-Anhalt ist bundesweit die schlechteste. Das müssen wir benennen. Denn wenn wir es nicht benennen, dann können wir es nicht ändern.

(Zustimmung bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Gensecke, möchten Sie darauf reagieren?


Katrin Gensecke (SPD):

Zunächst möchte ich zu dem letzten Punkt etwas sagen. Menschen mit Behinderung   das alles ist uns bekannt; das alles wissen wir. Mich ärgert es bloß unheimlich, wenn in den Berichterstattungen über Menschen mit Behinderung immer nur über die defizitären Bereiche berichtet wird.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Aber wenn es doch nicht schön ist!)

Es gibt ganz, ganz viele Möglichkeiten. Mit Blick auf die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderung ist   gerade jetzt, wo der Fachkräftemangel steigt   eine ganze Menge passiert: das Budget für Arbeit, das Budget für Ausbildung. Solche Dinge kommen in der öffentlichen Berichterstattung nie vor   das ärgert mich.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Mir geht es darum, dass man einfach nur einmal die Dinge aufzeigt, die wir zur Verfügung haben. Wir stehen in Sachsen-Anhalt mit diesen Instrumenten gut da.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Jetzt kommt die Frage von Herrn Tullner.


Marco Tullner (CDU):

Frau Gensecke, ich bin Ihrem Beitrag sehr aufmerksam gefolgt. Ich finde, Sie haben sehr charmant und sehr sachkundig, aber irgendwie doch ein bisschen am Thema vorbeigeredet. Ich meine, nun ist es auch Ihr Job, die zuständige Ministerin zu verteidigen und in Schutz zu nehmen, aber das Grundproblem, das die Träger mir in meinem Wahlkreis   ich denke an die Paul-Riebeck-Stiftung und andere   schildern, ist, dass die Sozialagentur nicht in der Lage ist, ihre Aufgabe zu erfüllen.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Olaf Meister, GRÜNE)

Das ist doch keine Beschimpfung der dort arbeitenden Frauen und Männer. Die eigentliche Aufgabe ist es doch jetzt, die sächlichen und personellen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Sozialagentur ihrer Aufgabe gerecht werden kann. Wir als regierungstragende Fraktionen können sicherlich die zuständige Ministerin dabei auch fachlich und anderweitig begleiten.

(Zustimmung bei der SPD, bei der FDP und bei der LINKEN - Dr. Katja Pähle, SPD: Das ist eine gute Idee!)

Das müssen wir doch hinbekommen. Deshalb fand ich Ihren Beitrag   nach dem Motto: Inklusion ist schön und wir reden alles schlecht   nicht hilfreich. Wenn es Probleme gibt, dann müssen wir sie klar benennen, sie lösen und nicht um den heißen Brei herumreden.

(Zustimmung)


Katrin Gensecke (SPD):

Sehr geehrter Herr Tullner, die Idee nehme ich sehr, sehr gern auf. Wenn wir in die nächsten Haushaltsberatungen gehen, dann werden wir genau diesen Punkt aufgreifen. Das ist eines der Probleme: Die Personalsituation ist nicht zufriedenstellend.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir nehmen das gern auf.

(Unruhe)

Ich weiß aber auch, wer, wenn dieser Punkt verhandelt wird, sehr genau auf den Einzelplan 05 und auf die Eingliederungshilfe schauen wird.


Marco Tullner (CDU):

Frau Kollegin, wir können doch nicht bis zur nächsten Haushaltsberatung warten. Die Ministerin muss jetzt, im operativen Geschäft, umschichten, Prioritäten setzen und das Problem lösen. Wir können doch nicht um den heißen Brei herumreden. Darum geht es mir.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Gensecke.


Katrin Gensecke (SPD):

Ich denke, wir werden nicht um den heißen Brei herumreden. Ich habe gesagt: Ich kann das nachvollziehen; auch mich erreichen genau solche Anfragen. Mich erreichen aber auch sehr positive Anfragen. Ich meine damit nicht die, die aus den Einrichtungen kommen, sondern jene, die von den Menschen mit Behinderung kommen, also von denen, die die Anträge für ihre selbstbestimmten Wohnformen etc. pp. stellen. Diese positiven Meldungen   das ist auch etwas, das nie in der Presse vorkommt oder auf mediales Interesse trifft   werden nie nach außen gespiegelt. Das ist ärgerlich.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Jetzt kommt noch Frau Schüßler mit einer Intervention an die Reihe.


Xenia Sabrina Schüßler (CDU):

Vielen Dank. - Frau Gensecke, Sie haben die Umstellung der Rahmenverträge im Jahr 2019 angesprochen. Ich erwähne an dieser Stelle, dass mit Stand vom August 2022 von den 1 121 Einrichtungen eine einzige umgestellt war. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage hervor. Ich bleibe dabei: Das ist ein Systemversagen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es muss irgendwie arbeitsstrukturell dringend etwas in der Sozialagentur geändert werden, damit es dort vorwärtsgeht. Wir können die Träger nicht länger so hängen lassen. - Danke.


Katrin Gensecke (SPD):

Ich denke, das ist angekommen. Natürlich müssen wir an dieser Stelle etwas machen.

Aber ich war noch nicht ganz fertig   Herr Tullner hat sich so schnell hingesetzt  : Ich habe nicht um das Thema herumgeredet. Es ist mir einfach wichtig, weil ich selbst zu der Zielgruppe gehöre. Wenn ich höre   das war Ihre Aussage, Herr Tullner  , dass im Jahr 2018 die Inklusion im Land Sachsen-Anhalt gänzlich gescheitert ist, dann sage ich: Das ist ein Bruch; das tut unheimlich weh.

Deswegen habe ich heute die Möglichkeit genutzt, um darauf aufmerksam zu machen, wohin wir eigentlich wollen. Wir müssen weg von den Einrichtungen   der Kollege Pott hat dazu ja auch ausgeführt   hin zur selbstbestimmten Teilhabe

(Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)

Diese kann nicht immer nur in Einrichtungen stattfinden. Neben Mecklenburg-Vorpommern haben wir in Sachsen-Anhalt viel zu viele Einrichtungen. Wir haben 33 anerkannte Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Wenn wir die ganzen Instrumente einmal einsetzen würden, nämlich das Budget für Arbeit   ich sage es noch einmal   und das Budget für Ausbildung, das viele gar nicht kennen, dann würden wir auch die ganzen Transferleistungen an der Stelle einsparen. Jeder junge Mann, jede junge Frau hat ein Anrecht darauf und auch die Möglichkeit zu überlegen: Wohin möchte ich eigentlich einmal in meinem Job? Ich möchte auch einmal die Wertschätzung haben, die ich nicht immer unbedingt bekomme, wenn ich ein Leben lang von Transferleistungen abhängig bin. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)